CD-Ersteinspielung
Klaus Harer
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Edwin Geist, um 1940
Aidas Strimaitis und Peter Schöne
Verena Rein, Laura Jurgelionytė, Axel Bauni
Axel Bauni, Verena Rein
v.l.n.r.: Aidas Strimaitis, Axel Bauni, Mindaugas Bačkus

Erscheinungsdatum voraussichtlich Sommer 2007

Die Lebensgeschichte des 1902 in Berlin geborenen Komponisten ist mehr als rätselhaft. Nur über seine letzten Jahre im litauischen Exil, das Leben im Ghetto und seine Ermordung durch die Gestapo am 10. Dezember 1942 in Kaunas wissen wir dank der in jüngster Zeit von Reinhard Kaiser angestellten Forschungen etwas mehr. In seinem höchst lesenswerten Buch Unerhörte Rettung. Die Suche nach Edwin Geist (Frankfurt a. M.: Schöffling & Co., 2004) hat Kaiser alles das zusammengetragen, was heute über die Person dieses völlig vergessenen Komponisten zu ermitteln war.

Über die musikalische Ausbildung Geists ist bisher nichts bekannt. In der Spielzeit 1924/25 arbeitete er als Korrepetitor an den Städtischen Bühnen Stettin; in der Spielzeit 1928/29 war er Kapellmeister am Zürcher Schauspielhaus, danach lebte er wieder in Berlin. Nachdem ihm als »Halbjude« 1937 Berufsverbot erteilt worden war, gelang Geist 1938 die Flucht nach Kaunas, die damalige Hauptstadt Litauens. Dort heiratete er im Sommer 1939 die jüdische Pianistin Lyda Bagriansky.

Nach der Okkupation Litauens durch deutsche Truppen im Sommer 1941 wurde Edwin Geist mit seiner Ehefrau im Ghetto von Kaunas interniert. Ende März 1942 gelang es ihm, da er »Halbarier« war, für einige Monate aus dem Ghetto frei zu kommen. Geist bemühte sich in aufreibenden Verhandlungen mit den örtlichen Nazi-Größen, auch seine Frau zu befreien. Die Erlebnisse dieser Zeit hielt er in seinem erschütternden Tagebuch für Lyda (als Buch im litauischen Verlag Baltos Iankos 2002 erschienen) fest. Im August 1942 erreichte er tatsächlich die Entlassung Lydas aus dem Ghetto. Einige Monate später wurde Geist von der Gestapo verhaftet und am 10. Dezember 1942 im Neunten Fort in Kaunas erschossen. Seine Frau nahm sich kurz darauf das Leben. Die Notenmanuskripte Geists wurden von litauischen Freunden aus der versiegelten Wohnung entwendet und werden heute von dem Dirigenten Juozas Domarkas aufbewahrt, der sich bereits seit den 1970er Jahren um eine Wiederentdeckung der Musik Geists bemühte. 1973 organisierte er Konzerte in Vilnius und Kaunas mit Chor- und Orchesterwerken Geists. 2002, hundert Jahre nach Geists Geburt und sechzig Jahre nach seiner Ermordung, wurde Edwin Geists Musikschauspiel Die Heimkehr des Dionysos am Russischen Theater in Vilnius uraufgeführt.

Das Deutsche Kulturforum östliches Europa hat nun im Juli 2006 erstmals das schmale Oeuvre Geists für Kammerbesetzung in einem deutsch-litauischen Projekt eingespielt. Es sind Lieder für Sopran mit Klavier- bzw. Streicherbegleitung, Lieder für Bariton und Violine sowie ein Stück für Klaviertrio. An der Aufnahme der zwischen 1928 und 1942 entstandenen Werke waren Verena Rein (Sopran), Peter Schöne (Bariton) und Axel Bauni (Klavier) sowie Mitglieder des Chordos-Quartetts (Vilnius) beteiligt. Die Aufnahmeleitung im neuen Konzertsaal in Klaipėda (Litauen) hatte die Tonmeisterin Laura Jurgelionytė vom Tonstudio »Studija Aurea«) (Vilnius).

Audio-CD in Vorbereitung:

Edwin Geist - Kammermusik und Lieder (Ersteinspielung)

»Ich finde dich in allen diesen Dingen« (Rainer Maria Rilke), für Sopran und Klavier [Berlin 1936]

Der seltsame Abend (Hugo Salus), für Sopran und Streichtrio [Berlin 1933]

Drei Lieder für Violine und Bariton [Zürich 1928]
[1] Tagesanbruch (Gustav Falke)
[2] Abbild (Peter Hille)
[3] Durch die Nacht (Richard Dehmel)

»Kosmischer Frühling« aus der Tanzpantomime (Mysterienspiel) „Das Tanzlegendchen“ – frei nach Gottfried Keller. Für Violine, Violoncello und Klavier [Kaunas 1942]

Drei litauische Lieder auf Gedichte von Benediktas Rutkunas (dt. von H. Engert) für Sopran und Klavier [Kaunas 1939-1940]
[1] Schwerer Abend. Nach einer Sutartine
[2] Seeballade
[3] Dynamik des Frühlings

Ausführende

Verena Rein, Sopran
Peter Schöne, Bariton
Axel Bauni, Klavier

Mitglieder des Chordos-Quartetts (Vilnius):
Aidas Strimaitis, Violine
Robertas Bliškevičius, Viola
Mindaugas Bačkus, Violoncello

Aufnahme: Neuer Konzertsaal, Klaipėda (Litauen), 19.–20. Juli 2006
Aufnahmeleitung: Laura Jurgelionytė (Studija Aurea, Vilnius)
Produktion: Deutsches Kulturforum östliches Europa e.V., Klaus Harer