Foto: © Deutsches Kulturforum östliches Europa 2013 • Anke Illing, Berlin
Der Georg Dehio-Kulturpreis des Deutschen Kulturforums östliches Europa wurde am Donnerstag, den 17. Oktober 2013 an die polnische Kunsthistorikerin Prof. Dr. Ewa Chojecka und an die russlanddeutsche Historikerin Dr. Irina Tscherkasjanowa verliehen. Der Festakt fand im Atrium der Deutschen Bank Unter den Linden, Berlin statt.
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Es sei höchste Zeit, mit diesen Worten begann Dr. Harald Roth, der Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa, seine Begrüßung, dass in diesem Jahr zum ersten Mal zwei Preisträgerinnen ausgezeichnet würden. Die Preisträger der letzten zehn Jahre – 2003 wurde der Preis vom Kulturforum zum ersten Mal verliehen – haben durch ihre Arbeit den vielgestaltigen Reichtum des kulturellen Erbes im östlichen Europa anschaulich vor Augen geführt. Der Bogen spanne sich von der Denkmalpflege und dem Museumswesen über kirchliche Kulturpolitik, populärwissenschaftliche Dokumentation, Publizistik und Journalistik bis zur schöngeistigen Literatur, Germanistik und Musikkultur.
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Roth unterstrich, dass beide Preisträgerinnen Pionierarbeit geleistet hätten, indem sie ganze Fachbereiche neu erschlossen und aufbauten, die es in dieser Form vorher in ihren Ländern nicht gegeben hatte. Ewa Chojecka habe überhaupt erst ein Verständnis für die Kunst und Kunstgeschichte Oberschlesiens geschaffen. Sie habe dazu beigetragen, dass die Menschen in der Region das kulturelle Erbe als das Eigene annehmen würden. Zusammen mit ihren Schülern sei es ihr gelungen, »[…] das ganze Fach in seinem Facettenreichtum und mit seinen deutschen, polnischen und tschechischen Wurzeln in der Wissenschaft wie in der Öffentlichkeit zu verankern.«
Foto: © Deutsches Kulturforum östliches Europa 2013 • Anke Illing, Berlin
Die Leistung von Irina Tscherkasjanowa skizzierte Roth vor dem Hintergrund der in Russland fast ein halbes Jahrhundert lang stigmatisierten und tabuisierten Geschichte der Russlanddeutschen. Erst nach dem politischen Wandel in den 1980er Jahren habe es die Möglichkeit zur Forschung und Aufarbeitung gegeben. Irina Tscherkasjanowa habe Musemskonzepte und Ausstellungen geschaffen, sei in die Forschung eingestiegen und habe dadurch einen Themenkomplex erarbeitet, »[…] der in der Gesellschaft Russlands bis dahin nahezu vollständig ausgeblendet worden war.« In diesem Zusammenhang verwies Roth darauf, dass sich das Ansiedlungsmanifest der Kaiserin Katharina der Großen zum 250. Mal jährte.
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Ministerialrätin Sabine Deres, die für den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sprach, ging auf die Bedeutung des Preises für den Bereich des Kulturstaatsministers ein. Das Deutsche Kulturforum östliches Europa zeichnet seit zehn Jahren Personen, Initiativen oder Institutionen aus, die sich mit den Traditionen und Interferenzen deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa beschäftigen und dies auf bewahrende und zugleich zukunftsorientierte Weise und im partnerschaftlichen Dialog mit den Nachbarn. Der Preis diene dazu, das Bewusstsein für das gemeinsame kulturelle Erbe im östlichen Europa zu fördern. Auch sie ging auf die besonderen Leistungen der beiden Preisträgerinnen ein.
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Anschließend verlass Sabine Deres die Urkunden und überreichte sie den beiden Preisträgerinnen.
Foto: © Deutsches Kulturforum östliches Europa 2013 • Anke Illing, Berlin
Professor Dethard von Winterfeld würdigte die wissenschaftlichen Leistungen wie auch die erfolgreiche lehrende und vermittelnde Tätigkeit von Ewa Sabina Chojecka vor dem Hintergrund ihrer Biographie, die »im Vergleich zu anderen, an Verwicklungen reichen ostmitteleuropäischen Lebensläufen des 20. Jahrhunderts ungewöhnlich« sei. Als Tochter von Eltern mit deutschen und polnischen Wurzeln und Bezügen in Bietitz/Bielsko-Biała in Oberschlesien geboren, nach eigener Auskunft »gebürtige Schlesierin, der Herkunft nach Posenerin, mit preußischem Realitätssinn und tschechischem Humor«, gelang es ihr, die Kunstgeschichte Oberschlesiens aus der Region heraus zu verstehen und zu beschreiben, als eine Geschichte ethnischer, religiöser und sozialer Vielfalt.
Auch Professor Victor Dönninghaus skizzierte die Lebensgeschichte der Ehrenpreisträgerin, um ihre Forschungsleistung sowie die Schwierigkeiten und die Bedeutung ihrer Arbeit darzulegen. Irina Tscherkasjanowa hatte als Russlanddeutsche noch die Auswirkungen der Verfolgungen und der Tabuisierung deren Geschichte in der eigenen Familie erlebt. Mit der Erforschung und Vermittlung der Geschichte der Deutschen in Omsk, aber vor allem in Strelna bei St. Petersburg hat sie einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der jüngeren Geschichte der Deutschen in der Sowjetunion geleistet.
In ihrer Danksagung wies Ewa Chojecka auf die persönliche Bereicherung hin, die die Auseinandersetzung mit der Geschichte Oberschlesiens für sie brachte. Irina Tscherkasjanowa dankte ihrer Familie, die ihr Halt gegeben habe bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der leidvollen Geschichte der St. Petersburger Deutschen.
Den feierlichen musikalischen Rahmen gestalteten Beni Araki, Klavier, und Martin Seemann, Violincello mit Stücken aus einer Sonate von Franz Xaver Gebel (1787–1843), die beim Publikum großen Anklang fanden. Der in Oberschlesien geborene Komponist arbeitete später in St. Petersburg. Seine Werke sind heute weitgehend vergessen. Das Deutsche Kulturforum östliches Europa wird einige seiner Stücke auf CD herausbringen.
Mit einem Empfang, den die Anwesenden zum Beglückwünschen der Preisträgerinnen, zu anregenden Gesprächen, klang der Abend aus.