Deutsch-ungarische architektonische Beziehungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – Német-magyar építészeti kapcsolatok a 19. század második felében.
Gábor György Papp
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Friedrich August Stüler: Treppenhaus des Palastes der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest Foto
Technische Universität, Budapest (heute Loránd-Eötvös-Universität). Errichtet 1880–1882 von Imre Steindl im Stil der italienischen neorenaissance.
Pfarrkirche in Fót. Errichtet 1845–1855 von Miklós Ybl im Stil des romantischen Historismus
Justizpalast, Budapest (heute Gerichtshof der Stadt Budapest). Entstanden 1888–1891 nach Plänen von Alajos Hauszmann.

Im dritten Stock des Palastes der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest sind zur Zeit – neben den Porträts der Gründer, Stifter und Amtsträger, den romantischen Landschaftsgemälden und den Gelehrtennachlässen – Architekturentwürfe, Studienblätter sowie Zeichnungen von Studenten der Architektur aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu sehen.

Die Ausstellung Aspekte des Historismus versucht die Beziehungen, die zwischen deutschen, vor allem Berliner Budapester Architektem in jenem »langen« 19. Jahrhundert bestanden, zu zeigen. Die Zeit zwischen 1850/60 und 1880/90 war für Budapest und Berlin eine Epoche rasanten Aufschwungs und intensiver Bautätigkeit, an deren Ende anstelle historisch gewachsener Siedlungen mit lokaler Bedeutung zwei moderne Großstädte standen. Die Voraussetzung für die Rolle, die Budapest und Berlin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirtschaftlich und kulturell spielten, wurde durch die synchron laufende Bautätigkeit in den Jahrzehnten zuvor geschaffen.

Die Ausstellung zeigt die Spuren dieser mit einander verbundenen Geschichte in fünf ineinander übergehenden Sälen. Der Ort der Ausstellung selbst ist ein wichtiges Beispiel für diese Beziehung. Der Palast der Ungarischen Akademie der Wissenschaften wurde nach Plänen des Berliner Architekten Friedrich August Stüler, Professor der Bauakademie und Schöpfer mehrerer Berliner Gebäude – wie des Neuen Museums und der Alten Nationalgalerie – errichtet. Eine Büste des Architekten ist in der Ausstellung zu sehen. Der Palast ist das erste Gebäude im Stil der Berliner Neorenaissance in Ungarn und in gewissem Sinne Vorlage und Beispiel für spätere Gebäude in diesem Stil.

Budapest ist in der glücklichen Lage, dass das Stadtbild und innerhalb dessen die charakteristischen Gebäude, die die Stadt damals mit Berlin verbanden, weitgehend unbeschädigt erhalten geblieben sind. Deswegen können wir fast behaupten, daß die Berliner Architektur des Historismus in Budapest gut zu untersuchen ist.

Im ersten Raum der Ausstellung sind heutige Fotos von Budapester Gebäuden des Historistismus zu sehen.

Anschließend werden die Zuschauer zu einer Zeitreise eingeladen. Sie beginnt in Pest des 19. Jahrhunderts – zu sehen sind zeitgenössische Fotos, Aquarelle und Originalpläne von bedeutenden Gebäuden. Dazu gehört das heutige Universitätsgebäude von ELTE, das einstige Pester Polytechnikum (der Vorläufer der jetzigen TU Budapest), die damalige Hochburg der Architektenbildung in Pest.

Im folgenden Raum stellen fünfzehn Fotos heutige Ansichten historistischer Bauwerke und mehrere zeitgenössische Darstellungen die einstige preussische und später deutsche Hauptstadt vor. In dieser Stadt studierten zahlreiche ungarische Studenten, die sich in vielen Fällen den dortigen Baustil aneigneten.

Es ist ein großes Glück, dass sich eine große Anzahl von Zeichnungen erhalten haben, die in Berlin von später bedeutenden ungarische Architekten angefertigt wurden, die in der preussischen Hauptstadt ihr Studium absolvierten. Die meisten dieser Zeichnungen wurden erst in den letzten Jahren wieder entdeckt. So können wir die Erstlingsarbeiten von Antal Szkalnitzky, Alajos Hauszmann, Gyula Pártos, Ignác Alpár und Géza Györgyi ausstellen.. Ein Teil von diesen Zeichnungen werden in ungarischen öffentlichen Sammlungen, andere in der Architektursammlung der Technischen Universität Berlin bewahrt. Letztliche sind in der Ausstellung in einer digitalen Präsentation zu sehen. Die skizzierte Zeitreise endet mit Plänen von Gebäuden, die von aus Berlin zurückkehrten Architekten unter Anwendungen der dort erworbenen Kenntnissen entworfen wurden. Dieser Teil der Ausstellung zeigt uns, wie der einst strenge, Berliner Manier genannte Stil allmählich mit anderen Elementen der Architektur des Historismus in Ungarn verschmolz und zu einen Teil von ihr wurde.

In der Ausstellung werden verschiedene Publikationen angeboten: Ein zweisprachiges Katalogbuch, das zur Ausstellung entstand und sich als Kunstführer zur Betrachtung des Historismus in Budapest eignet (herausgegeben vom Deutschen Kulturforum östliches Europa in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Kunstgeschichte der Ungarischen Akademie der Wissenachaften) sowie der Katalog zu einer früheren Ausstellung über den Palast der Ungarischen Akademie der Wissenschften und ein kleines Heft über das Gebäude allgemein.

Veranstalter der Ausstellung: Forschungsinstitut für Kunstgeschichte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Gábor György Papp) und Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam (Claudia Tutsch und Wolfgang Rackebrandt).

Ort der Ausstellung: Kunstsammlung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (Bp. 1051, Roosevelt tér 9. III. Stock)

Geöffnet: ab 18. September bis 15. Oktober, an Werktagen zwischen 11 und 16 Uhr