Rund 50 Besucher erlebten in der Französischen Kirche in Potsdam eine kontroverse Diskussion über die »Charta der deutschen Heimatvertriebenen«, deren Unterzeichnung sich in diesem Jahr zum 60. Mal jährt.
T. A.
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Kontroverse Diskussion (v.l.n.r.): Helga Hirsch, Sibylle Dreher, Jacqueline Boysen (Moderation) und Robertr Traba. alle Fotos auf dieser Seite:
Helga Hirsch
Sibylle Dreher
Robert Traba
Jacqueline Boysen

Auf dem Podium diskutierten Sibylle Dreher, Helga Hirsch und Robert Traba; es moderierte Jacqueline Boysen

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Der Begriff »Heimat« hat vielerlei Nuancen und Bedeutungen, er ist diskutabel. Zumal dann, wenn es in einer Diskussion um die dramatischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts geht, um Erfahrungen, die mit dem Verlust von Heimat einhergehen. Das zeigte eine Veranstaltung des Deutschen Kulturforums östliches Europa zur »Charta der deutschen Heimatvertriebenen«.

Die »Charta« wurde vor 60 Jahren, im Sommer 1950, von Vertretern unterschiedlicher Landsmannschaften und Vertriebenenorganisationen in der jungen Bundesrepublik unterzeichnet. Der Wortlaut und die Deutung des geschichtlichen Kontextes ihrer Entstehung sorgen bis heute für Kontroversen. Durchaus kontrovers verlief auch die Podiumsdiskussion »Wie übersetzt man Heimat?«, zu der das Kulturforum im Rahmen seiner Reihe »Erinnern und Entdecken« aus Anlass seines zehnjährigen Bestehens eingeladen hatte.

Am 6. Mai sprachen darüber die Publizistin Helga Hirsch, Sibylle Dreher vom Bund der Vertriebenen und der Historiker Robert Traba von der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Die Journalistin Jacqueline Boysen moderierte die Podiumsdiskussion in der Französische Kirche in Potsdam.

Es war eine persönliche Frage, mit der Frau Boysen die Diskussion eröffnete. Die Zugänge zur »Heimat« – etwa über Landschaften, Menschen oder Sprache – veranschaulichten die Bandbreite der Deutungen dieses Begriffs.

Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen gehört, so Helga Hirsch, zu den am wenigsten untersuchten Quellentexten. Sie bietet daher über grundlegende Aussagen hinaus viel Raum für Interpretationen. Wieweit spiegelt sich der zeithistorische Kontext in dem Dokument wider, also die Situation der Vertriebenen in den westlichen Besatzungszonen und in der gerade gegründeten Bundesrepublik? Welche Empfindungen, Ansprüche und Widersprüche verstecken sich hinter einzelnen Formulierungen – etwa dem religiös begründeten Recht auf Heimat oder dem postulierten Verzicht auf Rache? In der Diskussion kamen Fragen auf wie jene nach der Gültigkeit der zentralen Punkte der Charta im heutigen Europa und nach den biographischen Hintergründen der Unterzeichner des Dokuments.

Die Antworten vom Podium wie aus dem Publikum reichten von zustimmender Anerkennung für ein grundlegendes Dokument über die Forderung nach einer Neuformulierung auf heutigem Stand bis hin zur Infragestellung allein schon der Zulässigkeit einzelner Aussagen der Charta – eine anregende, gute Diskussion, die aber noch fortgeführt werden muss.

  • Wie übersetzt man Heimat?

    60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen | Podiumsdiskussion mit Sibylle Dreher, Helga Hirsch und Robert Traba, Moderation: Jacqueline Boysen