Das Potsdamer Forum: Eine Reihe öffnet die Fenster nach Osten
Dirk Becker

Potsdamer Neueste Nachrichten, 15.10.2003

Der Osten ist fremd geblieben. Polen oder Tschechien, die im kommenden Jahr zur Europäischen Union stoßen, oder weiter noch Russland – der östliche Raum, in dem früher auch Deutsche lebten, scheint zur Terra incognita geworden zu sein. Langzeitwirkungen des Zweiten Weltkrieges, Empfindlichkeiten die in Zeiten des Kalten Krieges nicht angesprochen wurden und bis heute Berührungsängste manifestiert haben. Die allmähliche Aufarbeitung begann erst in den 90er Jahren.
Tanja Krombach vom Deutschen Kulturforum östliches Europa steht dem Wort Aufarbeitung in diesem Zusammenhang jedoch skeptisch gegenüber. »Aufarbeitung«, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin, »das höre sich so an, als ob diese Auseinandersetzung ein Thema wäre, das man irgendwann abschließen könnte.« Doch das Deutsche Kulturforum, mit Sitz am Neuen Markt, steht hier mit seiner Arbeit erst am Anfang.
Vor knapp drei Jahren als gemeinnütziger Verein gegründet, setzt sich das Kulturforum mit der Geschichte jener Gebiete im östlichen Europa auseinander, in denen früher Deutsche gelebt haben. Eine Auseinandersetzung, die zwar auf wissenschaftlicher Grundlage basiere, aber nicht auf die reine Wissenschaft beschränkt sein soll, erklärt Tanja Krombach. Dafür habe man im Februar vergangenen Jahres mit der Podiumsdiskussion »Wie viel Geschichte liegt im Osten« die Reihe Potsdamer Forum eröffnet. Die mittlerweile fünf Veranstaltungen seien gut besucht gewesen, vor allem von einem älteren Publikum, das oft noch eigenen Erfahrungen in die Diskussionen mit einbringen konnten.
Es gehe im Potsdamer Forum darum, so profan es auch klingen mag, den östlichen Raum in seiner Gesamtheit den Deutschen wieder näher zu bringen. Ob Wissenschaft, Musik oder Literatur, man wolle zeigen, dass die Geschichte hier nicht nur auf die Besetzungen während und die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkt sei. Die Geschichte, wie Deutsche diesen Raum beeinflussten und sich von ihm beeinflussen ließen, reiche schließlich 1000 Jahre zurück. Dabei auch den Blick auf die Befindlichkeiten in den einzelnen Ländern, deren Umgang mit der Vergangenheit berücksichtigen, sei ein weiteres Anliegen des Potsdamer Forums.
Gemäß dem Grundsatz, wissenschaftliche Themen in der breiten Öffentlichkeit zu diskutieren, werden neben Wissenschaftlern vor allem Schriftsteller und Journalisten als Gesprächspartner eingeladen. Die Podiumsdiskussionen, die sich bislang unter anderem mit der Tabuisierung der Geschichte in der DDR oder der heutigen Integration von Russlanddeutschen auseinander setzen, sollen vor allem aber auch als erster Zugang zu diesen Themen verstanden werden, so Tanja Krombach. Daher erscheint jeder dieser Veranstaltung später in einem kleinen Heft im A-5-Format in einer Auflage von 1000 Stück. Obwohl das Potsdamer Forum auch regelmäßig im Radio übertragen wird, bleiben die Hefte, die im Buchhandel oder direkt über das Deutschen Kulturforum zu beziehen sind, keine Ladenhüter. Das Heft zur Veranstaltung »Geschichte als Tabu« soll jetzt sogar in zweiter Auflage erscheinen.


Das nächste Potsdamer Forum mit dem Thema »Russlands Fenster nach Europa: St. Petersburg und die Deutschen«, findet morgen um 19 Uhr in der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund, in der Jägerstraße 1-3, in 10117 Berlin statt.