Aus der Reihe »Gedanken für den Tag«
Wendelin Schmidt-Dengler

ORF Radio Ö1 • 24.08.2007

Für das letzte zu seinen Lebzeiten publizierte Werk wählte Leo Perutz als Schauplatz seine Geburtstadt Prag: Nachts unter der steinernen Brücke, 1953 erschienen, wird oft als ein Novellenkranz bezeichnet, bei genauerer Lektüre erzeugt der subtile Zusammenhang der Figuren und die sorgsame Kombination der einzelnen Episoden doch einen romanhaften Kontext: Der rätselhafte Kaiser Rudolf II., dem Grillparzer in seinem Bruderzwist ein Denkmal gesetzt hat, der sagenhafte Rabbi Loew, der reiche Kaufmann Mordechai Meisl und dessen Frau Esther, die auch die Geliebte des Kaiser ist, – das sind die Hauptfiguren dieses Buches, dessen Handlung im Zeitraum von 1571 bis 1621 spielt; Perutz versteht es, die Atmosphäre dieser Epoche durch zahlreiche Einzelheiten stilsicher zu gestalten, verfährt aber in Bezug auf die kulturhistorischen Details sehr ökonomisch. […]