Märkische Allgemeine Zeitung • 26.07.2007
Der Artikel erschien im Rahmen der MAZ-Serie Geisteswissenschaft in Potsdam. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Märkischen Allgemeinen Zeitung
Potsdam. Rasch breitet sich die blaue Farbe nach Osten aus, über die Elbe zunächst, dann über die Oder, umschließt dabei rosafarbene Gebiete, auf denen »wendisch« steht und die zusehends kleiner werden. Im Zeitraffer ist auf dem Computerbildschirm die Ostexpansion des deutschen Sprachraums seit dem frühen Mittelalter zu sehen. Die noch nicht im Handel befindliche CD-Rom wurde vom Deutschen Kulturforum östliches Europa entwickelt, das seinen Sitz am geisteswissenschaftlichen Zentrum am Neuen Markt in Potsdam hat.
Das Programm kann noch viel mehr. In einem digitalen Atlas für Mitteleuropa von Paris bis Moskau lassen sich für jedes Jahr von 900 n. Chr. bis zur Gegenwart Karten der politischen Grenzen, der Sprachräume und Religionszugehörigkeiten aufrufen. »Etwas Ähnliches gibt es bisher nicht«, sagt Wolfgang Rackebrandt, beim Kulturforum für elektronische Medien zuständig. Das Programm ermögliche ganz neue Einblicke. Keine Kartenserie in einem Schulatlas etwa zeige das Verschwinden des polnischen Staates in den drei polnischen Teilungen des 18. Jahrhunderts so eindringlich wie dieses Computerprogramm. Schüler der Oberstufe sollen denn auch die wichtigste Zielgruppe der CD-Rom werden, die im kommenden Jahr unter dem Titel Deutsche Geschichte und Kultur im östlichen Europa auf den Markt kommen soll. Das Kartenmaterial ist schon komplett, nur Kommentare und Erläuterungen fehlen noch.
Das Kartenprojekt soll die bisherigen Veröffentlichungen und Ausstellungen des Deutschen Kulturforums östliches Europa ergänzen. Ziel des im Jahr 2000 gegründeten Forums ist es, deutsche Kulturtraditionen in Osteuropa in Erinnerung zu erhalten. Der Jahresetat von 1,2 Millionen Euro wird durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert. Das Institut hat 14 Beschäftigte, zur Hälfte wissenschaftliche Mitarbeiter.
Eigene Forschung zu betreiben ist aber nicht Auftrag des Kulturforums. »Es geht um publikumswirksame Veröffentlichungen«, erklärt Rackebrandt. Das Kulturforum veröffentlicht Bücher in einem eigenen Verlag und erarbeitet Ausstellungen. In Kaliningrad etwa wurde Anfang Juli die Fotoausstellung Der kleine Frieden – Aufbruch an der Memel eröffnet, die sich im heutigen Sowjetsk, dem früheren Tilsit, auf die Suche nach deutschen Spuren begibt und später auch in Deutschland zu sehen sein soll. (Die Ausstellung kommt im August nach Kaliningrad und ist derzeit noch in Sowjetsk/Tilsit zu sehen, Anm. d. Red.) In Osteuropa stoße man bei solcher Spurensuche kaum auf Vorbehalte, so Rackebrandt. Sogar in Polen seien zumindest die jungen Leute, die keine Angst mehr vor einer Rückkehr der Deutschen hätten, deutschen Traditionen gegenüber aufgeschlossen. »Das sind Leute, die dort aufgewachsen sind und mehr über die Geschichte ihrer Heimat erfahren wollen«, so Rackebrandt.
Mehr Vorbehalte gebe es immer noch in Deutschland, wo die Erinnerung an die im Krieg verloren gegangenen Ostgebiete leicht in den Verdacht des Revanchismus gerate. Zu Unrecht allerdings, meint Rackebrandt. Das deutsche Kulturerbe in Osteuropa vom Baltikum bis nach Siebenbürgen sei es wert, vor dem Vergessen bewahrt zu werden.
- Kulturforum sammelt deutsche Spuren
Der Originalartikel in der Online-Ausgabe der Märkischen Allgemeinen Zeitung