Und zum erstenmal fragt er nach der Herkunft seines Vaters, der aus dem Osten kam, worunter sich Stephan nie etwas vorstellen konnte.«
»Nicht alle Wünsche müssen in Erfüllung gehen. Man kann auch als Akademischer Rat glücklich werden. Eine Zeitlang zumindest. Doch kurz vor seinem zweiundfünfzigsten Geburtstag beginnen Stephan ungewohnte Ängste und Träume umzutreiben, und außerdem ist da immer dieser Schmerz in der Herzgegend. Und war nicht sein Vater mit vierundfünfzig an einem Infarkt gestorben? Stephan entscheidet sich zu einer einjährigen Auszeit vom Familienleben und zieht in eine kleine Steglitzer Wohnung in der Nähe vom Lilienthalpark. Er hat Bilanzbedarf. Und nach Ägypten reisen möchte er endlich auch einmal.
Die Beschäftigung mit sich selbst führt Stephan nicht nur in die ägyptische Wüste, sondern auch in seine Vergangenheit. Und zum erstenmal fragt er nach der Herkunft seines Vaters, der aus dem Osten kam [aus Wolhynien – d. Red.], worunter sich Stephan nie etwas vorstellen konnte. Für ihn war alles Ostpreußen. Oder Pommern. Und was hatte es eigentlich mit dem Sohn auf sich, den seine Eltern während der Flucht zurücklassen mußten und viele Jahre vergeblich gesucht hatten – immerhin Stephans Bruder?
Ein unverhoffter Brief mit dem Aufdruck Kriegsgefangenenpost veranlaßt Stephan, sich auf die Suche nach seinem verlorenen Bruder zu machen. Doch als er ihm endlich gegenüberzustehen glaubt, weiß er, daß er auf eine so reale Konfrontation mit seiner Vergangenheit nicht vorbereitet war.
Mit Menschenflug nähert sich Hans-Ulrich Treichel erneut dem Thema seiner international erfolgreichen Erzählung Der Verlorene – und erzählt mit souveräner Leichtigkeit über die Last des Vergangenen, über Berlin, die Liebe und den Himmel über dem Teltowkanal.«
(Quelle: Suhrkamp)
- Bruder, wo bist du?
Auch Hans-Ulrich Treichels neues Buch Menschenflug handelt von jemandem, der verlorenging
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung • 17.07.2005
Rezension • von Jan Brandt - Clever und smart
Eine Midlifecrisis als Schelmenroman mit tragischem Ausgang: Hans-Ulrich Treichel erzählt in seinem neuen Roman Menschenflug von einem mittelalten Mann mit Zwischenbilanzbedarf
die tageszeitung • 16.07.2005
von Christoph Schröder