Oskar Ansull stellt sein neues Buch über Karl Emil Franzos vor
Heiko Postma

Hannoversche Allgemeine Zeitung • 27.10.2005

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Alles, was für Karl Emil Franzos getan werde, sei wohl getan, sagte NDR-Kulturredakteur Hanjo Kesting in seiner Einführungsrede, als Oskar Ansull in der hannoverschen Leibniz-Bibliothek sein grad erschienenes, groß angelegtes Franzos-»Lesebuch« dem Publikum vorstellte.

Leider ist kaum zu leugnen, dass Karl Emil Franzos, der 1848 im ostgalizischen Czortków geborene und 1904 in Berlin gestorbene Literat, solche »Wohltaten« auch bitter nötig hat: Keines seiner zahlreichen Werke ist mehr lieferbar, seine editorische Meisterleistung, die (bahnbrechende) Erstellung der ersten Gesamtausgabe Georg Büchners, wird allenfalls noch von Fachleuten gewürdigt, und als Erzähler kam er nie recht aus dem Schatten seiner Generationsgefährten Fontane, Raabe oder Storm heraus, obwohl er die »Schtetel«-Welt des Ostjudentums so farbig und charaktervoll zu porträtieren verstand wie kein Zweiter in seiner Zeit.

Drei dieser »ostgalizischen Zustandsbilder« hat Oskar Ansull, der seit langem mit Herz und Verstand für eine Renaissance des nahezu Vergessenen wirbt, denn auch in sein ­ akribisch gearbeitetes ­ Lesebuch aufgenommen, das außerdem einen (aus autobiografischen Aufzeichnungen montierten) Lebensabriss von Karl Emil Franzos enthält ­ ebenso wie aufschlussreiche Dokumente zu seiner Rezeptionsgeschichte und, nicht zuletzt, Materialien zu seinem wunderbaren, vor genau 100 Jahren posthum erschienenen Theater-Roman Der Pojaz.

Den (aufs erste Hinsehen etwas sonderbaren) Titel des Lesebuchs fand Oskar Ansull übrigens bei Walter Benjamin: »ZweiGeist« ­ ein Wort, das mit dem (berührenden) Bekenntnis von Karl Emil Franzos korrespondiert: »Mein Ziel war es stets, ein treuer Deutscher und ein treuer Jude zugleich zu sein.« Was für ein wirklichkeitsgetreuer Erzähler dieser Karl Emil Franzos war, das wurde spürbar, als Oskar Ansull zwei von diesen Geschichten vorlas. Um noch einmal Hanjo Kesting zu zitieren: »Das Lesebuch gehört in jede Bibliothek, die diesen Namen verdient.«



ZweiGeist. Karl Emil Franzos. Ein Lesebuch von Oskar Ansull
. Deutsches Kulturforum östliches Europa. 333 Seiten, 14,80 Euro.