Roman Czaja
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Übersetzung: Herbert Ulrich

Auf dem Gebiet der Forschungen zur Geschichte des Mittelalters existiert der polnisch-deutsche Dialog seit Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Er betraf vor allem die mit den polnisch-deutschen Kontakten im Mittelalter verbundenen Probleme der »gemeinsamen Vergangenheit«. Nur ausnahmsweise beinhaltete die Zusammenarbeit polnischer und deutscher Mediävisten die nicht mit der historischen Erinnerung der Polen und der Deutschen verbundenen Fragen der Universalgeschichte. In den siebziger und achtziger Jahre kam es auf dem Gebiet der meisten früher strittigen Fragen (»Ostsiedlung«, Regionalgeschichte – Schlesien, Pommern, Deutschordensstaat in Preußen) zu einer sehr wesentlichen Annäherung der Standpunkte, und der nationale oder ethnische Gesichtspunkt hörte auf, die Grundlage der wissenschaftlichen Diskussion zu bilden. Diesbezüglich hat das Jahr 1989 bei der Lösung der Differenzen zwischen der polnischen und der deutschen Mediävistik keine entscheidende Wende gebracht. Selbstverständlich trugen die politischen Veränderungen der neunziger Jahre und die Öffnung der Grenzen zu einer quantitativen Zunahme der Kontakte bei (Vorlesungen, Teilnahme an Konferenzen, Forschungsaufenthalte im Rahmen von Stipendien, Austausch von Wissenschaftlern und Studenten zwischen den Universitäten). Ich habe allerdings den Eindruck, dass es in den neunziger Jahren nicht zu einer wesentlichen qualitativen Veränderung in der wissenschaftlichen Kommunikation zwischen den polnischen und den deutschen Mediävisten kam. In unseren Kontakten sind wir nicht über die seit langem diskutierten Forschungsbereiche hinausgekommen. In der polnisch-deutschen Diskussion traten universelle Themen der europäischen Mediävistik nicht in Erscheinung (oder spielten jedenfalls nur eine untergeordnete Rolle). Ausnahmen, die die Regel bestätigten (oder vielleicht die ersten Schwalben, die den Frühling ankündigten?), waren die Übersetzung der Arbeit von Benedykt Zientara »Die Morgendämmerung der europäischen Nationen« ins Deutsche (herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut) und die Veröffentlichung der Artikelsammlung von Otto Gerhard Oexle »Die Gesellschaft des Mittelalters. Mentalität – soziale Gruppen – Lebensformen« in polnischer Sprache (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń). Somit stellt –jedenfalls meiner Ansicht nach – das Fehlen einer gemeinsamen Diskussionsebene das Hauptproblem in der Zusammenarbeit polnischer und deutscher Historiker dar. Die früheren Differenzen und Diskussionen sind nicht mehr aktuell, stattdessen treten neue Probleme in Erscheinung. Die deutschen Mediävisten interessieren sich immer weniger für die Geschichte Mittel- und Osteuropas, und ihre polnischen Kollegen bringen sich nur in sehr ungenügendem Maße in die Forschungen zur gesamteuropäischen Mediävistik ein. An die Stelle der früheren, oft »heißen« Polemiken ist eine Art »Frigidität« getreten.

Eine Chance für eine qualitative Veränderung in der Zusammenarbeit zwischen der polnischen und der deutschen Mediävistik bildet die Verlagerung unserer Diskussion auf die Ebene universeller Phänomene (selbst wenn sie Fragen der Regional- oder der lokalen Geschichte betrifft). Bisher stellte die gemeinsame Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen und die Präsentation der jeweiligen Forschungsergebnisse die Hauptform dieser Zusammenarbeit dar. Auf der gegenwärtigen Stufe sollten wir in höherem Maße solche Konferenzen gemeinsam vorbereiten und auch gemeinsame Forschungsprojekte realisieren. Ich bin der Ansicht, dass die Organisierung der Thorner Begegnungen (seit 1981) für Forscher über Ritterorden »Ordines militares. Colloquia Torunensia Historica«, die zu einem internationalen Forum der wissenschaftlichen Zusammenarbeit geworden sind, ein gutes Beispiel einer solchen Zusammenarbeit bildet, weil die Problematik und die Konzeption jeder Konferenz in diesem Zyklus (bisher fanden 11 Begegnungen statt) von den polnischen und den deutschen Kollegen gemeinsam erarbeitet wurde.

Die Generationsveränderungen im Blick auf die polnisch-deutschen Beziehungen und auf die Geschichte des Mittelalters überhaupt sind klar erkennbar und offensichtlich. Schon seit langem haben wir uns von dem Gedanken einer einzigen historischen Wahrheit verabschiedet. Die heutige Zusammenarbeit basiert vor allem auf fachspezifischen Grundlagen. Wir schreiben nicht mehr »unsere« – polnische oder deutsche – Geschichte, und der nationale oder ethnische Gesichtspunkt spielt in der Forschung keine größere Rolle mehr. Aber in den Untersuchungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas im Mittelalter tritt eine originelle Forschungsthematik auch weiterhin nur in allzu geringem Maße in Erscheinung. Oft beantworten wir noch alte Fragen; zwar geben wir jetzt andere Antworten darauf als unsere Meister, aber wir erkennen und stellen keine neuen Fragen.