Konzert des Hoffmeister-Quartetts in der Thossener Sankt Martin Kirche mit Werken von Anton Ferdinand Titz, Carl Ditters von Dittersdorf und Joseph Haydn
Michael Thumser
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Vogtland-Anzeiger • 19.06.2009

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des vogtland-anzeigers.

Thossen. Musikinstrumente sind wie Menschen: bisweilen wetterfühlig. So hoch stieg am Dienstag, nach Regen und Gewitter, die Luftfeuchtigkeit im Thossener Gotteshaus, dass sich bei Geigen, Bratsche, Cello des Hoffmeister-Quartetts Verstimmungen einstellten; oft musste korrigiert werden.

Aber das aufmerksame und applausfreudige Konzertpublikum, vom Festival Mitte Europa in die vogtländische Dorfkirche eingeladen, nahm’s gelassen; immerhin bekam man es zwar nicht bei den Interpreten, doch bei den Instrumenten mit alten Herrschaften zu tun: Zwischen 1742 und etwa 1800 entstanden sie; der »historischen Aufführungspraxis« war das Kammerprogramm gewidmet – und der Neubelebung eines Klassikers, auf den sich lange niemand mehr besann.

Anton Ferdinand Titz heißt er. Wahrscheinlich aus Nürnberg gebürtig, gab er in den 1790er Jahren am St. Petersburger Zarenhof den Ton an. Einen »verrückten Musiker« nennt ihn der Moderator des Abends, Dr. Klaus Harer vom Deutschen Kulturforum östliches Europa in Potsdam: Die Mitmenschen befremdete »unser trefflicher Titz« als melancholischer Sprachverweigerer, dessen Geist sich mehr und mehr verwirrte.

Doch »wunderbare Töne« entlockte er, den Zeitgenossen zufolge, seiner Geige. In Thossen verbreiten sich die Klänge des altehrwürdigen Instrumentariums rau und scharf: Christoph Heidemann und die ihm intonatorisch weit unterlegene Ulla Bundies wechseln sich an der ersten Violine ab, Aino Hildebrandt und Martin Seemann steuern die kehlig-sonoren Laute einer fast schwarzen Bratsche und eines Cellos ohne Dorn bei.

An die Einsilbigkeit des wortkargen Titz will seine Musiksprache nicht denken lassen: Ein kurzes, weil zweisätziges C-Dur-Quartett, eingangs fröhlich ungestüm, im menuettartigen Rondo nur wenig verhaltener, kehrt schier störungslosen Optimismus hervor. Den steigert das Ensemble im ausführlicheren B-Dur-Werk aus einem späten, erst unlängst ausgegrabenen Zyklus zu unbändigem Temperament, im Wechsel der Stimmführung nun vielfältiger, zupackend mit einem Gestus, der die Hörer nie aus der Aufmerksamkeit entlässt. Deftig die Dynamik. Das exzellente rhythmische und gestalterische Zusammenspiel stützt sich auf die dauernde gegenseitige Aufmerksamkeit der Spieler.

Eine ähnlich lichte und frische Atmosphäre durchwebt das vierte Quartett von Karl Ditters von Dittersdorf; dort warten die Künstler in allen drei Sätzen – so im davonflitzenden Finale mit seinen plötzlichen Stockungen und dem paradoxen Auf-der-Stelle-Treten – mit Überraschungen auf, wie sie sonst vor allem Joseph Haydn liebte.

Dessen G-Dur-Werk opus 77/1 steht, aus Anlass seines 200. Todesjahrs, am Ende des offiziellen Programms: ohne falsche »Papa Haydn«-Beschaulichkeit, weil von den vier Streichern zu Recht um Gleichgültigkeit und Glätte gebracht, trotz vieler Klangtrübungen stark akzentuiert, heftig bis zum Draufgängertum; im unerwartet seriösen Adagio indes verdichtet sich Polyphonie zu geradezu barocker Feierlichkeit.

Noch friedfertiger endet der Abend, in eine letzte Titz-Pièce als Zugabe mündend: in eine »Romance«, darin alle vorherige Unrast, dem aufklarenden Abend gemäß, gelinde zur Ruhe kommt.