Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer und Kuratorin Claudia Heinemann eröffnen Ausstellung »Wolfskinder«
Ibbenbürener Volkszeitung, 16.01.2017
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Von Anke Beeing

Quälender Hunger war es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, der die Kinder aus Ostpreußen nach Litauen trieb. Dort sollten die Bauern noch zu essen haben, also machten sie sich zu Fuß auf den Weg, überlebten irgendwie in den tiefen Wäldern und auf den Straßen. Dass viele nie mehr zurückkehren würden, ahnten sie nicht. Heute quält die letzten dieser »Wolfskinder« ein anderer Hunger, der nach der eigenen Identität. Ihre Geschichten erzählt eine Ausstellung, die am gestrigen Sonntag im Bürgerhaus eröffnet wurde.

»Wir waren bei allen Wolfskindern sehr willkommen, es war beeindruckend.«
Claudia Heinemann

Zunächst ergriff Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer das Wort. 20.000 Kinder seien damals betroffen gewesen, erklärte er und verglich sie mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die heute zu uns kommen. »Man könnte meinen, dass Menschen irgendwann einmal aus ihren Fehlern lernen«, erklärte er. »Krieg und Vertreibung sind keine Mittel der Politik.«

Nach einer musikalischen Einlage des Streichquartetts der Musikschule Ibbenbüren erklärte Kuratorin Claudia Heinemann den mehr als 70 Gästen, wie es zu der Ausstellung gekommen ist. »Es interessiert mich, wie wir mit der Vergangenheit umgehen«, leitete die freischaffende Fotografin ein. 2011 hatte sie erstmals von den Wolfskindern gehört und war gefesselt. Zusammen mit der Journalistin Sonya Winterberg besuchte sie 42 der damals noch lebenden 76 Wolfskinder in Litauen.

Das Ergebnis sind ein Fotoband, angereichert mit Interviews und ein Buch, illustriert mit Fotos. Daraus haben die Frauen die Ausstellung »Wolfskinder. Verlassen zwischen Ostpreußen und Litauen« zusammengestellt. Der Fachdienst Volkshochschule und Kultur, die Stadtbücherei und ihr Förderverein haben sie gemeinsam nach Ibbenbüren geholt.

Die Lebensumstände der Wolfskinder seien heute unterschiedlich. Viele seien Analphabeten geblieben und lebten in sehr bescheidenen Verhältnissen. Alle haben sie ihre Familien, ihr Land, nach und nach ihre Sprache und später auch ihre Nationalität verloren. Und alle wollten ihre Geschichten gern erzählen. »Bitte sagt der Welt, wie schlimm es ist, den Krieg als Kind mitzumachen«, bat eine alte Dame die beiden Frauen. Und das tun sie nun.

Die Ausstellung ist bis zum 10. März, jeweils freitags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, im Foyer des Bürgerhauses zu sehen.

Die Veröffentlichung dieses Artikels erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Ibbenbürener Volkszeitung. Der Artikel erschien am 16.01.2017.