Ein zweisprachiger Kalender des Kulturforums Osteuropa begibt sich auf die Spuren deutsch-ungarischer Architektur
Jan Kixmüller
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Eines der schönsten Beispiele des ungarischen Jugendstils: die ehemalige Postsparkasse.

Potsdamer Neueste Nachrichten • 10.01.2006

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Potsdamer Neuesten Nachrichten.

Wer weiß schon, was Postatakarékpénztar heißt? Oder Fövámhivatal. Ganz einfach: Postsparkasse und Hauptzollamt. Und wer weiß schon, dass das Gebäude der ehemaligen Postsparkasse in Budapest zu den schönsten Beispielen des »ungarischen Jugendstils« zählt? Sicherlich kaum jemand. Gerade mit dieser Unbekanntheit der Gebäude und mit den ungarischen Namen spielt der neue Kalender für das Jahr 2006 vom Deutschen Kulturforum östliches Europa. Nicht das Parlamentsgebäude, die Fischerbastei oder die Kettenbrücke hat das Potsdamer Kulturforum für das deutsch-ungarische Kulturjahr – April 2006 bis April 2007 – in Szene gesetzt, sondern Orte, die kaum ein Tourist kennt. Wie etwa das besagte Sparkassengebäude, den im Stil der Neorenaissance gehaltenen Saal der Universitätsbibliothek, das pompöse, späthistorische Justizministerium oder die verschnörkelte Galerie im Rauchsalon des neobarocken Palais Wenckheim.

Alles Gebäude, die auf die eine oder andere Art und Weise kulturgeschichtlich die Handschrift eines deutsch-ungarischen Einflusses tragen. Deutsche Kulturhinterlassenschaften in Osteuropa will das Kulturforum ins Blickfeld holen, für den Kalender hat es in Budapest Gebäude gesucht, die von den binationalen Beziehungen erzählen.

In den Jahrzehnten zwischen 1860 und 1900 erlebte Budapest einen dynamischen Aufschwung. Damals war Ungarn im Begriff, sich von Österreich zu emanzipieren, die Umwälzungen im Bereich des geistigen Lebens schlugen sich auch in der Architektur nieder. Als Vorbild wurde der damals in Deutschland stark vertretene Historismus prägend, deutsche Architekturschulen, unter ihnen die Berliner Bauakademie, wurden führend bei der Entwicklung des Neorenaissance-Stils. Eine große Zahl ungarischer Architekten studierten an deutschen Hochschulen – und brachten den neuen Stil mit in ihre Heimat. Denn viele dieser Studenten stammten aus deutschsprachigen Bürgerfamilien in ungarischen Städten. Schließlich übernahmen auch deutsche Architekten wie Friedrich August Stüler oder Arthur Meining Bauaufträge in Budapest.

Im Oktober vergangenen Jahres war der Potsdamer Fotograf Mathias Marx mit Wolfgang Rackebrandt vom Kulturforum eine Woche in der ungarischen Hauptstadt unterwegs, um Gebäude dieser Epoche mit deutsch-ungarischem Gesicht für die Fotografien ausfindig zu machen. »Das Warten auf die Genehmigung, in den Gebäuden fotografieren zu dürfen, hat länger gedauert, als das Fotografieren selbst«, erinnert sich Wolfgang Rackebrandt, der beim Kulturforum für Ungarn zuständig ist. Auf den ersten Blick mag der zweisprachige Kalender mit seinen prachtvollen Prunkbauten der ungarischen Gründerzeit etwas leblos wirken, Formen, Farben und Perspektiven stehen im Mittelpunkt der kunsthistorisch wertvollen Abbildungen. Die Gebäude erstrahlen allesamt in im schönsten Kleide der Sanierung.

Weniger leblos ist die Rückseite der Kalenderblätter gestaltet. Hier finden sich in Schwarz-Weiß Außenansichten und Umgebung der Gebäude, so etwa die Straße Corvin tér, in der sich die Ofener Redoute befindet: Das von Außen unrenovierte Gebäude, das in seinem Inneren heute das Ungarische Kulturinstitut beheimatet, findet sich in einer eher grauen Straße.

Den Kalender sieht das Kulturforum gleichsam auch als eine Vorankündigung für den Programmschwerpunkt Ungarn in diesem Jahr. So ist etwa zusammen mit der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eine Fotoausstellung geplant, die in Berlin und Budapest gezeigt werden soll. »Bislang hat in Deutschland kaum jemand etwas von dem deutsch-ungarischen Kulturjahr mitbekommen«, stellt Wolfgang Rackebrandt fest. In Ungarn hingegen sei das ganz anders. Das Kulturforum arbeitet nun daran, dass sich das auch bei uns ändert.


So lange der Vorrat reicht, ist der Kalender für zehn Euro beim Kulturforum zu erhalten, Tel. 0331/20098-0.