Bericht von einer Heimkehr, die keine war. Ein Selbstporträt, verfasst von dem rumänischen Schriftsteller Norman Manea
Klaus Harpprecht

Die Zeit Nr. 28 • 01.07.2004

[…] Das gewaltige Espressivo wandelt sich in ein lebhaftes Parlando voller Hintersinn, Melancholie und Witz, wie es sich für einen Schriftsteller gehört, der auf der Nachtseite der balkanischen Geschichte zur Welt kam: als Kind von den Legionären des Marschalls Antonescu, Hitlers rumänischen Paladins, in ein ukrainisches Lager jenseits des Dnjestr-Flusses verschleppt – in ein mörderisches Elend, das der Bub und die Eltern nur mit Glück überlebten –, heimgekehrt als »ein Greis von neun Jahren«, aufgewachsen in der Zucht des kommunistischen Regimes, dem er (dank der ortsüblich korrupten Verschlampung) ein privates Leben ablisten konnte, das von fernen Ahnungen des Reichtums der versunkenen k.u.k. Welt wenigstens noch gestreift wurde. Zumal im Dunstkreis von Czernowitz, der Stadt Paul Celans, das Manea »das Wien jenes Weltendes« nannte – eine zweite Existenz, halb öffentlich, halb im Untergrund, über die freilich in verstörten Augenblicken die Schatten des Ghettos fielen mit »seiner aufgeregten Enge« und »mit seinen verdrehten und verknoteten Geheimnissen«, mit seiner Klaustrophobie, aus der es nur den einen Fluchtweg gab: das befreiende Talent, die Fantasie, die alle verriegelten Tore aufsprengte, der Geist, den keine Mauern aufhielten, die Literatur, die Macht des Wortes, mit dem sich ein begnadetes Menschenwesen aus der drangvollen Raumnot vielköpfiger Familien in den Himmel aufzuschwingen oder in die Hölle zu stürzen vermochte. […]