Leipziger Studenten besuchen Niederschlesien
Michael Parak, Kulturreferent am Schlesischen Museum zu Görlitz
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Die Studentengruppe in Agnetendorf Foto
Die Friedenskirche in Schweidnitz Foto
Schloss Muhrau Foto

Besondere Orte für den Abschluss eines Seminars suchten sich Geschichtsstudenten der Universität Leipzig aus: Das Schlesische Museum zu Görlitz, das Gerhart-Hauptmann-Haus in Agnetendorf/Jagniątków, die Friedenskirche in Schweidnitz/Świdnica sowie die St. Hedwig-Stiftung in Muhrau/Morawa bei Striegau/Strzegom waren die Stationen einer dreitägigen Reise nach Niederschlesien vom 18. bis 20. Januar 2006.

Im Wintersemester 2005/2006 beschäftigten sich die Studenten unter Leitung ihrer ebenfalls noch recht jungen Dozenten Beatrix Kuchta und Ulf Morgenstern mit der Geschichte Schlesiens im 19. und 20. Jahrhundert. Unterstützung fanden sie dabei von Dr. Michael Parak, dem Kulturreferenten für Schlesien, der gezielt jungen Erwachsenen die Kultur und Geschichte Schlesiens nahe bringen will. Dazu gehört natürlich auch ein Besuch bei Land und Leuten.

Im Schlesischen Museum zu Görlitz diskutierten die Studenten über Flucht und Vertreibung, die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Bundesrepublik und DDR sowie die polnische Neubesiedlung Schlesiens nach 1945. Ihre Referate verdeutlichten, dass sich die angehenden Historiker schon gut mit dieser komplexen Thematik auskennen und sie es verstehen, ein differenziertes Urteil zu fällen.

Neben der Wissensvermittlung standen aber auch praktische Dinge auf der Tagesordnung. Die Studenten stellten sehr schnell fest, dass auf dem Weg über die Stadtbrücken nach Zgorzelec, wo sie im Dom turysty untergebracht waren, die ein oder andere Kneipe zu finden ist, wo man deutsches und polnisches Bier genießen kann.

Bei einer Exkursion ins polnische Niederschlesien ging es vor allem um Perspektiven der deutsch-polnischen Zusammenarbeit. Das winterlich eingeschneite Gerhart-Hauptmann-Haus in Agnetendorf/Jagniątków beeindruckte – leider auch durch die Kälte. Der aus Deutschland dorthin entsendete Kulturmanager Oliver Kociolek bot nicht nur einen spannenden Überblick über das Leben des schlesischen Nobelpreisträgers, auch über Arbeitsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen in Polen wurde informiert.

Keine Schlesienreise sollte ohne einen Besuch der Friedenskirchen in Schweidnitz/Świdnica oder Jawor/Jauer auskommen. Eigens für die Leipziger Studentengruppe wurde in Schweidnitz/Świdnica eine kleine Führung durch die Fachwerkkirche organisiert, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde.

Schließlich hatten die Studenten noch die Gelegenheit ein Stück gelebtes Europa in der niederschlesischen Provinz kennen zu lernen. Im unweit von Schweidnitz/Świdnica gelegenen Schloss Muhrau/Morawa ist nämlich eine deutsch-polnische Begegnungsstätte eingerichtet. Die Besondertheit der St-Hedwigs-Stiftung ist, dass sie auf die Initiative der Familie der ehemaligen Besitzer zurückgeht. Heute wohnt die 79-jährige Melitta Sallai, geborene von Weitersheim-Kramsta, wieder an dem Ort, wo sie geboren wurde und aufwuchs. Allerdings als deutsche und polnische Staatsbürgerin, die für sich aber einen Europa-Pass als angemessener empfinden würde.

Ein karikativer Kindergarten der Stiftung steht Kindern aus sozial schlecht gestellten Familien aus Muhrau/Morawa und Striegau/Strzegom offen. Sallai erzählt, dass erst die Anlieferung der kleinen Toilettenschüsseln für den Kindergarten die letzen Bedenken der polnischen Einwohner zerstreuen konnten. Nun war wirklich klar, dass im ehemaligen Schloss eine zukunftsweisende Zusammenarbeit von Deutschen und Polen stattfinden würde.

In einem anregenden Gespräch spannte Frau Sallai einen Bogen von ihrer Kindheit, über Flucht und Vertreibung und ihrem Leben in Angola, wo sie einen ungarischen Diplomaten heiratete, bis heute. So erlebten die Studenten am Kaminfeuer eine Reise durch die schlesische Geschichte in herzlicher Atmosphäre. Ihr Resümee viel deshalb auch eindeutig aus: Sie wollen wiederkommen und sich weiterhin mit Schlesien auseinandersetzen.