Beitrag zum Internationalen Colloquium »Ein Zentrum für Vertreibung?« vom 14. – 16.03.2003 in der Akademie Sankelmark
Flucht, Vertreibung, Evakuierung, Umsiedlung als Folge des zweiten Weltkrieges, wie immer es zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Seiten genannt wurde ein Thema, das in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR weitgehend als Tabu galt.
Diese Ereignisse und die damit verbundenen einschneidenden Erlebnisse durften nicht offen oder gar gemeinschaftlich dargestellt werden.
Und so blieb das Thema Flucht bis in die Gegenwart erhalten. Im Westen, der späteren Bundesrepublik Deutschland wurde das Thema zu leicht und zu lange von den Ursachen abgekoppelt und den Betroffenen diese Vorgänge als unberechtigt und vorübergehend, und allein von der Ostsiegermacht Sowjetunion herbeigeführt, beschworen.
Wir möchten die Geschehnisse von damals aus der Sicht der Betroffenen festhalten, aber mit dem Blick nach vorn und der heißt: Partnerschaft innerhalb der Europäischen Union.
Dieses Projekt, diese Gedenkstätte soll die geschichtlichen Abläufe anschaulich machen, die sich in unserer Gegend besonders konzentriert am Kriegsende abgespielt haben. Und das stellt mit dem Abstand von mehr als einem halben Jahrhundert, insbesondere für die danach geborenen Generationen Geschichte dar.
Und so ist aus der Interessenlage das Dorf, die Heimat zu verbessern, die Idee entstanden Ereignisse aus unserer unmittelbaren Umgebung aus einer relativ nahen Vergangenheit in unserer Kirche darzustellen, was auch über den regionalen Bereich hinaus Beachtung finden könnte und sollte.
Ein Ergebnis der Veränderungen nach 1989 / 90 ist die Beschäftigung mit Heimat, Tradition und Geschichte in den neuen Bundesländern ohne die Aussparung bestimmter Themen und Ereignisse. –
Es war eine überfällige Hinwendung zu Themen, die in den Jahren nach 1945 bis zum Ende der 80er Jahre in diesem Teil Deutschland keine Rolle mehr zu spielen schienen, bzw. starke ideologische Einschränkungen erfuhren.
Und eines dieser Themen ist unserer Auffassung nach die Benennung, die Darstellung des Verlassens der Heimat, speziell an diesem regionalen Knotenpunkt, d. h. die Oderübergänge von und bei Stettin über die sich die Flut der Menschen verteilte, in deren unmittelbarer Nähe unser Ort liegt. Man braucht nur auf die Karte zu schauen und man sieht die Straßen , die Autobahn, die Bahnlinien in Richtung Süden und Westen.
Neben der demografischen Notwendigkeit so eine Begegnungsstätte zu schaffen, um den Betroffenen noch die Möglichkeit zu geben ihre Betroffenheit zeigen zu können und an die Nachwelt weiterzugeben, ist die Situation, die Atmosphäre für eine solche Gedächtnisstätte an der Grenze zu Polen so günstig wie nie zuvor, weil diese Grenze sich in einer entspannten, immer weniger spürbaren Bedeutung befindet. - Der EU-Beitritt Polens ist beschlossene Sache.
Außerdem beinhaltet unser Projekt ausdrücklich, dass die betroffenen Polen ebenfalls ihre zwangsweise Entwurzelung darstellen können.
Dabei werden wir darauf achten, dass emotionale Einseitigkeiten nicht bedient werden. Gleiches stellen wir uns auch für die Menschen auf der anderen Seite der Oder vor, die Polen, deren Staatsgebiet im Krieg und nach dem Krieg verschoben wurde und damit auch Menschen »verschoben« wurden. Dazu wollen wir unsere teilweise zerstörte und brach liegende Dorfkirche und ihr Umfeld wieder mit Leben erfüllen.
Aus der Dorfkirche Rosow, einschließlich des Kirchhofgeländes soll neben der dann auch wieder möglichen kirchlichen Nutzung, ein Deutsch-Polnisches Dokumentations- und Kommunikationszentrum unter dem Motto »Begegnung mit der Geschichte« entstehen.
Darin sollen die Menschenbewegungen als Folge des zweiten Weltkrieges auf beiden Seiten der Oder dargestellt werden. Nach unseren Vorstellungen sollen zu dieser Thematik , verbunden mit Gegenwart- und Zukunftsthemen, auch Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen, kulturelle Inhalte an diesem Ort möglich werden. Diese konzeptionellen Vorstellungen sollen sich auch in einer umfassenden und interessanten architektonischen Lösung widerspiegeln.
Zum Umgang mit dem Gebäude Kirche!
Der mittelalterliche Grundriß und das so vorhandene Mauerwerk bleiben unangetastet. Die historische Fenster- und Türengestaltung wird beibehalten. Die Innenausstattung, auf die man Rücksicht nehmen müsste, gibt es praktisch nicht.
Hier wird es eine komplette Neugestaltung geben, die der Funktionalität einer Gedenkstätte diesen Inhaltes gerecht wird. Die kirchliche Nutzung würde dadurch ebenfalls im Bedarfsfall wieder möglich. Der Turm soll nicht mehr nach historischem Vorbild erneuert werden. Hier haben wir in unserem Ideenwettbewerb auf eine modere Lösung orientiert.
Als zukunftsorientierten wirtschaftlichen Faktor stellen wir uns auf dem Kirchendach oder im Freigelände eine moderne Solaranlage vor.
Kirche als angemessener Ort!
Wir Initiatoren sagen, dass einer Kirche ein guter, angemessener Ort für die Darstellung und Begegnung mit diesem Thema ist. Wir denken sogar, dass eine Kirche ein besonders guter , geeigneter Ort dafür ist. Ein symbolischer Ort des Leides und der Hoffnung. Ein Schutz gegen unerwünschten Eifer und ein Vertrauensangebot für interessierte Befürworter unsere Projektes.
Darum halten wir eine Kombination mit bzw. in schon bestehenden geförderten Einrichtungen, wie die der Jugendarbeit, künstlerischer und naturbezogener Ausstellungs- und Veranstaltungsorte oder gar technischer Museen für nicht sinnvoll. Die Kirchengemeinde stellt als Eigentümer die Kirche und das Kirchhofgelände für die geplante Gedenkstätte zur Verfügung, die rechtlichen Vereinbarungen dazu liegen vor. Dabei bleibt ein gewisses Hausrecht der Kirchengemeinde bestehen, bei dem die kirchliche Nutzung hinter dem Ausstellung- und Veranstaltungsort bewusst zurücktritt. Da unsere Gedächtniskirche auch einer Sitzplatzkapazität erhalten wird, kann zu gegebenen Anlässen auch wieder Gottesdienst gefeiert werden.
Erste Kontakte und positive Reaktionen sind mit der Kommunalgemeinschaft POMERANIA entstanden. Die Partnerschaft zwischen unseren Kirchengemeinden in Rosow und der St. Johanna Kirchengemeinde in Ahrensburg bei Hamburg werden wir auch für unser Projekt nutzen können. Unterstützende Begleitung erfahren wir weiterhin von Herrn Angus Fowler, Förderkreis Alte Kirchen Berlin – Brandenburg e. v. und Vorsitzender von Ecovast der europäischen Vereinigung für Dörfer und Kleinstädte, Herr Angus Fowler ist Mitglied unseres Vereins.
Polnische Partner
Auf der polnischen Seite haben wir in der südlich von Stettin gelegene Stadt Stargard Partner gefunden, die sowohl Interesse für den Erhalt alter Kirchen auf beiden Seiten der Oder haben, als auch an unserer Thematik der »Gedächtniskirche« interessiert sind. Das sind Herr Slawomir Preiss, Direktor des Museums Stargard und seine Mitarbeiter, wie z. B. Herr Marcin Majewski. Sie sind neben, bzw. plus ihrer beruflichen Kompetenz in Sachen Geschichte in Pommern, auch Mitglieder im Stadtinteressenverein Stargard. Das Museum Stargard arbeitet schon länger mit den Landesarchiv Greifswald und dem Stadtarchiv Stralsund zusammen. Sie geben zweisprachige Publikationen über Stargard und das historische und gegenwärtige Gebiet Pommern heraus. Herr Direktor Preiss sagte uns die gewünschte Zusammenarbeit gern zu, und gab uns die Gelegenheit unser Projekt in der letzten Ausgabe des Stargarder Jahrbuches vorzustellen.
gute Ergänzung zu unserem Projekt sehen wir z. B. bei der Nutzung der vom Stargarder Stadtmuseum und dem Heimatverein erstellten Publikationen wie Bücher, Reproduktionen von Fotos, Landkarten, Ansichtskarten und Urkunden, die durch unseren Verein gezeigt und angeboten werden könnten.
haben wir den Geologen und Kirchenspezialist Herrn Marek Ober aus Szczecin/Stettin, Mitglied unseres Vereins, an unserer Seite. Er berät uns nicht nur im Umgang und über den Wert unseres alten Gemäuers, sonder gibt uns auch Einblicke in die polnischen Befindlichkeiten zum Thema Flucht und Vertreibung.
Ein weiteres Zusammenwirken mit unseren polnischen Nachbarn könnte die Nutzung von Quellen und Archiven in Stettin zur Erlangung verschüttet gegangener Informationen über unseren früheren Kreis Randow sein. Flüchtlinge, Vertriebene, Umgesiedelte und deren Nachkommen leben auf beiden Seiten der Oder in dieser Region. Der Wunsch, das Interesse an der Darstellung dieses Themas besteht auf beiden Seiten.
Ohne die öffentliche gemeinsame Darstellung der deutschen und polnischen Schicksale, bleiben diese Ereignisse mit ein Grund für gegenseitige Vorbehalte und Mißverständnisse und behindert den jetzt notwendigen Integrationsprozeß. Wir möchten mit unserem Projekt einen »atmosphärischen« Beitrag für mehr Offenheit und Miteinander leisten. Andere Stätten entlang der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenze könnten unser Konzept übernehmen!
Verbindung zum Tourismus
Unsere Gedenkstätte soll in das Tourismuskonzept dieser Region eingebunden sein. Das bedeutet bei uns besonders die Nutzung des grenzüberschreitenden Radwegenetzes, sowohl auch des Nationalparks Unteres Odertal, an dessen nördlichem Rand wir liegen.
Die geplante Streckenführung des Oder - Neiße - Radweges zur Grenzüberquerung nach Polen am Grenzübergang Rosow, wird direkt über unseren Ort geführt.
Die nahe gelegene Oder spielt natürlich eine große touristische Rolle in unserer Gegend.
Im Zusammenhang mit unserem Projekt für das Herkommen in unsere „Ecke“ sind die bestehende Bundesstraßenverbindung und die Nähe zur Autobahn (A11 mit Anschluß A20) wie die Eisenbahnverbindung Berlin - Szczecin / Stettin bis fast vor Ort positive Faktoren.
Ein Besuch der Gedenkstätte würde auf jeden Fall auch die Möglichkeit zur landschaftlichen Erkundung unserer Region bieten und umgekehrt.
Zum Betreiberkonzept
Eine Person als ständiger Begleiter des Projektes bzw. der Gedenkstätte ist unverzichtbar, eher zu wenig. Wir werden, je nach personellen Möglichkeiten, vorrangig eine »Wochenendöffentlichkeit« herstellen, d.h. der Besuch der Ausstellung und stattfindende Veranstaltungen werden vorzugsweise am Sonnabend / Sonntag und an Feiertagen natürlich, personell und organisatorisch ermöglicht.
Die personelle Besetzung würde an den übrigen Wochentagen, außerhalb der Ferien- und Urlaubssaison sowieso, und immer von Ausnahmen abgesehen, verkürzt für interne Arbeiten anwesend sein, auch während dieser Zeiten sollte für interessierte Besucher geöffnet sein. -
Für den Besuch der Ausstellung im Kirchenschiff werden wir keinen Eintritt erheben.
Für den wieder hergestellten Turm, haben wir ein gesondertes Konzept. Er soll als Aussichtsturm täglich und zu ausgedehnten Zeiten in »Selbstbedienung« über einen sogenannten Drehkreuzmechanismus mit Münzeinwurf zugänglich gemacht werden. Ein Aussichtspunkt ist immer ein Erlebnis, ein natürlicher Drang des Menschen, die Dinge von oben zu sehen. Für unser Projekt ein gutes Symbol Weitsicht zu üben.
Die Möglichkeit der Arbeitsförderungsmaßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit wird durch uns in jeden Fall genutzt.
Effekt unseres Vorhabens
Wir glauben, daß unser Vorhaben von historischer, wie auch europolitisches Interesse ist und gleichzeitig dazu beiträgt, daß die Geschichte und das Leid der betroffenen Generationen nicht vergessen wird. Wir zollen unseren Eltern und Großeltern , wenn sie dann betroffen waren, Respekt und Hochachtung, gleichzeitig muß der Jungen Generation diese Tragödie der Geschichte beidseitig der Oder immer vor Augen gehalten werden. Krieg, Leid und Flucht kann auch in Zukunft der Begleiter der Menschen sein!
Ein zweiter wesentlicher Aspekt des Projektes besteht im Erhalt und dem Ausbau der Dorfkirche, als historisches Kulturgut und als Identivizierungspunkt der Menschen für ihr Dorf und für die Heimat.
In schwierigen Zeiten, mit hoher Arbeitslosigkeit, Abwanderung von jungen Menschen aus unseren Dörfern und soziale Schwierigkeiten ist es wichtig den Menschen Zuversicht und den glauben an die eigene Kraft zu vermitteln.
Unser Projekt soll ein touristischer Baustein an der Nahstelle zwischen Mecklenburg / Vorpommern und Brandenburg sein und gleichzeitig soll der historischen Geschichtsabschnitt, der unsere Region stark geprägt hat, widerspiegeln.