Im Gespräch mit Dr. Hanna Nogossek, Slawistin und promovierte Kunsthistorikerin; seit Dezember 2000 Leiterin des Kulturforums östliches Europa
Rüdiger Braun
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Eine optimistische Europäerin: Hanna Nogossek.

Interview, Sonderseite der Märkischen Allgemeinen Zeitung, 22.12.2003

Die jüngere europäische Geschichte ist voller Verletzungen und Demütigungen. Können solche Wunden je heilen?

Nogossek: Das alte Mitteleuropa ist im Ersten und erst recht im Zweiten Weltkrieg untergegangen. Wir müssen aber die ganze Geschichte sehen. Das Mitteleuropa der frühen Neuzeit war ein Kulturraum, in dem Dinge entstanden sind, die uns heute sehr beflügeln können. Die Zeit für die Überwindung alter Wunden ist gut. Wir können schon über das Geschehene sprechen, ohne uns Vorwürfe zu machen. Von der Vergangenheit kommen auch so viele positive Impulse, dass wir für die Zukunft wirklich zuversichtlich sein können.

Und was kann dabei das Kulturforum leisten?

Nogossek: Wir müssen einen Dialog in Gang halten. Wir wollen Verschüttetes hervorholen, weil man keine Zukunft ohne feste Basis aufbauen kann. Diese Basis ist die Geschichte. Wir versuchen diese Geschichte auch stets aus dem Blickwinkel der anderen Länder zu beleuchten und zu zeigen, welches Zusammenspiel es zwischen Deutschen und ihren Nachbarn gab.

Viele Brandenburger fürchten den Beitritt Polens in die EU.

Nogossek: Das ist ziemlich unbegründet. Das Wohlstandsgefälle ist oft gar nicht mehr so groß. Man sollte den Beitritt auch als eine Chance begreifen. Es kommen ja nicht nur die Polen zu uns, man könnte auch umgekehrt aus Brandenburg etwa nach Breslau gehen, um dort zu arbeiten. Die Brandenburger könnten so auch kulturell etwas Neues lernen. Und das ist doch eine Bereicherung.