Im Deutschen Kaiserreich erfreute sich Norwegen als Sinnbild eines »reinen und urwüchsigen« Nordens großer Beliebtheit. Ein Grund hierfür war die Nordlandbegeisterung des deutschen Monarchen. Kein anderes Land der Welt besuchte Kaiser Wilhelm II. häufiger. Zwischen 1889 und 1914 begab er sich ganze 23 Mal an Bord seiner Jacht Hohenzollern in norwegische Gewässer, und der deutsche Volksmund deutete sein Signum Wilhelm I.R. (Imperator Rex) bald in »Wilhelm Immer Reisefertig« um. Im Nordwesten Europas suchte der Kaiser Ruhe und Erholung, hierhin floh er, um der strengen Hofetikette in Berlin und Potsdam zu entgehen. Aber hier suchte er auch Inspiration und moralische Stärkung. Schon sein Vater Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen, der nachmalige Kaiser Friedrich III., nährte eine Bewunderung für die »germanischen Stammesverwandten« im Norden. In seinen Augen war »der Typus der Norweger ein durch und durch Deutscher«. Wilhelm II. bekundete 1890, es ziehe ihn »mit magischen Fäden zu diesem Volk, welches sich im steten Kampfe mit den Elementen aus eigner Kraft durchgearbeitet« habe. Und genauso »magisch«, wie es den letzten deutschen Monarchen einst nach Norden zog, trieb es viele seiner Untertanen in dieselben Gefilde – freilich nicht nur, um die Naturschönheiten der norwegischen Fjordlandschaften zu erleben, sondern möglichst auch, um den deutschen Kaiser einmal selbst erblicken zu können.
Wilhelm II. war ein wahrer Popularisierer des Nordens. Auf seinen Nordlandfahrten erwarb er so manches Mitbringsel, um sich auch im heimischen Deutschland an ihm erfreuen zu können Darunter befanden sich Gemälde, Möbel und Tiertrophäen. Im Potsdamer Park Sanssouci ließ er sogar norwegische Birken, Koniferen und Wildrosen anpflanzen. Aber vor allem die nationalromantische Holzbaukunst Norwegens begeisterte ihn derart, dass er 1890 den norwegischen Architekten Holm Hansen Munthe beauftragte, ihm im ostpreußischen Rominten (russ. Raduznoje) ein kaiserliches Jagdhaus und eine Stabkirche nach norwegischem Vorbild zu errichten. »So ein Ding will ich auch haben«, soll er angesichts des von Hansen Munthe entworfenen Holmenkollen-Touristhotels ausgerufen haben. Aber damit nicht genug. Wilhelm II. engagierte den Architekten auch für den Bau einer kaiserlichen Empfangshalle am Potsdamer Jungfernsee. Wegen des engen Zeitrahmens griff Hansen Munthe hier im Wesentlichen auf die Baupläne seines erst kurz zuvor fertiggestellten Restaurants Hasselbakken in Kristiania (heute Oslo) zurück. Dieses Restaurant erhielt in Gestalt der Matrosenstation Kongsnæs zwischen Berlin und Potsdam ab 1892 einen Zwillingsbau. Und was Wilhelm II. zustande brachte, diente manch einem seiner Untertanen als Vorbild. So veranlasste der schlesische Industrielle Eugen Füllner keine zwei Jahrzehnte später, dass ein weiteres Gebäude Hansen Munthes seinen Weg nach Deutschland fand. Während in Hahnenklee im westlichen Harz eine freie Nachbildung einer norwegischen Stabkirche entstand, ließ er im schlesischen Warmbrunn (Cieplice) ein Duplikat des berühmten Restaurants Frognerseteren erbauen. Weniger als zehn Kilometer Luftlinie von hier steht bereits seit 1844 ein weiteres Zeugnis der norwegischen Holzbaukunst: die Stabkirche Wang, die im Unterschied zur Gustav-Adolf-Stabkirche in Hahnenklee allerdings keine Neuschöpfung ist.
Holm Hansen Munthe (1848–1898) war zu seinen Lebzeiten einer der meist beschäftigen Architekten Norwegens. In seinem Heimatland, das damals noch in Personalunion mit Schweden stand, galt er als der bedeutendste Vertreter und Vollender des Drachenstils. 1876 hatte der ausgebildete Maurer sein in Deutschland begonnenes Architekturstudium an der Polytechnischen Hochschule in Hannover abgeschlossen und danach zwei Jahre in Hildesheim gearbeitet. 1878 zog er nach Norwegen zurück und ging hier eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Architekten Johannes Henrik Nissen (1848–1915) ein. Er wurde 1885 Lehrer für Ornamentik an der Königlich Norwegischen Zeichenschule, und 1897 erfolgte seine Ernennung zum Baustadtrat in Kristiania, wie die norwegische Hauptstadt Oslo bis Ende 1924 hieß. Allerdings verstarb er, bevor er diese Position antreten konnte. Trotz seiner kurzen Lebensspanne gelang es Hansen Munthe, sich durch den Bau zahlreicher öffentlicher Gebäude in das kulturelle Gedächtnis nicht nur seiner Heimatstadt einzuschreiben. So entstanden nach seinen Plänen die Bolteløkka-Schule und das Kristiania-Handelsgymnasium, aber auch das bereits erwähnte Holmenkollen-Touristhotell von 1889 sowie die Restaurants Hasselbakken und Frognerseteren. Gerade bei den drei letzten Gebäuden besann Hansen Munthe sich auf die ältere volkstümliche Holzbauweise Norwegens, entwickelte diesen Stil aber selbständig weiter und hinterließ mit den drei Bauwerken seine besten und berühmtesten Arbeiten. Und Kaiser Wilhelm, der den Drachenstil später weit über die Grenzen Norwegens hinaus bekannt machen sollte, hatte von Anfang an seine Finger mit im Spiel. Er weihte 1890 den Weg zwischen dem Frognerseteren und dem Holmenkollen-Touristhotel als »Kaiser-Wilhelm-Weg« ein. 1945 wurde dieser zwar in Holmenkollveien umbenannt, doch noch immer ist das kaiserliche Monogramm, das Wilhelm II. in eine Felswand westlich des Weges meißeln ließ, deutlich zu erkennen.
Bauwerke im norwegischen Drachenstil zeichnen sich in der Regel durch horizontal aufeinanderliegende massive Baumstämme aus, die auf einem Naturstein- oder Bruchsteinsockel ruhen. Meist sind sie dunkelbraun gebeizt. Die Einzelgebäude der im Drachenstil angelegten Ensembles stehen in einem rechten Winkel zu einander, und sie weisen oft überdachte Laubengänge auf, die offen um das Haus angelegt sind. Das zweite Geschoss ist nach dem Muster älterer norwegischer Vorratsspeicher meist vorkragend. Am markantesten sind indes die dekorativen Verzierungen an den Giebelseiten und Dachabschlüssen der Gebäude sowie die Tür- und Fensterverkleidungen. Hier schmücken oft Drachenköpfe oder ineinander verschlungene Drachenkörper die Bauwerke. Sie sollen die bösen Geister abschrecken und das in ihrem Schoß befindliche Gebäude vor Unheil schützen. Die plastische Drachenornamentik fand auch im Inneren der Räume Anwendung. Kaiser Wilhelm II. schwärmte sehr für die Symbolik, und als sein Jagdhaus in Rominten errichtet war, frohlockte er, es sei »absolut rein nordisch«. Seinen Freund Philipp Fürst zu Eulenburg-Hertefeld (1847-1921), der sich bei festlichen Zusammenkünften als altnordischer »Skalde« – das heißt als Dichter und Sänger – versuchte, lud er im September 1891 mit den Worten in sein neues Heim ein: »Ein mit Drachen- und Königsköpfen geschnitztes Klavier harrt der kundigen Hand, es einzuweihen.«
Die Siedlung Rominten, die heute unmittelbar an der Grenze zu Polen und damit in einer unbequemen Randlage im russischen Oblast Kaliningrad liegt, existiert bis auf wenige Gebäude nicht mehr. Fast alle Häuser sind zerstört und ihre Fundamente von Bäumen und Gestrüpp überwuchert. Beim Vormarsch der russischen Armee sollten die kaiserlichen Gebäude 1944 eigentlich noch von SS-Einheiten abgetragen werden, doch unterblieb dies aus unbekannten Gründen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit nutzte die Dritte Weißrussische Front das Jagdhaus Rominten als Erholungsheim, und der unzerstörte Kaiserflügel wurde erst um 1949 demontiert und nach Königsberg (Kaliningrad) versetzt – allerdings ohne die für ihn typische Ornamentik. Er diente fortan der Parkverwaltung des »Kulturparks Kalinin« als Büro und wurde in den neunziger Jahren als Diskothek benutzt.
Auch die Empfangshalle der Matrosenstation am Potsdamer Jungfernsee und deren Zwillingsgebäude, das Osloer Restaurant Hasselbakken, stehen nicht mehr. Nach der Abdankung des Kaisers 1918 fiel das von 1892 bis 1896 errichtete Kongsnæs an die Stadt Potsdam, welche die Wohnhäuser des Ensembles vermietete. Diese Gebäude hatten einst als Matrosenunterkunft, Werkstatt und als Wohnhaus für den Stationsleiter gedient. Die Empfangshalle und das Bootshaus selbst fungierten ab 1926 als Vereinsgebäude zweier Jachtclubs. Infolge russischen Bombardements brannten die beiden Gebäude Ende April 1945 nieder, und die drei Wohnhäuser lagen nunmehr in unmittelbarer Nähe des Grenzverlaufs zwischen der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland und dem amerikanischen Sektor West-Berlins. Die 1961 errichtete Berliner Mauer führte direkt über die Fundamente der abgebrannten Empfangshalle, und bis November 1989 war der Standort unweit der Glienicker Brücke weder von Ost noch von West erreichbar.
Seit der Wiedervereinigung Deutschlands steht das Gelände als Teil des Potsdamer Weltkulturerbes unter dem Schutz der UNESCO, und ein 1999 gegründeter Förderverein bemüht sich nicht nur um die Sanierung der verbliebenen Gebäude, sondern auch um die Wiedererrichtung der früheren Empfangshalle sowie um die Wiederherstellung der historischen Gartenanlage. Das nordische Ensemble soll nach den Plänen des Vereins neben den anderen markanten Zeugnissen ausländischer Architektur wie dem Holländischen Viertel, der russischen Siedlung Alexandrowka und dem im englischen Stil gehaltenen Schloss Cecilienhof wieder eine eigenständige Note in der Potsdamer Kulturlandschaft setzen. Das Bootshaus könnte als Liegeplatz für den originalgetreuen Nachbau der kaiserlichen Fregatte »Royal Louise« und die Empfangshalle als Museum für den deutschen Jachtsport dienen, der in Potsdam einst seinen Ausgangspunkt nahm. Aber Kongsnæs ist nicht nur wegen seiner norwegischen Bauart und früheren kaiserlichen Bestimmung von historischem Interesse. 1897 gelangen dem Berliner Professor Adolf Slaby (1849–1913) zwischen der kaiserlichen Matrosenstation und der nur 1,6 km entfernten Sacrower Heilandskirche am anderen Ufer des Jungfernsees die ersten Versuche eines drahtlosen Funkverkehrs in Deutschland.
Eine Anfrage des Potsdamer Oberbürgermeisters an seinen Osloer Kollegen führte sogar zu Plänen, auch das Restaurant Hasselbakken wieder aufzubauen
Ein erstes Zeichen für die Erreichbarkeit der eigenen Ziele gelang dem Förderverein Kongsnæs, als er im September 2000 in Anwesenheit des norwegischen Botschafters in Deutschland und des Potsdamer Oberbürgermeisters eine originalgetreue Nachbildung des Zugangstors zur ehemaligen Matrosenstation einweihen ließ. Das Tor war kurz zuvor in der Kaupanger Snikkerverkstad im norwegischen Sogndal nach den Originalbauplänen angefertigt und nach Deutschland befördert worden. Überhaupt denkt man in Potsdam international, und die möglichst enge Einbindung norwegischer Stellen und Einrichtungen wird seit Anbeginn der Wiederaufbaubestrebungen für Kongsnæs eingeworben. Eine Anfrage des Potsdamer Oberbürgermeisters an seinen Osloer Kollegen im Jahre 2004 führte sogar zu Plänen, auch das 1936 abgebrannte Gebäude des Restaurants Hasselbakken wieder errichten zu lassen. Es war seit seiner Fertigstellung 1890 aufgrund seines Baustils, seiner Einrichtung und der stilechten Trachten der Serviererinnen einst die größte Sehenswürdigkeit im Park St. Hanshaugen. Heute existieren nur noch die steinernen Treppen zu beiden Seiten des früheren Gebäudes, ein in der Nähe gelegener Schwanenteich und die von und zu ihm führenden Spazierwege. Bereitschaft, die Potsdamer Matrosenstation wieder aufzubauen, hat unlängst der Berliner Bildungsverein Bautechnik signalisiert. Der Verein, der in historischen Bautechniken ausbildet, unterhält seit vielen Jahren einen Lehrlingsaustausch mit mehreren norwegischen Bauunternehmen.
Erstaunlich ist, dass in diesem Zusammenhang der Norwegische Pavillon im schlesischen Bad Warmbrunn noch so gut wie keine Aufmerksamkeit erhalten hat, obwohl auch er das Duplikat einer der berühmtesten Arbeiten Hansen Munthes ist. Sein Vorbild ist für viele das Paradebeispiel für den in seiner Zeit populären Drachenstil schlechthin. Das 1891 errichtete Restaurant Frognerseteren erhebt sich noch heute auf 435 Metern hoch über die norwegische Hauptstadt und erfreut sich nicht nur bei den Einwohnern Oslos, sondern vor allem bei Touristen aus allen Teilen der Welt größten Zuspruchs. Das Gebäude steht an einem Berghang und erlaubt einen großartigen Blick über weite Teile Oslos und den Oslofjord. Allerdings ist es seit 1909 mehrfach umgebaut und erweitert worden. So ist der gesamte westliche Querflügel des heutigen Restaurants ein Neubau. Das Gebäude steht nach wie vor nicht offiziell unter Denkmalschutz. Der Kaufvertrag trägt aber eine gesonderte Klausel der Osloer Denkmalschutzbehörde, nach welcher der Käufer verpflichtet ist, das Gebäude und die gesamten Außenanlagen so zu behandeln, als täten sie dies. Verstöße gegen die Verordnung können dazu führen, dass die Anlage auch formell unter Schutz gestellt wird.
Das Ursprungsgebäude des Frognerseteren war 1891 ein T-förmiges Blockhaus, das sich aus einem zweigeschossigen Querflügel nach Osten und einem flachen Längsgebäude nach Westen zusammensetzte. Die Eingangsseite des Langhauses öffnete sich zu der halbrunden Steinterrasse, die aus grob behauenem Granit gefugt ist, durch einen Laubengang. Der Querflügel lag auf einer hohen Grundmauer auf und bestand aus einem Grundgeschoss in Blockbauweise, auf dem wiederum ein vorkragender Laubengang das zweite Geschoss in südlicher und östlicher Richtung umlief. Die Giebelseiten des Gebäudes waren mit Drachenköpfen verziert und das Dach selbst mit Schiefer gedeckt. Als der weitgereiste Industrielle Eugen Füllner (1853–1925), seinerzeit Besitzer einer Warmbrunner Papiermaschinenfabrik, dieses Gebäude während eines Besuchs in Norwegen sah, war er so begeistert von ihm, dass er beschloss, ein Duplikat im heimatlichen Schlesien errichten zu lassen. 1909 wurde es der Öffentlichkeit übergeben, und bis in die fünfziger Jahre hinein diente es wie sein Osloer Zwillingsbau als Restaurant.
Die Geschichte des Norwegischen Pavillons in Warmbrunn begann jedoch schon drei Jahre vor seiner Eröffnung, und wieder war der deutsche Monarch mit von der Partie, wenngleich auch nur indirekt. Am 27. Februar 1906, dem Tag der silbernen Hochzeit Kaiser Wilhelms II. und seiner Gattin, der Kaiserin Auguste Viktoria, gab Füllner bekannt, er wolle den Einwohnern Warmbrunns einen öffentlichen Park stiften. Zu diesem Zwecke erwarb er bislang brachliegende Ländereien oberhalb seiner Fabrik am rechten Ufer des Flusses Heidewasser. Keimzelle der Fabrik Füllners war die Reparaturwerkstatt für Maschinen zur Papierherstellung gewesen, die sein Vater, der Breslauer Heinrich Füllner (†1889), 1854 in Warmbrunn eingerichtet hatte. Er entwickelte hier zehn Jahre später die erste komplette Papierproduktionsmaschine und legte mit ihr den Grundstein für ein weltweit agierendes Industrieunternehmen. Die Füllner-Werke hatten bereits Ende des 19. Jahrhunderts Kunden in den meisten europäischen Ländern, in Nord- und Süd-Amerika sowie in Asien. Im waldreichen Norwegen stammten 1918 ganze 40 der 81 im Lande befindlichen Papiermaschinen aus Warmbrunn.
Eugen Füllner entschied 1906, dass drei Hektar des von ihm erworbenen Landes für den Bau einer Wohnsiedlung für die Arbeiter seiner Fabrik dienen sollten, die übrigen 15 Hektar wies er als zukünftigen Park aus. Den ausgeschriebenen Wettbewerb zur Parkgestaltung gewann der Breslauer Landschaftsarchitekt Fritz Hanisch. Er wurde auch mit der Leitung der Erdarbeiten beauftragt, die noch im selben Herbst begannen. Es wurden zwei Teiche und Wege von insgesamt knapp 10 km Länge angelegt, zahlreiche Bäume wurden gepflanzt sowie Bänke, Lauben und Wegweiser aufgestellt. Im Laufe der Arbeiten verfestigte sich auch die Idee eines zentralen Pavillons, der den Spaziergängern als Raststätte dienen sollte, und hier gab schließlich Füllners Begeisterung für das Osloer Restaurant Frognerseteren den Ausschlag. Anhand der Originalbaupläne, die der norwegische Architekt Einar Smith (1863–1930) vermittelte, errichteten örtliche Firmen ein Zwillingsgebäude des Frognerseteren an einer Stelle, von der aus eine schöne Aussicht auf das Panorama des Riesengebirges gewährt war.
Für den Bau wurden ausschließlich einheimische Handwerker beschäftigt, und es wurde lediglich Baumaterial aus Schlesien verwendet. So stammte der Granit für die Terrasse aus dem Riesengebirge, und für das Blockhaus wurden nur Fichten in der näheren Umgebung gefällt. Das Fundament führte die in Warmbrunn ansässige Firma Karl Ansorge aus, und den hölzernen Aufbau errichtete die örtliche Zimmerei Paul Ansorge. Die Innenausstattung besorgte die Holzschnitzschule Warmbrunn, die zu ihrer Zeit ein Mittelpunkt des kunstgewerblichen Schaffens am Rand des Riesengebirges war. Auf sie gehen auch die profilierten Enden der Dachbalken sowie die Giebeldrachen am äußeren Gebäudekörper zurück. Am 18. Juli 1909 erfolgte die offizielle Einweihung des Pavillons und des ihn umgebenden »Füllner-Parks«, und fortan erinnerte auch eine Inschrift an der südlichen Seite der Terrassenmauer an die Entstehungsgeschichte des Bauwerks. Diese Inschrift ist heute jedoch nicht mehr erhalten.
In der Warmbrunner Einwohnerschaft herrschten über den Norwegischen Pavillon zunächst geteilte Meinungen. Er wurde von manchen Bürgern der Stadt als bloße Kopie eines fremden Baustils empfunden, der sich nicht in seine neue Umgebung einfüge. Mit der Zeit entwickelte der Pavillon sich aber zu einer touristischen Attraktion, und unter Stammgästen des Restaurants hieß es noch Jahrzehnte später, sie gingen auf ein Bier oder ein Glas Wein zum »Norweger«, wenn ihre Wege sie zu dem Pavillon führten. Das Gebäude wurde sogar zum Namensgeber für den gesamten umliegenden Park, der nur getrennt vom Fluss Heidewasser an den Bad Warmbrunner Kurpark grenzt. Wie sein Osloer Vorbild hat auch der Pavillon im Norwegischen Park Bad Warmbrunns bis heute mehrere Umbauten erfahren, doch ist er in der Grundform seinem Original von 1891 ähnlicher, da er keinen neuen Seitenflügel erhalten hat. Der Haupteingang führte wie beim Frognerseteren zunächst über die steinerne Terrasse. Als der Laubengang des Langhauses geschlossen wurde, fungierte man jedoch den früheren Bediensteteneingang an der Ostseite des Gebäudes zum Haupteingang um. Das Innere bot Platz für die Privatwohnung des Gaststättenbetreibers wie für einen Versammlungssaal und ein Klubzimmer mit angrenzender Bühne für die zum Tanz aufspielenden Musiker.
Seit mehr als 40 Jahren beherbergt der Norwegische Pavillon indes heute das städtische Naturkundemuseum, das 1967 aus dem »Langen Haus« in Hirschberg (Jelenia Góra) hierhin verlegt wurde, und in dem einstigen Klubzimmer befindet sich nun die Museumsbibliothek. Da die gesamte Inneneinrichtung das Gebäudes mehrfach umgestaltet wurde, sind die verbliebenen Flachrelieffe in der heutigen Bibliothek die einzigen Relikte aus der Vorkriegszeit. Seit 1990 steht das Gebäude unter Denkmalschutz und stellt nach wie vor eine der touristischen Attraktionen Bad Warmbrunns beziehungsweise Hirschbergs dar. Jedes Jahr besichtigen etwa 40.000 Personen die Dauerausstellung und die Sonderausstellungen des Museums. Zu sehen sind vor allem Vögel und Schmetterlinge, es gibt aber auch wechselnde Ausstellungen zu Themen wie »Leben unter Wasser« und »Die Natur in den westlichen Sudeten«. Zu diesem Zweck arbeitet das Hirschberger Naturkundemuseum auch mit anderen polnischen und nicht-polnischen Institutionen wie dem Riesengebirgsmuseum im tschechischen Vrchlabí (Hohenelbe) und dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Görlitz zusammen.
Eugen Füllner selbst sollte die Umwidmung seines Norwegischen Pavillons von einem Restaurant zu einem Museum nicht mehr erleben. Er starb 1925, in dem Jahr, in dem Warmbrunn den offiziellen Namenszusatz »Bad« erhielt, und wurde auf dem Friedhof an der Alten Hirschberger Straße (ul. Jagiellońska) begraben, wo auch heute noch ein Grabstein an ihn und seine Frau erinnert. Clara Füllner (1859-1932) überlebte ihren Mann auf den Tag genau um sieben Jahre und wurde neben ihm bestattet. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Abdankung des deutschen Kaisers konnte der in die Jahre gekommene Fabrikant Füllner auf ein erfolgreiches Industriellenleben zurückblicken. Er hatte Ende des 19. Jahrhunderts den väterlichen Betrieb zu einem mächtigen Unternehmen ausgebaut und war zum Ritter der französischen Ehrenlegion geschlagen worden. 1900 wurde er Geheimer Kommerzienrat, und 1913 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Breslauer Polytechnischen Hochschule. Das Patent, das die Füllner-Werke im darauffolgenden Jahr für die Herstellung eines neuartigen Hochglanzpapiers erhielten, entwickelte allerdings erst das amerikanische Unternehmen Champion Paper Coated Company 1929 zur Praxisreife. Technisch verbessert und verfeinert wurde dieses Papier ab 1958 unter dem Namen Chromolux bekannt.
Da existierten die Füllner-Werke schon längst nicht mehr. Als Eugen Füllner 1920 erkrankte, verkaufte er seine Fabrik an den Breslauer Maschinen- und Lokomotivbauer Linke-Hofmann-Werke AG. Diese Firma beschäftigte zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter aus verschiedenen osteuropäischen Ländern in ihrem Bad Warmbrunner Werk, unter ihnen Polen, Russen und Ukrainer, und 1945 wurde die gesamte Betriebsstätte von der sowjetischen Armee beschlagnahmt und demontiert. Nachdem polnische Behörden die leeren Fabrikhallen übernommen hatten, ging man mit Hilfe von wiederaufgefundenen Konstruktionszeichnungen für Papiermaschinen daran, das Werk erneut aufzubauen. 1950 lief der Produktionsbetrieb denn auch unter dem Namen Fampa (Fabryka Maszyn Papierniczych ) wieder an, doch 1991, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa, erwarb die amerikanische Firma Beloit die Mehrheit der Firmenanteile. Seit dem Konkurs von Beloit im Jahr 2000 gehört das Werk zu dem polnisch-amerikanischen Unternehmen PMPoland, das Niederlassungen in Polen, den USA, Deutschland, Tschechien und China unterhält. Es hat sich auf die Lieferung und Modernisierung von Maschinen zur Papierherstellung und anderer Ausstattung für die Papierindustrie spezialisiert und feierte 2004 den 150. Jahrestag seiner Gründung durch Heinrich Füllner.
Doch zurück zum Drachenstil des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Eine Übersicht über die erhaltenen und die im Zuge des Krieges zerstörten Gebäude in der alten norwegisch-nationalromantischen Holzbauweise außerhalb Norwegens ist bis heute nicht erstellt worden. Eins aber zeichnet sich jetzt schon ab: Im Deutschen Kaiserreich war der Drachenstil weit verbreitet und nicht nur von punktueller Bedeutung. Neben den Zwillingsgebäuden in Oslo und Potsdam beziehungsweise Oslo und Warmbrunn wurden nicht nur Kirchen wie die Gustav-Adolf-Kirche in Hahnenklee oder die Friedhofskapelle in Stahnsdorf südlich von Berlin nach norwegischem Vorbild errichtet. Ganz zu schweigen von dem kaiserlichen Jagdschloss und der Stabkirche im ostpreußischen Rominten. Auch das Golf-Clubhaus im thüringischen Wintersportort Oberhof, das seit 2002 unter Denkmalschutz steht, wurde 1908 im Drachenstil errichtet. Des weiteren ließen gerade zahllose Großstädter im Deutschen Reich ihre Land- und Sommerhäuser nach norwegischer Art erbauen. Zu ihnen gehörte der Rostocker »Dichter der Ostsee« Max Dreyer (1862–1946), der sich 1901 in Göhren auf Rügen ein »Drachenhaus« errichtete. Und auch der Berliner Verleger und Hofbuchdrucker Georg Büxenstein (1857–1924), ein Freund und enger Vertrauter Wilhelms II., schmückte den Turm seines um 1900 erbauten Jagdschlosses Hubertushöhe bei Storkow mit Drachenköpfen. In Essen stattete die Industriellenfamilie Krupp um diese Zeit ihr Billardzimmer ganz im »nordischen Stil« aus, und der Maler und Bildhauer Otto Lessing (1846–1912) richtete sich 1897 in der Berliner Grunewald-Kolonie ein Atelier in Form eines »norwegischen Palastes« ein. Weitere Beispiele ließen sich finden. Die im Nachhinein von manchem als persönliche Vorliebe Kaiser Wilhelms II. beurteilte Nordlandbegeisterung war in den Jahren um 1900 eine Modeerscheinung, die der letzte deutsche Monarch mit vielen seiner meist begüterten Untertanen teilte.
Raimund Wolfert (MA) studierte Skandinavistik, Linguistik und Bibliothekswissenschaft an den Universitäten in Bonn, Oslo und Berlin. In zahlreichen Veröffentlichungen beschäftigte er sich u.a. mit Themen der deutsch-skandinavischen Kulturbeziehungen. Raimund Wolfert arbeitet als freier Dozent in Berlin. 2008 veröffentlichte das Deutsche Kulturforum auf diesen Internetseiten seine Artikel Vom Leben »wahrer Freunde und Freundinnen« im Breslau der Zwischenkriegszeit über die Blütezeit der ersten deutschen Homosexuellenbewegung in der schlesischen Metropole und »Ein Erbe, um das sich niemand kümmert? Das hat mich provoziert.« über die Norwegerin Bente Kahan, die sich um jüdische Kultur in Breslau verdient macht.
Wer zu dem Thema mit dem Autor Kontakt aufnehmen möchte, kann dies gern über das Deutsche Kulturforum tun:
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Das Muzeum Przyrodnicze w Jeleniej Górze (Museum für Naturkunde in Hirschberg) im Internet.
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