Buchvorstellung: Henry van de Velde in Polen: Ein neuer Bildband zeigt Ähnlichkeiten seiner Jugendstil-Inneneinrichtung für ein Sanatorium in Trebschen mit dem Stil der Künstlerkolonie
Roland Held
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Darmstädter Echo • 30.05.2007

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Darmstädter Echos

Darmstadt. Gemeinsam besuchten der Mäzen Harry Graf Kessler und der Maler, Architekt und Designer Henry van de Velde 1901 die Darmstädter Ausstellung Ein Dokument deutscher Kunst. Als »vollkommen degoutiert« beschrieb sie Kessler, und sein Freund beklagte, »es fehlt der Sinn für das Organische ebenso wie das Gefühl für das Material«. Dabei war van de Velde (1863–1957) selbst ein europaweit führender Vertreter des Jugendstils.

Ralf Beil, der Direktor des Darmstädter Instituts Mathildenhöhe, erzählte die Anekdote, als er im Museum Künstlerkolonie das Buch zu einem bis vor Kurzem vergessenen Werk vorstellte: Die zwischen 1903 und 1905 entstandene architektonische Innengestaltung des Sanatoriums Trebschen (Trzebiechów) ist heute van de Veldes einziges größeres Werk in Polen. Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, hatte von der Publikation auf der Leipziger Buchmesse erfahren und vermittelte nach Darmstadt.

Hier nannte Thomas Schulz vom Verlag Kulturforum van de Veldes Werk »eine kunsthistorische Sensation ohnegleichen«. Sein Wiederentdecker ist Erwin Bockhorn von der Bank. Er suchte nach Spuren seiner Familie, was ihn 1977 erstmals in das gegenwärtig als Altenheim genutzte Sanatorium führte. 2003 wurden Gebäude und umliegendes Parkgelände dann unter Denkmalschutz gestellt. Antje Neumann und Brigitte Reuter, ausgewiesene van de Velde-Expertinnen, sind die Herausgeberinnen des Buchs. Sie berichteten auf der Mathildenhöhe über Geschichte und Einrichtung des Sanatoriums und führten das Publikum mit Dias durch Wandelgang, Treppenhaus, Behandlungs- und Patientenzimmer, Speisesaal, Lesesaal mit Wintergartenanschluss auch in das ärztliche Privathaus.

Man sah: Besonderes Augenmerk widmete van de Velde den Portalen und Fluren, der Anstrich der Räume in einem geometrisch beruhigten Jugendstil ist farbkräftig. Vieles im Haus wird heute noch restauriert, anderes ist nicht mal freigelegt.



Henry van de Velde in Polen. Die Innenarchitektur im Sanatorium Trebschen, herausgegeben von Antje Neumann und Brigitte Reuter. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam. Zweisprachige Ausgabe in Deutsch und Polnisch, 118 Seiten mit zahlreichen historischen Abbildungen und Fotografien von Roland Dressler, 19,80 Euro