Die Veranstaltung des BdV zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes in Berlin sorgt für Kritik in Polen
Danuta Zagrodzka

Deutsche Welle • Monitor Ost- / Südosteuropa • 19.07.2004

Warschau, 19.7.2004, GAZETA WYBORCZA, poln.

Im Zentrum von Berlin wird am Montag (19.07.) eine Veranstaltung zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstandes stattfinden, die von der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, organisiert wird. Polnische Kombattanten wurden jedoch nicht eingeladen. (…)

Die eingeladenen Gäste werden von Erika Steinbach persönlich und vom Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, begrüßt. Als Redner wurden u. a. der deutsche Schriftsteller jüdischer Abstammung Ralf Giordano eingeladen, der in Deutschland als moralische Autorität angesehen wird, der ehemalige Minister in der Regierung Bayerns, Professor Hans Maier sowie der Historiker Dr. Bogdan Musial, ein Emigrant aus Polen mit deutschem Pass.

Dr. Bogdan Musial wird einen Vortrag mit dem Titel »Die Befreiung Polens in den Jahren 1944 – 45« halten. Im Jahr 2001 polemisierte er heftig gegen Jan Tomasz Gross, den Verfasser des berühmt-berüchtigten Buches Nachbarn, das von dem Mord an Juden in Jedwabne handelt. »Erklären Sie mir bitte, warum der Mord in Jedwabne nicht im Jahre 1939 stattfand? Warum geschah dies ausgerechnet im Jahr 1941?«, fragte er in einem Interview der Zeitung Życie und fügte hinzu: »Plötzlich, zwei Jahre nach dem Einmarsch der sowjetischen Armee hat sich so viel verändert, aber warum? … Die ethnischen Konflikte, die entflammten, waren eng mit der sowjetischen Okkupation verbunden. Jan Tomasz Gross beachtet aber dies in seinem Buch nicht.«

In Polen erweckt der Bund der Vertriebenen schlechte Assoziationen. Dieser Tatsache liegen verschiedene Forderungen des BdV zu Grunde sowie Versuche, den Weg Polens (und Tschechiens) in die EU zu blockieren. In letzter Zeit sorgt das Projekt des Zentrums gegen Vertreibungen für Unruhe, das von den Polen und vielen Deutschen als ein Versuch interpretiert wird, die Geschichte zu verfälschen.

Erika Steinbach, die an der Spitze des BdV seit sechs Jahren steht, will das Ansehen dieser Organisation ändern. Dies gelang ihr bereits teilweise in Deutschland. Sie konnte für die Idee, ein Zentrum gegen Vertreibungen zu errichten, einige wichtige Persönlichkeiten von den Linken gewinnen, obwohl sie bisher von diesen Parteien ignoriert wurde. Sie konnte jedoch in Polen niemanden überzeugen. Trotz vieler freundlicher Absichtserklärungen versteht sie die polnischen Befürchtungen nicht. (…)

Die Einladung der so angesehenen Persönlichkeiten wie Kardinal Karl Lehmann oder Ralf Giordano soll die guten Absichten des Bundes der Vertriebenen beweisen. Davon scheint auch die deutsche Regierung überzeugt zu sein, da diese Veranstaltung von der Bundeszentrale für politische Bildung mitfinanziert wird. »Wir können die Geste des Mitgefühls nicht verbieten, aber wir können sie als Provokation interpretieren«, sagt Władysław Bartoszewski, der ehemalige Außenminister Polens gegenüber Gazeta Wyborcza. (sta)