Zwischen Sprache, Nation und Staat 1800–1945
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»Die Publikation Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat 1800-1945 (2015)  schließt an das Ausstellungs-und Buchprojekt In Böhmen und Mähren geboren – bei uns (un)bekannt? an, das vom Kulturreferenten für die böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein, Wolfgang Schwarz, 2009 fertig gestellt wurde. Darin wurden die böhmisch-mährischen Wurzeln von zwölf deutschsprachigen Persönlichkeiten wie etwa R.M. Rilke, Sigmund Freud, Gustav Mahler, Oskar Schindler oder Otfried Preußler thematisiert.

Im Mittelpunkt von Bedeutende Tschechen steht nun – illustriert mit zahlreichen Abbildungen – die Beziehung von fünfzehn bekannten tschechischen Persönlichkeiten wie z. B. Antonín Dvořák, Karel Čapek, Bedřich Smetana oder Božena Němcová zur deutschen Kultur und Sprache, zur Habsburgermonarchie sowie deren biografische Verbindungen zum deutschsprachigen Kulturraum generell. Die dadurch erfahrenen Inspirationen finden in den Texten ebenso Erwähnung wie entsprechende leidvolle Erfahrungen bzw. Abneigungen. Auch die Frage, wie stark sie für das tschechisch-nationale Selbstverständnis stehen bzw. zur Entwicklung und Herausbildung der tschechischen Sprache, Kultur und Nation, insbesondere im Zeitalter der Národní obrození (Tschechische Wiedergeburt)  beigetragen haben, wird in den Texten immer wieder thematisiert.

Nicht nur Schriftsteller wie etwa Jaroslav Hašek und sein Schwejk oder Komponisten wie Leoš Janáček, sondern auch Techniker wie František Křížík, die beliebten Maler Alfons Mucha und Josef Lada sowie der bekannte und erfolgreiche Schuhfabrikant Tomáš Baťa werden dabei unter den fünfzehn ausführlicher erläuterten Persönlichkeiten näher vorgestellt. Im Anhang folgen Kurztexte mit einer Auswahl von mehr als 60 weiteren, bedeutenden Tschechen in Kunst, Kultur, Literatur, Wissenschaft oder Politik. Berücksichtigt werden in dem Buch nur tschechische Persönlichkeiten, deren Lebensleistung bzw. wesentliche Teile davon in den genannten Zeitraum von 1800–1945 fallen.

Noch in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts waren es nur einige dutzend tschechische Patrioten, welche sich nachdrücklich und öffentlich für die Aufwertung der tschechischen Sprache sowie die Propagierung einer nationalen Literatur und Kultur einsetzten. Erst in den nachfolgenden Jahrzehnten erfasste die Bewegung breite Kreise der tschechisch sprachigen Bevölkerung, wodurch zunehmend Spannungen zwischen Tschechen und Deutschen in den böhmischen Ländern entstanden, da es wiederum auf deutschböhmischer Seite Widerstand gegen diese Emanzipation gab.

Nach der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie sahen die Tschechen 1918 in der Gründung der Ersten Tschechoslowakischen Republik, in der sechs verschiedene Nationalitäten, darunter mehr als drei Millionen Deutsche (›Sudetendeutsche‹), lebten, ihren Anspruch auf die Bildung eines eigenen Staates verwirklicht. Das deutsch-tschechische Zusammenleben verlief dort jedoch nicht ohne nationale Konflikte: Zu wenige waren es, die auf beiden Seiten, die auf einen Ausgleich hinarbeiteten. Dem Münchner Abkommen 1938 und der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren durch die Nationalsozialisten 1939 folgte nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Vertreibung der Sudetendeutschen 1945/46 und damit das Ende eines jahrhundertelangen Zusammenlebens beider Nationalitäten in den böhmischen Ländern.

Im Anhang eine Auswahl von mehr als 60 weiteren Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Literatur, Wissenschaft oder Politik.«
Quelle: Adalbert Stifter Verein

Schwarz, Wolfgang (Hrsg.): Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat 1800-1945. München 2015. 194 S., € [D] 8,00. ISBN 978-3-940098-19-9.