Deutsche Welle • Monitor Ost- / Südosteuropa • 19.11.2004
Berlin, 19.11.2004, DW-Radio
Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler beginnt am Montag (22.11.) eine dreitägige Reise ins Baltikum – sein dortiger Antrittsbesuch. Köhlers erste Station ist Litauen, am Dienstag ist er in Lettland und zum Abschluss am Mittwoch (24.11.) dann in Estland. Alle drei Länder gehörten früher zum Territorium der Sowjetunion, heute sind sie souveräne Nationalstaaten und allesamt Mitglied in NATO und EU. Zu den Gesprächsthemen dürfte wegen dieser Vorgeschichte unter anderem das immer noch schwierige Verhältnis der baltischen Staaten zu Russland gehören. Ein Vorbericht von Wolter von Tiesenhausen:
In Zuge seiner Antrittsbesuche bei den Nachbarstaaten reist Bundespräsident Horst Köhler zum Wochenbeginn in die drei baltischen Republiken Litauen, Lettland und Estland. Auch wenn im Vordergrund das Bemühen des Bundespräsidenten steht, mit den jeweiligen Präsidenten und Ministerpräsidenten erste Kontakte aufzunehmen, so wird es doch auch politische Gespräche geben. Alle drei Republiken sind seit diesem Jahr sowohl Mitglieder der NATO als auch der Europäischen Union. Das hat die bereits engen Bindungen zu Deutschland weiter vertieft und intensiviert.
Bundespräsident Köhler wird deshalb auf einerseits über die innerdeutschen Verhältnisse gut informierte, andererseits aber auch an weiteren Details sehr interessierte Gesprächspartner treffen. So möchte man gerne Einzelheiten über die deutsche Haltung zu einem möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union wissen. Die Regierungen in Wilna, Riga und Tallinn wissen genau, dass die Erweiterung der Union um ein so großes Land die Bedeutung der kleineren Partner relativieren würde. Da dieses auch Auswirkungen auf den Anteil der baltischen Republiken an den Zuwendungen aus Brüssel haben würde, machen die Balten keinen Hehl aus ihrer Skepsis gegenüber einer Vollmitgliedschaft der Türkei. Privilegierte Beziehungen zwischen der EU und der Türkei unterhalb einer Vollmitgliedschaft, wie sie von den deutschen Christdemokraten vorgeschlagen wurden, finden auch im Baltikum viel Zustimmung.
Nach wie vor Sorgen machen sich die baltischen Republiken um das Verhalten Russlands. Kurz vor dem Beitritt der drei Staaten zur NATO demonstrierte die russische Luftwaffe seinerzeit ihre regionale Dominanz, in dem sie in die Lufträume dieser Staaten eindrang. Als darauf hin die NATO belgische Kampfflugzeuge zur Sicherung des baltischen Luftraums entsandte, gab es damals aggressive Reaktionen in den russischen Medien. Die jüngste Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, man werde neue Atomwaffen entwickeln, die allen anderen überlegen seien, hat nicht gerade zur Beruhigung der Gemüter im Baltikum beigetragen.
Aus deutscher Sicht könnten die Sorgen der drei baltischen Republiken um ihre äußere Sicherheit gemildert werden, wenn es gelänge, die multilaterale Zusammenarbeit aller Ostsee-Anrainer und damit auch Russlands zu vertiefen. Vom Umweltschutz über gemeinsame Anstrengungen, noch vorhandene Minen und Munitionsreste aus dem Zweiten Weltkrieg zu räumen, bis zur Vertiefung der wirtschaftlichen und politischen Kooperation reichen die möglichen Themen.
Köhler wird darüber hinaus seinen Rat nicht verweigern, wenn er als früherer Präsident des Weltwährungsfonds von seinen Gastgebern um die Beurteilung ihrer wirtschaftlichen Situation gebeten würde. (TS)
- Auch Russland dürfte Gesprächsthema sein
Der Originalartikel auf den Internet-Seiten der Deutschen Welle