Dieses Mal blieb die Zeichenexkursion der Bauhaus-Universität Weimar, die alle zwei Jahre in Kooperation mit dem Kulturforum an ausgewählte Orte in – bisher – Polen und der Republik Tschechien geführt wird, in Deutschland. Und doch auch nicht. Görlitz gehörte ab 1815, nach dem Wiener Kongress, zu Preußen und wurde der preußischen Provinz Niederschlesien zugeschlagen. Seitdem teilt sich die heute in Sachsen liegende Stadt die schlesische mit der Oberlausitzer Identität.
Die Zeichnungen wurden vor Ort besprochen und werden für die Ausstellung im Juli nachbereitet. Foto: © Deutsches Kulturforum östliches Europa, A. Afsari
Diese Zusammenhänge erklärte auf einem dreistündigen Gang durch die Stadt entlang ausgewählter Stationen Denkmalpfleger und Kunsthistoriker Arne Franke, der in den 1990er Jahren an der Unteren Denkmalbehörde in Görlitz beschäftigt war. So machte er die 25 zeichnenden Studentinnen und Studenten detailreich mit Geschichte und Geschichten der Stadt bekannt. Er wies auch auf die glücklicherweise nur geringen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg hin. Die erhaltenen Fassaden, kleinen Gassen, das mittelalterliche Pflaster, die hügelige Topografie machte Görlitz in den letzten Jahrzehnten zu einer begehrten Filmkulisse – Stadttouren durch Görliwood auf den Spuren von Filmorten gibt es längst.
Die Stadt Görlitz entwickelte sich um 1200 als Kaufmannssiedlung unterhalb einer Burg auf dem Westufer der Neiße (Nysa) am Handelsweg von Böhmen zur Ostsee und an der alten transkontinentalen Ost-West-Handelsroute Via Regia – so entstand auch eine erste Bebauung des Brückenkopfes am Ostufer der Neiße. Vor dem Wiener Kongress 1814/15 war die Oberlausitz fast 200 Jahre lang Teil Sachsens (seit dem Prager Frieden 1635). In dieser Zeit stand Schlesien unter böhmischer Herrschaft und gehörte damit ab 1526 zum Haus Habsburg – und wurde deshalb nach dem Dreißigjährigen Krieg von der Gegenreformation geprägt. Bei der Teilung der Oberlausitz infolge des Wiener Kongresses entlang einer diagonalen Nordwest-Südost-Linie kamen nahezu sechzig Prozent an Preußen und wurden Niederschlesien zugeschlagen. Auch das Siedlungsgebiet der obersorbischen Minderheit zerfiel in einen preußischen und einen sächsischen Teil.
Als die Stadt Görlitz nach der Potsdamer Konferenz im Jahr 1945 geteilt wurde, wurde der östlich der Neiße gelegene Stadtteil polnisch. Nach den dort getroffenen Bestimmungen wurden die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie allerdings nur der Verwaltung des polnischen Staates unterstellt. Im Görlitzer Abkommen vom Juli 1950 erkannte die DDR kurz nach ihrer Gründung und unter Druck der Sowjetunion im Gegensatz zur Bundesrepublik die Oder-Neiße-Linie als neue Ostgrenze an.
Die von Arne Franke ausgewählten und von den Studierenden vorgestellten Gebäude und Plätze waren:
- Untermarkt
- Hl. Grab (Gesamtanlage mit Hl. Grab und Adamskapelle)
- Nikolaifriedhof mit Nikolaikirche und Jakob-Böhme-Grab
- Peterskirche (zweitürmige Hauptkirche)
- Rathaus mit Renaissancetreppe und Justitia
- Schönhof (Schlesisches Museum)
- Dreifaltigkeitskirche (eh. Franziskanerkirche)
- Kaufhaus (einziges Großkaufhaus, das in Deutschland original erhalten geblieben ist)
Dazu folgt zur Ausstellungseröffnung in Weimar in der ersten Julihälfte eine Zusammenstellung von Filmmitschnitten.
Die Exkursion fand im Rahmen unseres Jugendprogramms #EASTPLORERS statt. Die Zeichnungen und Texte werden vom 11. bis 14. Juli 2024 auf der summery 2024 ausgestellt, der Jahresschau studentischer Arbeiten in der Bauhaus-Universität Weimar. Die Eröffnung findet am Donnerstag, 11. Juli 2024, um 16:00 Uhr statt.