Das Deutsche Kulturforum östliches Europa zeigt sensationelle neu entdeckte Zeichnungen von der Polen-Reise des Pfalzgrafen Ottheinrich in den Jahren 1536/37
Thomas Schulz
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Breslau (Ausschnitt)
Glatz (Ausschnitt)
Liegnitz (Ausschnitt)
Übergabe des Bandes in Brieg
Stanisław Huskowski, Präsident von Breslau, und Thomas Schulz, Mitarbeiter des Deutschen Kulturforums östliches Europa
Die Camerata Cracovia aus Krakau spielte Renaissancelieder im Schloß von Brieg.
Die Präsentation der Reisebilder stieß auf reges Interesse bei den polnischen Medien.
Publikum bei der Übergabe des Faksimile-Bandes in Oppeln. In der ersten Reihe links Angelika Marsch, die Herausgeberin des Bandes, neben ihr Frau Dr. Hanna Nogossek, Direktorin des Deutschen Kulturforums.

Feierliche Übergabe eines Faksimile-Bandes mit mitteleuropäischen Stadtansichten an die Museen der dort abgebildeten schlesischen Orte (Liegnitz/Legnica, Glatz/Kłodzko, Neisse/Nysa, Breslau/Wrocław, Brieg/Brzeg, Oppeln/Opole und Beuthen/Bytom).

Pfalzgraf Ottheinrich, der spätere Kurfürst von Heidelberg, reiste 1536 von Neuburg a. d. Donau nach Krakau, um den 1475 auf 32.000 ungarische Gulden ausgestellten Schuldschein der nicht ausgezahlten Mitgift seiner Großmutter, der polnischen Prinzessin Hedwig, einzulösen. Den Rückweg von Krakau nahm Ottheinrich, über Berlin, um dort Kurfürst Joachim II. aufzusuchen. Zum Gefolge Ottheinrichs gehörte auch ein Zeichner, der die Aufgabe hatte, die einzelnen Städte dieser etwa 2.000 km langen Reiseroute in Bildern festzuhalten.

Erst 1991 wurden diese Ansichten in der Universitätsbibliothek Würzburg von Angelika Marsch entdeckt und konnten von ihr im vergangenen Jahr als Faksimile mit einem umfangreichen Kommentarband herausgegeben werden. Dieses Buch ist das Ergebnis der jahrelangen Arbeit deutscher, polnischer und tschechischer Wissenschaftler.

Betrachtet man die Bilder von Ottheinrichs Reise, muss man sich vergegenwärtigen, dass Künstler erst zum Ende des 15. Jahrhunderts hin anfingen, Stadtansichten und Landschaften in natura zu malen. Früheste Beispiele sind Aquarelle von Albrecht Dürers Italienreise (1494/95). Im Unterschied zur Dokumentation der Reise Ottheinrichs handelte es sich hierbei jedoch nur um einzelne Bilder. Im Mittelalter beschränkte sich die Tätigkeit der Künstler auf religiöse Motive und die Arbeit im Atelier. Daher finden wir die ältesten Ansichten von Breslau und Neisse erst in der Schedelschen Weltchronik aus dem Jahre 1493. Aber anders bei den Zeichnungen von der Reise Ottheinrichs hatte Schedel die von ihm dargestellten Städte sehr vereinfacht – auf den Zeichnungen sind lediglich nebeneinander gestellte wichtigste Gebäude zu sehen, ohne jegliche Einzelheiten. Deshalb sind die in Würzburg gefundenen Bilder künstlerisch und historisch sehr wertvolle Dokumente. Sie lassen den Betrachter ein vergessenes Kapitel der Entwicklung europäischer Städte aufschlagen und wurden mit ihrer Entdeckung und Publikation zu einer wichtigen Ergänzung der Kunst- und Kulturgeschichte in Deutschland, Polen sowie Tschechien. Deshalb beschloss das Deutsche Kulturforum, mehrere Exemplare des Bandes den auf den Ansichten verewigten Städten bzw. ihren Museen zu überreichen.

466 Jahre ist es jetzt her, dass Ottheinrich mit einem Tross von mindestens 40 Reitern seine Reise nach Krakau und Berlin unternahm. Im Juni dieses Jahres machte sich nun erneut ein „Tross“ auf den Weg nach Schlesien, im Gepäck die im Nachdruck vorliegenden Früchte der Fürstenreise. Er überbrachte jeweils ein Exemplar der Faksimileedition von Ottheinrichs Reisebildern an die folgenden Museen: Liegnitz/Legnica (Muzeum Miedzi, 18. Juni), Glatz/Kłodzko (Muzeum Ziemi Kłodzkiej, 20. Juni), Neisse/Nysa (Muzeum w Nysie, 22. Juni), Breslau/Wrocław (Muzeum Miasta Wrocławia, 24 Juni), Brieg/Brzeg (Muzeum Piastów Śląskich, 26. Juni), Oppeln/Opole (Muzeum Diecezjalne, 28. Juni) und in Beuthen/Bytom (Muzeum Górnośląskie, 30. Juni) jeweils ein Exemplar der Faksimileedition von Ottheinrichs Reisebildern. Mit der Übergabe waren auch eine Präsentation ausgewählter Bilder und Vorträge über ihre Entstehungsgeschichte sowie ihre Bedeutung für die jeweilige Stadt verbunden.

Die erste Station der Reise war Liegnitz. Das Niederschlesische Museum, das bis 1945 auch für die Stadtgeschichte von Liegnitz zuständig war, gibt es nicht mehr. Stattdessen wurde in der Stadt Liegnitz, in deren Nähe Kupfererze abgebaut werden, vor vierzig Jahren das Kupfermuseum gegründet. Dieses Museum befasst sich mit der Kulturgeschichte des Kupfers und ist auch für die Stadtgeschichte von Liegnitz zuständig. Es ist kennzeichnend für die Situation im heutigen Schlesien, das der Bereich Stadtgeschichte in den Museen nur sehr schwach dokumentiert wird. Viele Exponate, die nach dem letzten Krieg in den Museen Schlesiens zu der Thematik erhalten geblieben waren, mussten 1945 nach Warschau abgegeben werden, wo sie sich auch heute noch befinden. Es gehörte zur Politik der Nachkriegsjahrzehnte, die deutsche Geschichte zu ignorieren. Doch jetzt ist hier eine Generation herangewachsen, die sich mit diesem Land identifiziert, die sich als Schlesier fühlt, die wissbegierig ist, mehr über das zu erfahren, was auch sie als gemeinsames Kulturerbe ansehen. Das spiegelt sich in den zahlreichen in den Buchhandlungen ausliegenden polnischen Veröffentlichungen zur Stadt- und Landesgeschichte aus jüngster Zeit wider und es zeigte sich auch durch die geradezu überwältigende Resonanz, die die Präsentation der Bilder Ottheinrichs bei allen Veranstaltungen in den aufgeführten Museen erlebte.

Die Präsentation der Ottheinrich-Reisebilder wurde in Neisse vom Museum mit alten Ansichten und Plänen der Stadt aus den eigenen Beständen ergänzt, in Brieg wurde die Übergabe des Faksimiles als Anlass für die Eröffnung einer Ausstellung Brieger Panoramen genommen. In Breslau fand die Veranstaltung im alten Rathaus statt, das wohl als das schönste Rathaus Europas gelten kann und das sicher Ottheinrichs große Bewunderung fand, als er Ende Januar 1537 in dieser Stadt weilte. An diesem historischen Ort wurde nicht nur dem Direktor Dr. Maciej Łagiewski die Edition der Reisebilder für das Museum übergeben, sondern auch Stanisław Huskowski, dem Präsidenten von Breslau, die Vedute von Breslau.

In Liegnitz und im Diözesanmuseum in Oppeln wurden die Veranstaltungen durch Darbietungen der Schüler der Musikschule musikalisch ergänzt. Einen besonders schönen Rahmen bot das Schloss in Brieg. In diesem Schloss wird Ottheinrich auch gewohnt haben, als er von Oppeln kommend die Hohe Straße entlang Richtung Breslau ritt. Doch war es damals noch ein gotischer Bau. Erst wenige Jahre nach Ottheinrichs Aufenthalt erfolgte der Umbau zum prächtigen Renaissanceschloss. Der Direktor des Museums, Paweł Kozerski, hatte für die Veranstaltung, bei der u.a. der Vizemarschall der Woiwodschaft Oppeln, Dr. Norbert Lysek, wie auch weitere Persönlichkeiten der Stadt und Woiwodschaft Oppeln und aus Breslau anwesend waren, die Camerata Cracovia aus Krakau engagiert. So erklangen zur Laute Renaissancelieder wie einst am Hofe Ottheinrichs. Denn Ottheinrich war nicht nur ein begeisterter Bibliophiler des 16. Jahrhunderts, sondern auch ein großer Musikliebhaber, der in Neuburg a. d. Donau eine bedeutende Hofkapelle unterhielt.

Die letzte Station der Reise auf den Spuren Ottheinrichs war Beuthen in Oberschlesien. Hier hatte Ottheinrich vom 21. zum 22. Dezember 1536 übernachtet, bevor er bei Bedzin über die Grenze nach Polen ritt. Zur Präsentation der Ausstellung im Oberschlesischen Museum war Prof. Dr. Jan Drabina von der Jagiellonischen Universität Krakau gekommen, um in einem Vortrag die Bedeutung der Reisebilder Ottheinrichs für die Kulturgeschichte Schlesiens hervorzuheben und die Entdeckung der bis 1991 unbeachtet gebliebenen Bilder zu würdigen.

Neben den Zeitungen berichteten sowohl das landesweite polnische Fernsehen als auch die regionalen Fernsehsender mehrfach über die Präsentation der Reisebilder. Die überregionale Zeitung Gazeta Wyborcza brachte Ottheinrichs Reisebild von Oppeln farbig aufs Titelblatt. Nicht nur Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister der jeweiligen Städte waren bei der Präsentation der Reisebilder anwesend, es kamen auch die der Nachbarstädte. Nach Liegnitz kamen Gäste aus Haynau, Neumarkt und Polkwitz, nach Glatz kam sogar der Bürgermeister aus dem tschechischen Nachod, nach Neisse die von Ottmachau und Oberglogau, nach Oppeln kamen Vertreter aus Groß Strehlitz und erneut aus Oberglogau, nach Beuthen der Bürgermeister aus Sławków, wo das Ottheinrich-Reisebild umgehend in zwei Publikationen abgedruckt wurde.

Das Deutsche Kulturforum östliches Europa plant nun eine Wanderausstellung aller 50 Reisebilder Ottheinrichs von seinem Ritt nach Krakau und Berlin 1536/37, die in Deutschland, Tschechien und Polen gezeigt werden soll. Die Bedeutung dieser Bilder liegt nicht nur in den frühesten bildlichen Darstellungen deutscher, böhmischer, schlesischer und polnischer Städte, sondern auch in ihrer Entstehungsgeschichte, die deutlich macht, wie eng die deutschen Fürstentümer, das Königreich Böhmen, zu dem damals auch Schlesien gehörte, und Polen in den früheren Jahrhunderten durch die dynastischen Verflechtungen miteinander verbunden waren. Ein vereintes Europa hat es also in gewissem Sinne schon früher gegeben.

Angelika Marsch, Josef H. Biller, Frank D. Jacob (Hrsg), „Die Reisebilder Pfalzgraf Ottheinrichs aus den Jahren 1536/37 von seinem Ritt von Neuburg an der Donau über Prag nach Krakau und zurück über Breslau, Berlin, Wittenberg und Leipzig nach Neuburg“
Teil I: Bildband mit Faksimilen der 50 Bilder mit Ansichten von 70 Städten, Burgen und Herrschersitzen in Originalgröße
Tei II: Band mit Kommentaren, 504 Seiten, 12 Farbtafeln, 108 Schwarz/weiß-Illustrationen Anton H. Konrad Verlag Weissenhorn, 2000
ISBN 3-87437-440-8
Preis: 256,- €