Das Schlagwort »polnische Wirtschaft« gehört zum Erbe jener negativen Bilder, die bis heute das Verhältnis der Deutschen und Polen belasten. Noch in den achtziger Jahren wurde die Redewendung in einem Wörterbuch der deutschen Umgangssprache als Synonym für eine »unvorstellbare Unordnung« aufgeführt. Das negative Stereotyp droht, unseren Blick auf die Dynamik der aktuellen Entwicklung jenseits von Oder und Neiße zu verstellen.
Die Wurzeln der Formel »polnische Wirtschaft« reichen bis in das 18. Jahrhundert zurück. Im 19. Jahrhundert avancierte das Schlagwort zu einem zentralen Baustein des negativen Polenbildes der Deutschen in Preußen und im Kaiserreich. »Polnische Wirtschaft« war zunächst eine Kurzformel zur Beschreibung der als »rückständig« empfundenen polnischen Wahlmonarchie und Adelsgesellschaft. Politische Brisanz erhielt der Begriff im Zeitalter der Teilungen Polens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die Tilgung des Landes von der politischen Landkarte Europas wurde in Preußen nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die angeblich chaotischen und ineffektiven politischen Verhältnisse in Polen begründet. Seine unrühmliche Fortsetzung fand diese Argumentation in Hitlers »Danziger Rede« vom 19. September 1939, in der er versuchte, den Überfall der Wehrmacht auf das Nachbarland zu rechtfertigen.
In seinem Vortrag beleuchtet Prof. Orłowski die Geschichte des Schlagwortes »Polnische Wirtschaft« und geht insbesondere auf dessen Verwendung im 20. Jahrhundert ein.
Prof. Dr. Hubert Orłowski ist Professor an der Adam-Mickiewicz-Universität zu Posen/Poznań, Mitarbeiter am Instytut Zachodni (Westinstitut) und korrespondierendes Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Der Germanist gilt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der historischen Stereotypen-Forschung in den deutsch-polnischen Beziehungen. 1996 erschien vom ihm in deutscher Sprache die Monographie Polnische Wirtschaft. Zum deutschen Polendiskurs der Neuzeit.
Prof. Dr. Hubert Orłowski, Adam-Mickiewicz-Universität zu Posen/Poznán, hielt diesen Vortrag zum Auftakt der Tagung Stereotyp und Geschichtsmythos in Kunst und Sprache des Deutschen Kulturforums am 16. Januar 2003 im Alten Rathaus in Potsdam. Das Vortragsmanuskript finden Sie als PDF-Datrei am Fuß dieser Seite.