»Wir gehen davon aus, dass spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015, vielleicht auch schon im Spätsommer, der Zug wieder fährt«, so Christoph Mehnert, Chef des »Zweckverband Verkehrsbund Oberlausitz und Niederschlesien« (ZVON). Das schreibt zumindest die Sächsische Zeitung Ende Mai. Die über 150 Jahre alte Bahnstrecke trägt seit jeher einen wichtigen Teil zur Verbindung zwischen Polen und Deutschland bei. Am 1. März 2015, wurde »überraschend die Finanzierung von polnischer Seite eingestellt«, heißt es in der SZ. Im Gegenzug zu dieser Aussage steht das Positionspapier der IHK: »Die Elektrifizierungen sind ausschließlich auf deutscher Seite erforderlich, auf polnischer Seite sind sie dagegen bereits abgeschlossen.«
Interessant ist an dieser Stelle ein Bericht des Tagesspiegels aus dem Jahr 2008. Hier heißt es, dass ein Gremium aus IHK Berlin und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Studie in Auftrag gab, die zu dem Ergebnis kam, dass der »Ausbau der Bahnstrecke Berlin – Breslau wirtschaftlich sinnvoll ist und sowohl in Polen als auch in Deutschland als notwendig erachtet wird.« Ebenfalls wird von einer Investition in Höhe von 100 Millionen Euro gesprochen, die größtenteils vom Bund getragen werden soll. Zwar wurden seitdem halbherzig einige Streckenabschnitte saniert doch durch die langen Wartezeiten in schlecht ausgebauten Streckenabschnitten rentierte sich die Verbindung Berlin-Breslau weiterhin nicht. Dies wurde vom obengenannten Bericht der IHK im Mai 2013 angeführt.
Innerhalb von fünf Jahren, in denen eine Modernisierung auf beiden Seiten als erforderlich erachtet wurde, geschah nur im polnischen Schienennetz etwas. Es scheint also, dass keineswegs von einem ernsthaften politischen Willen auf deutscher Seite gesprochen werden kann. Insbesondere die Schaffung einer deutschen und zweier polnischer Fernbuslinien nahm den wirtschaftlichen und politischen Druck, wie so vielerorts, von der Bahn und ermöglichte einen schnelleren und kostengünstigeren Transfer zwischen beiden Städten. Ein weiterer Grund für die »Einstampfung« der Berlin – Wroclaw - Verbindung ist die Alternative »Berlin – Posen – Breslau«. Die deutlich längere Strecke benötigt circa fünf Stunden und 20 Minuten, was der maroden Direktverbindung in nichts nachstand. Damit ermöglicht man zwar Eisenbahnromantikern einen Trip nach Breslau, eine echte Option (62 €) zum IC-Fernbus (19 €) ist damit jedoch nicht gegeben.
Ob die Politik also wirklich auf den gesellschaftlichen Druck reagieren, und die Direktverbindung zum Jahresende wieder einrichten wird, oder ob sie sich am Zeitplan des Berliner Flughafens orientiert bleibt fraglich. Eine noch größere Gefahr für die traditionsträchtige Direktlinie besteht jedoch in der aktuellen Preispolitik. Werden überzogene Preise für einen, hoffentlich nur dreistündigen, Transfer verlangt, werden Geisterzüge die Grenze überqueren. Es stellt sich ebenfalls die Frage, ob Polen eine ansprechendere Preispolitik gestalten kann. Bei den aktuellen Preisen im Fernbusverkehr kann kein rationaler Mensch auf einen überteuerten IC umsteigen.
Dass durch eine fehlende Verbindung »Breslau – Berlin« ein Stück deutsch-polnischer Kultur und Geschichte verloren gehen könne, scheint nun auch vielen Bürgern klar zu werden. Die transnationale Bürgerinitiative »Deutsch-Polnischer Schienenpersonenverkehr« setzt sich für eine vernünftige, grenzüberschreitende Zugverbindung ein. Wie stark sich der gesellschaftliche Wille formulieren und durchsetzen kann und Ende 2015 tatsächlich eine Wiederbelebung der Bahnstrecke erfolgt, bleibt abzuwarten.
Hier nocheinmal alle Links und Quellen zur Übersicht:
Bürgerinitiative »Deutsch-Polnischer Schienenpersonenverkehr«
Positionspapier der IHK (PDF-Dokument)
Im Bummelzug von Berlin nach Breslau
Tagesspiegel, am 6. März 2008
Ende 2015 wieder Züge nach Breslau
SZ-Online, am 27. Mai 2015
Weitere interessante Artikel zu diesem Thema:
Der Eurocity »Wawel« – Ein Trauerspiel deutsch-polnischer Bahnkooperation
Zukunft Mobilität, am 10. Juli 2014
Die verkehrspolitischen Vorhaben der Großen Koalition 2013-2017 Zukunft Mobilität, am 5. Dezember 2013