Manfred Schwarz

Die Welt • 08.07.2008

Keiner malte die Salome so freizügig wie Lovis Corinth: als Bibelfigur mit blanken Busen. Anlässlich seines 150. Geburtstages wird in Leipzig das Werk des Impressionisten gezeigt. Es sind die Bilder eines wüsten Flegels aus Deutschland, einer Rummelplatzfigur, bei deren Anblick zartbesaitete Fräulein in Ohnmacht fallen.

[…] Gleich anfangs des neuen Jahrhunderts war der aus Ostpreußen stammende Maler in Berlin aufgetaucht, im Jahre 1900, um bald schon auf den Bällen und Galadiners der Hauptstadt Furore zu machen, mit seinen wilden Tänzen und Reden; der Kunstschriftsteller Julius Meier-Graefe und viele andere haben eindringliche Bilder davon gezeichnet. Über Königsberg, wo er ein Kunststudium begonnen hatte, über kürzere Etappen in Paris und Antwerpen, war er nach Berlin gekommen, übergesiedelt, ausgewandert aus dem idyllischen München, wo es gewiss nichts Metropolenhaftes und riesenhaft Großes gab, nichts Kaiserzeitliches, nur ein paar arg manierierte Malerfürsten, die in ihren Stadtvillen wie Großwesire aus 1001 Nacht residierten. In Berlin konnte Lovis Corinth als Faktotum rasch in der gehobenen Gesellschaft reüssieren. […]