Der Wiederaufbau Danzigs nach dem Zweiten Weltkrieg in den Fotografien von Janusz Uklejewski
von Magdalena Oxfort
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Am 27. März 1945 begannen drei sowjetische Armeen, die 2. Stoß-, die 65. und die 49. Armee, mit dem Angriff auf Danzig/Gdańsk. Drei Tage später war die Stadt nach schweren Kämpfen in ihrer Hand. Bereits zuvor hatte die »Königin der Ostsee« unter Luftangriffen und Artilleriebeschuss schwer gelitten. Nun aber war vor allem die Innenstadt ein einziges Trümmerfeld. Doch als hätte die alte Hansemetropole nicht schon mehr als genug erduldet, fiel Danzig auch noch der Rache und den Exzessen der Sieger zum Opfer. Zahllose mutwillig gelegte Feuer während und nach der Eroberung lösten einen mehrtägigen Flächenbrand aus, der die Vernichtung des alten Danzig vollendete. Es folgten Plünderungen, Vergewaltigungen, Deportationen und schließlich die Vertreibung der meisten Deutschen aus der zerstörten Stadt, für die es keine Zukunft mehr zu geben schien.

Keine sozialistische Einheitsstadt

Leicht hätte Danzig dasselbe Schicksal treffen können wie Königsberg, das im Zuge des Wiederaufbaus mit sozialistischer Einheitsarchitektur seinen vormaligen Charakter völlig verlor und damit – letztlich folgerichtig – seinen bisherigen offiziellen deutschen Namen. Auch für Gdańsk gab es ähnliche Vorstellungen, in der ehemaligen historischen Innenstadt uniforme Wohnblöcke für die Arbeiter der Lenin-Werft zu errichten. Insbesondere die sowjetische Besatzungsmacht propagierte ein solches Vorgehen. Doch hiergegen regte sich polnischer Widerstand, den vor allem zwei Motive leiteten. Zum einen waren sich die aus Ostpolen zugezogenen neuen Bürger und die wenigen verbliebenen polnischen Danziger darüber einig, dass ein geschlossenes und historisch angelehntes Stadtbild Akzeptanz, Integration und Zusammenleben fördern und stabilisieren würde. Zum anderen stand diese Vorgehensweise schon deshalb, weil sie im Gegensatz zu den städtebaulichen Absichten der Sowjets stand, die als Besatzungsmacht auftraten und im Lande ein brutales Unterdrückungssystem stalinistischer Prägung etabliert hatten.

Wiederaufbau eines Patrizierhauses

Ein altes und doch neues Danzig

So begann bereits in den vierziger Jahren der Wiederaufbau Danzigs angelehnt an das historische Stadtbild. Alte Fotografien, Pläne aus Archiven, vor allem aber auch Kunstwerke und das Gedächtnis mancher Einwohner bildeten die Grundlagen zur Rekonstruktion von Gebäuden, Straßenzügen und Plätzen. Jedes noch so kleine Trümmerstück der ursprünglichen Bausubstanz wurde akribisch gesucht, wiederhergestellt und verwendet. Dennoch entstand hinter den authentisch wirkenden Fassaden ein neues Danzig: Kleine, nutzbare und beheizbare Wohnräume entstanden anstelle der ehemals repräsentativen Bürgerstuben, Straßenverläufe wurden geändert, um Licht für die Bewohner zu schaffen, und wo es keine Zeugnisse mehr gab, ersetzten stilistisch ähnliche Schöpfungen die ehemaligen Fassaden und Gebäude. Auf diese Weise schufen sich die neuen Danziger ihre ganz eigene Stadt, auf die sie mit Recht als einzigartige Aufbauleistung stolz sind. Sie ist bis heute ein markantes Zeichen des polnischen Widerstands gegen die Sowjetmacht, des praktischen Bürgersinns in einer elementaren Notzeit und der souveränen Aneignung eines beeindruckenden Erbes, von dem nur Trümmer geblieben waren.

Blick von Osten auf das Krantor (Żuraw)

Dokumente des Wiederaufbaus

Die Anfänge dieses Geschehens hat der renommierte Kunstfotograf Janusz Bogdan Uklejewski in einer ganzen Serie einzigartiger Bilder zwischen 1945 und 1955 festgehalten. Sie zeigen die Agonie der zerstörten Stadt und die Menschen, die in dieser Trümmerwüste zu überleben versuchten. Zugleich dokumentierte er den Beginn des Wiederaufbaus als Gemeinschaftsleistung einer Bürgerschaft, für die Eigenständigkeit und Freiheitsliebe schon früh zu Leitmotiven wurden. Im Jahre 2005 schenkte Uklejewski einen großen Teil seines Archivs dem Historischen Museum der Stadt Danzig. Aus der reichhaltigen fotografischen Sammlung wählte man dort 62 Bilder für eine Ausstellung aus, welche die vernichtete Stadt Danzig und einige Stufen ihres Wiederaufbaus zeigen. Die Ausstellung wurde im Januar und Februar 2008 im Rathaus der Danziger Rechtstadt präsentiert und fand sehr großen Publikumszulauf. Im Folgejahr wurde ein Teil der Ausstellung auch im Rathaus von Liverpool vom Verband Merseyside Polonia gezeigt.

Diese beeindruckende und anrührende Ausstellung bildete den Ausgangspunkt für ein gleich in mehrfacher Hinsicht kulturvermittelndes Projekt des Kulturreferats für Westpreußen, Posener Land, Mittelpolen, Wolhynien und Galizien im Herbst 2010. Es gelang, das Historische Museum der Stadt Danzig dafür zu gewinnen, fünf ausgewählte Fotos des zerstörten Danzigs von Janusz Uklejewski auf einem Plakat des Kulturreferats zu präsentieren. Das Plakat wurde bei polnischen und deutschen Museen, in Bibliotheken, Rathäusern und weiteren öffentlichen Kultureinrichtungen sowie im Internet verbreitet. Es war die Grundlage eines Wettbewerbs, die abgebildeten Gebäude und Örtlichkeiten der zerstörten Stadt an der Mottlau zu erkennen und zu benennen.

Blick auf die Melzergasse (ulica Słodowników) und die Matzkauschegasse (ulica Ławnicza), im Hintergrund das Rechtstädtische Rathaus und die Marienkirche

Bilder als Boten kultureller Vermittlung

Mit diesem Wettbewerb konnten gleich mehrere Ziele kultureller Vermittlung erreicht werden. Zunächst gelang es, deutschlandweit und in Teilen Polens die Aufmerksamkeit der fachkundigen Kollegen und der Öffentlichkeit auf die einzigartigen Bilder Uklejewskis zu lenken. Die vermutlich erstmalige Präsentation seiner Fotos machte zudem anschaulich, welchen Grad an Zerstörung Danzig im Zweiten Weltkrieg erlitten hatte, das wie manche andere Stadt und Landschaft der ehemaligen Ost- und Siedlungsgebiete der Deutschen aus deren kollektivem Gedächtnis entrückt war. Schließlich vermittelten die Bilder gerade auch für deutsche Betrachter einen nachhaltigen Eindruck von der Wiederaufbauleistung der Danziger in der schwersten Zeit der kommunistischen Herrschaft in Polen.

Dies mag im besten Falle dann auch Anstoß gewesen sein, manche Parallelen in den persönlichen Schicksalen der ehemaligen und der neuen Danziger zu erkennen. Die meisten der neuen polnischen Einwohner waren selbst Vertriebene, die mit Nichts im Nichts beginnen mussten. Unter schwierigsten Bedingungen und im Widerspruch zu einer sich feindselig verhaltenden Besatzungsmacht schufen sie sich eine neue Heimat in ihrer Stadt. Pioniergeist und Bürgersinn vereinigten sich dabei zu einer einmaligen restauratorischen Gesamtleistung.

Die neuen Danziger gaben ihrer Stadt wieder ein Gesicht und der Königin der Ostsee neue, prächtige Kleider. Gdańsk wurde so im Laufe der Jahrzehnte wieder zu einer der schönsten Metropolen des Ostens. Trotz Krieg und deutscher Besatzungszeit ließen die polnischen Einwohner sich dabei maßgeblich vom Respekt vor der jahrhundertealten deutsch geprägten Kultur und Geschichte Danzigs leiten, zu der stets auch das Bewusstsein für hanseatische Ehre und Freiheitsliebe gehört hatte. Zugleich schufen sie ihre ganz eigene Stadt, Gdańsk, die Stadt der heroischen Streiks gegen das kommunistische Regime, die Stadt der Gewerkschaftsbewegung Solidarność, die Stadt, von der das Ende der kommunistischen Regime des ehemaligen Ostblocks ausging. Danzig und Gdańsk – eine Stadt – auf die man stolz sein kann.

Blick von Norden auf die Königliche Kapelle (kaplica Królewska)

Der Kunstfotograf Janusz Bogdan Uklejewski

Janusz Bogdan Uklejewski wurde am 21.Mai 1925 in Graudenz/Grudziądz geboren und starb 2011 in Gdingen/Gdynia.

Schon als Jugendlicher dokumentierte Uklejewski, der als Zwangsarbeiter bei der Bahn in Deblin beschäftigt war, zwischen 1940 und 1944 Wehrmachtsverbrechen an sowjetischen Kriegsgefangenen, aber auch die Resultate der Angriffe polnischer Partisanen auf deutsche Bahntransporte. In den Jahren 1945 bis 1948 war er Soldat des I. Selbständigen Seebataillons der polnischen Kriegsmarine sowie Journalist und Pressefotograf bei den polnischen Zeitungen Gazeta Morska (»See-Zeitung«), Der Polnische Matrose (»Marynarz Polski«) und Die See (»Morze«). Von 1948-1952 war er Fotoreporter bei der polnischen Militäragentur für Fotografie. In den Jahren von 1952 bis zu seiner Pensionierung 1990 war er als Fotoreporter für die polnische Zentrale Agentur für Fotografie in Warschau tätig.

Seine Arbeiten wurden vielfach gezeigt. Die erste eigene Ausstellung fand bereits im Januar 1949 in Zoppot/Sopot statt. Im Jahr 1962 erhielt Uklejewski den Prestigepreis »Złocisty Jantar« beim ersten polnischen Fotowettbewerb der Union der polnischen Kunstfotografen Nordpolen. Die größte monografische Ausstellung, die über 300 Bilder zeigte, fand im Jahr 1976 in Gdingen/Gdynia statt. Im Jahr 2005 wurde eine Ausstellung seiner Arbeiten unter dem Titel Der Anfang des Weges von August 1980 bis Dezember 1981 im Nationalmuseum in Warschau/Warszawa gezeigt. Bilder von Uklejewski wurden u.a. beim Word Press Foto in Den Haag und bei Interfoto in Prag präsentiert. Er erhielt Preise vom Bürgermeister der Stadt Gdingen/Gdynia, vom Minister für Außenhandel und Meereswirtschaft sowie dreimal vom Minister für Seefahrt. Uklejewski ist Träger des Goldenen Verdienstkreuzes der Republik Polen und des Offiziersordens Polonia Restituta (Orden der Wiedergeburt Polens).

Zur Autorin: Magdalena Oxfort ist Kulturreferentin für Westpreußen, Posener Land, Mittelpolen, Wolhynien und Galizien am Westpreußischen Landesmuseum in Warendorf.