Bronislav Tutelman hat schöne und unschöne Seiten der Hauptstadt der Bukowina festgehalten | Deutsches Kulturforum mit Vortrag und Buchpräsentationen
Stefan Schröter
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Mitteldeutsche Zeitung • 23.06.2009

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der mitteldeutschen zeitung.

Gröbzig. Für Museumsleiterin Dr. Marion Méndez hat sich ein Traum erfüllt. Czernowitz ist die Stadt ihrer Liebe und ihrer Hoffnungen – und nun durfte sie in ihrem Gemeindehaus in der Synagoge eine Fotoausstellung über den im Süden der Ukraine befindlichen Ort – der Hauptstadt der Region Bukowina – eröffnen. Zahlreiche Gäste haben sich am Sonnabend in den Räumen versammelt, wo nun 37 Fotografien des Künstlers Bronislav Tutelman anzuschauen sind, um bei einem Glas Wein der Eröffnungsrede von Méndez zu lauschen. Eine Dolmetscherin übersetzt ihre Worte für die angereisten Czernowitzer ins Russische.

Anschließend gibt die Dolmetscherin die Worte des Fotografen und gebürtigen Czernowitzer Tutelman, der ebenfalls zur Eröffnung erschienen ist, wieder: »eine Bilder drücken den heutigen Alltag in Czernowitz aus.«

Tatsächlich lassen seine Bilder einen ungeschminkten Blick auf die Straßen in der Hauptstadt der Bukowina zu. Daneben möchte Tutelman mit seinen Fotografien »die Gemeinsamkeiten unserer Völker zeigen«. Trotz der Hingabe zu seiner Heimatstadt ist er von deren gegenwärtigem Zustand bedrückt: »Man braucht heute eine Menge Humor, um die Stadt immer noch als lebendig zu zeigen.«

Czernowitz war bis zum zweiten Weltkrieg, als die jüdischen Bewohner von den Nazis vertrieben und getötet wurden, ein Schmelztiegel von mehreren gleichwertig nebeneinander existierenden Minderheiten. Von den Deutschen, Ukrainern, Polen, Rumänen, Armeniern, Ungarn und Russen waren vor dieser Zeit ein Drittel der Bevölkerung Juden, die wiederum ein wesentlicher Träger des kulturellen Lebens der Stadt waren. Heute liegt der jüdische Anteil in der 250.000 Einwohner zählenden Stadt nur noch bei knapp einem Prozent. Nachdem den Gästen diese wechselvolle Geschichte von Czernowitz mit einem Vortrag des Kulturforums östliches Europa aus Potsdam und der Vorstellung von weiteren literarischen Werken in der Synagoge nähergebracht wurde, spielte das Jüdische Orchester Czernowitz auf. »Wir sind 24 Stunden mit dem Bus bis hierher gefahren«, erzählt Lev Feldmann, der Leiter des Orchesters, welches der Einladung von Frau Méndez gefolgt ist.

Hier schloss sich für die Museumsleiterin ein kleiner Kreis: Im vergangenen Oktober, als das Orchester schon einmal in Ostdeutschland gastierte, war auch Méndez auf einem dieser Konzerte und verliebte sich zunächst in die Musik und dann in die Stadt, aus der die Musiker kommen: »Man hat den Eindruck, in Klein-Wien zu sein«, schwärmt die 39-Jährige von ihren persönlichen Eindrücken aus Czernowitz. Mittlerweile hat sich eine Brücke Gröbzig-Czernowitz herausgebildet.

Die in Halle / Saale wohnhafte Méndez organisiert Jugendprojekte in der ukrainischen Stadt. Ihr Ansprechpartner dort ist Dr. Sergij Osatschuk, Historiker des Bukowina-Forschungszentrums. Er managt auch das Jüdische Orchester, das an diesem Abend die osteuropäischen Klänge in der Synagoge spielte. Seit 1996 ist Méndez Leiterin des Museums Synagoge Gröbzig. Mit ihr wurde in der Einrichtung das Konzept »Kunst im jüdischen Kontext« umgesetzt. Fotos, Musik, Literatur – vielfältiger konnte der am vergangenen Samstag realisierte Kulturtag, der von der Landeszentrale für politische Bildung und der »Aktion Mensch« unterstützt wurde, kaum sein. Zwar sind Musiker und Redner bereits wieder aus Gröbzig abgereist, aber die Fotografien von Bronislav Tutelman werden mindestens noch drei Monate lang im Museum zu besichtigen sein.