Kolloquium zu Ferdinand von Quast (1807��-1877), dem ersten Staatskonservator von Preußen, anlässlich seines 200. Geburtstags
Claudia Tutsch
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Katalog zur Ausstellung anlässlich des 200. Geburtstags von Ferdinand von Quast: Ermländische Ansichten. Ferdinand von Quast und die Anfänge der Denkmalpflege in Preußen und Ermland. Widoki z Warmii. Ferdynand von Quast i początki konserwatorstwa zabytków

Ausgerichtet vom Landesdenkmalamt Berlin (Prof. Dr. Jörg Haspel), dem Schinkelzentrum für Architektur (Dr.-Ing. Ulrike Laible), Stadtforschung und Denkmalpflege und dem Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek (Dr. Hans-Dieter Nägelke) am 25. Juni 2007 im Berliner Rathaus unter der Schirmherrschaft der Chefin der Senatskanzlei Berlin, Frau Staatssekretärin Barbara Kisseler

In ihrer Begrüßung stellte die Senatssekretärin Barbara Kisseler Bezüge zwischen Ferdinand von Quast und dem Ort der Veranstaltung her – Quast hatte sich beim Neubau des Rathauses für den Erhalt der mittelalterlichen Rathauslaube eingesetzt. Mit der Frage nach der Haltung Quasts zur Wiederherstellung des Berliner Staatschlosses schlug sie einen Bogen zur heutigen Denkmalpflege. Im Anschluss führten die Organisatoren des Kolloquiums in die Thematik der Tagung ein. Ulrike Laible ging auf die Person von Quast ein, seine vielfältigen Tätigkeiten und Interessen sowie die Aktualität seine Grundsätze. Hans-Dieter Nägelke verwies auf den Bestand der Zeichnungen und Aufzeichnungen von Quast in der Sammlung des Architekturmuseums, der vor dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Teil der Sammlung war. Prof. Jörg Haspel skizzierte die geografischen Dimensionen, die Quast als preußischer Denkmalpfleger zu bewältigen hatte. Um die Geschichte der frühen Denkmalpflege nutzbringend für die Gegenwart zu machen, regte er deren kontinuierliche Erforschung und Dokumentierung an.

Das Kolloquium war in drei Sektionen unterteilt: Ferdinand von Quast – sein Nachlass und seine Erbschaft, Ferdinand von Quast und die Anfänge der staatlichen Denkmalpflege und Ferdinand von Quast – Denkmale der Denkmalpflege in Berlin.

Im ersten Vortrag stellte Hans Dieter Nägelke das Architekturmuseum der TU Berlin und den Nachlass von Ferdinand von Quast vor. Das Museum wurde 1886 von Julius Raschdorff, Professor an der damaligen Technischen Hochschule, im Südflügel des Hauptgebäudes der Hochschule eingerichtet. In den 1890er Jahren umfasste die Sammlung gut 16.000 Zeichnungen und repräsentierte die preußische Baugeschichte. Für Raschdorf war die Sammlung Teil der Lehre. Mehr als ein Drittel der Zeichnungen stammte aus dem Nachlass von Quast. Anfang der 1930er Jahre wurden Teile des Nachlasses – für die Denkmalpflege relevante Darstellungen – bearbeitet. Allerdings wurde gerade dieser Teil während des Zweiten Weltkriegs nach Schlesien ausgelagert und ist seitdem verschollen. Der Nachlass umfasst neben eigenständigen Zeichnungen auch Pausen berühmter Bauwerke aus Publikationen. Die Sammlung von Quast im Architekturmuseum der TU ist im Internet zugänglich.

Gerd H. Zucholds (Berlin) Vortrag hatte die Edition des Nachlasses Ferdinand von Quasts zum Thema. Der Nachlass besteht aus den Tagebüchern, Notizbüchern und Verschiedenem. Die Tagebücher in der Sammlung in der TU sind keine Originale, sondern Abschriften, zum Teil nur Auszüge, die die Denkmalpflege betreffen. Die Originale wurden im letzten Krieg vernichtet. Tagebücher wie Notizbücher sind wegen der schlechten Schrift und den vielen Abkürzungen schwer zu lesen.

Ursula Quednau (Münster) ging in ihrem Vortrag auf Ferdinand von Quast und den Beginn der Denkmalerfassung in Preußen ein. Zur Erfassung der Denkmäler in den preußischen Provinzen hatte Ferdinand von Quast ein Formular entwickelt, das gebildete Männer (Pfarrer, Lehrer) vor Ort ausfüllen sollten. Es ging zunächst um die rein administrative Erfassung der Denkmäler. Im Vordergrund standen Kirchen, Schlösser und Burgen, bei denen auch die Ausstattung und Kleinobjekte wie Brunnen, freistehende Plastiken etc. aufgelistet werden sollte. Das Formular sollte eine möglichst hohe Vollständigkeit und Vereinheitlichung gewährleisten. Der Probelauf fand in Münster und Königsberg statt. Die Unterlagen in Münster sind noch vorhanden. Der Aufbau des Formulars war zukunftsweisend für die Erfassung von Denkmälern. Allerdings ließ sich eine Inventarisierung in der geplanten Weise mangels Fachleute in der Praxis nicht durchführen.

Die zweite Sektion begann mit dem Vortrag von Christopher Herrmann (Olsztyn/Allenstein) über Ferdinand von Quast und die Anfänge der Denkmalpflege in Preußen und im Ermland. Ferdinand von Quast bereiste in den Sommermonaten die preußischen Provinzen, führte vor Ort Begutachtungen durch und zog Erkundigungen ein. In seinen Reisenotizbüchern erfasste er 75 Orte in Ost- und Westpreußen, meist Kleinstädte und Dörfer. Neben Beschreibungen hielt er Details von Konstruktionen oder Dekorationsformen in kleinen Skizzen fest. Quast war ein hervorragender Zeichner, der neben der genauen Wiedergabe von Gebäuden auch die Stimmung des Ortes erfasste. Von Gebäuden, die ihm besonders wichtig waren verfertigte er Aquarelle während der Wintermonate. Ferdinand von Quast leitet keine großen Restaurierungsmaßnahmen in Ost- und Westpreußen, aber er versuchte unangemessene Restaurierungsmaßnahmen zu unterbinden. Der Band zu den Baudenkmälern im Ermland erschien als einziger der geplanten Reihe Denkmale der Baukunst. Mit dieser Schrift wandte sich Quast an eine interessierte Öffentlichkeit, weniger an Fachleute.

Jan Werquet (Trier/Berlin) stellte am Beispiel der Trierer Basilika, dem prominentesten Beispiel preußischer Denkmalpflege im Rheinland, Ferdinand von Quasts Haltung zu denkmalpflegerischen Maßnahmen dar. An Hand der Untersuchungen des antiken Bauwerks durch Christian Wilhelm Schmidt entstand ein Wiederherstellungsplan des Gebäudes, das anschließend als evangelische Kirche genutzt werden sollte. 1854 war der Außenbau vollendet. Er bot eine in sich geschlossene Erscheinung, aber auf Kosten antiker und mittelalterlicher Bausubstanz. Quast, der gegen diese radikale Lösung war, wurde bei der Ausführung übergangen. Die Innenausstattung erfolgte nach Plänen von Friedrich August Stüler. In seinen Entwürfen verknüpfte er in Anlehnung an Schinkel eine antike (Gerichts-) Basilika mit dem zeitgenössischen Kirchenbau. Dadurch wurde der Bau aus seiner eigenen Historie herausgelöst und in eine geschichtliche Hypothese überführt. Quast dagegen wollte mit seinem Konzept die historische Kontinuität bewahren. Mit diesen Gedanken war er seiner Zeit voraus.

Michael Wozniak (Toruń/Thorn) stellte Ferdinand von Quasts und die preußische Denkmalpflege am Beispiel der Welterbestätten Toruń/Thorn vor. Thorn und die Marienburg wurden zur gleichen Zeit auf die Liste des Welterbes gesetzt. Die Marienburg als Beispiel mittelalterlicher Architektur und das Denkmal für die Denkmalpflege seit dem 19. Jahrhundert. Quast besuchte Marienburg bereits 1844. Er setzte sich mit den Restaurierungsmaßnahmen auseinander und versuchte Einfluss zu nehmen. So wandte er sich gegen die Verwendung neugotischer Elemente und verhinderte den Abriss der Vortürme wegen des Baus der Eisenbahn. Als gelungen bezeichnet Quast die Instandsetzung Hochmeisterwohnung. Sein Aufsatz von 1850 bietet eine wichtige Schilderung der Marienburg. Seine Darstellung Thorns im Mittelalter erschien 1885 im 1. Band der Reihe Baukunst im Mittelalter.

Eva Börsch-Supan (Berlin) stellte das Zusammenwirken von Ferdinand von Quast und Friedrich August Stüler im Bezug auf die Denkmalpflege dar. Von Quast war der erste Denkmalpfleger in Preußen. Er hatte nur gutachtliche Befugnisse und keinen eigenen Etat. Alle Versuche, die Stellung eines Konservators zu stärken scheiterten. Quast stand an der Spitze der baugeschichtlichen Erforschung des Mittelalters seiner Zeit. Er vertrat die Auffassung, dass spätere Zutaten an einem historischen Bau nur dann entfernt werden sollten, wenn etwas älteres dadurch verdeckt würde. Aber auch dann sollten sie an anderer Stelle erhalten werden. Quast und Stüler vertraten in vieler Hinsicht ähnliche Ansichten. Stüler war in der praktischen Arbeit kompromissbereiter als Quast. Er prägte die Denkmalpflege im Kirchenbau unter Friedrich Wilhelm IV.

Stephan Breitling (Bamberg) legte am Beispiel der Franziskaner-Klosterkirche in Berlin den Umgang mit historischen Bauwerken im 19. Jahrhundert dar. Verschläge zur Veränderung der Ende des 13. Jahrhunderts errichteten Kirche reichen bis Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Nachdem die Petrikirche 1809 niedergebrannt war, sollte um einen teuren Neubau zu vermeiden die ehemalige Klosterkirche die Funktion als Gemeindekirche übernehmen. Ein Entwurf Schinkels für deren Umbau, der dem Wunsch des Königs, die Kirche als Grablege der Könige (war markgräfliche Grablege) aufzuwerten, entsprach, wurde nicht realisiert. Quast schuf ein komplettes ikonographisches Programm, dass von dem Gegebenen ausging und es weiterführte. Dieses Konzept brachte Quast die Stelle als erster Denkmalpfleger in Preußen ein.

Bei Restaurierungsmaßnahmen der Jahre 1926 bis 1937 wurden viele der denkmalpflegerischen Maßnahmen des 19. Jahrhunderts zurückgebaut. Die Franziskaner-Klosterkirche ist seit dem Zweiten Weltkrieg eine Ruine.

Wilhelm Fuchs (Berlin) stellte die Erweiterung der Dorfkirche von Pankow im 19. Jahrhundert vor. Nachdem Pankow Ende des 18. Jahrhunderts zum bevorzugten Sommeraufenthalt wohlhabender Berliner wurde, war die Dorfkirche aus dem 15. Jahrhundert für den Gottesdienst zu klein. Friedrich Wilhelm IV. entschied, die Kirche zu erhalten. 1858/59 wurde der Bau nach Plänen von Friedrich August Stüler durch ein neugotisches dreischiffiges Hallenlanghaus nach Westen erweitert. Zwischen der alten Kirche, die jetzt als Chor diente und dem breiteren Neubau vermitteln zwei flankierende schlanke Türme. Fuchs ging auf den Umgang mit der historischen Bausubstanz beim Erweiterungsbau ein und auf die heutigen denkmalspflegerischen Maßnahmen ein.

Am Abend fand die feierliche Verleihung der Ferdinand-von-Quast-Medaille 2007 an den Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin statt. Die Festansprache von Prof. Dr. Ernst Badstübner hatte Ferdinand von Quast – sein Beitrag zur historischen Prinzipienbildung in der Denkmalpflege und die Konservatorenpraxis heute zum Thema.

Anlässlich des 200. Geburtstages fanden bereits am 22. und 23. Juni die Eröffnung der Ausstellung Ermländische Ansichten. Ferdinand von Quast und die Anfänge der Denkmalpflege in Preußen und Ermland, im Museum der Stadt Neuruppin und ein Symposium statt.