Schüler eines deutschsprachigen Gymnasiums im rumänischen Hermannstadt besuchen Partnerschule in Berlin
Ernst Meinhardt

Deutsche Welle, Monitor Ost- / Südosteuropa, 04.11.2003

Bonn, 4.11.2003, DW-radio

Obwohl in Rumänien nur noch 60.000 Volksdeutsche leben, hält das Land unbeirrt am deutschsprachigen Muttersprachenunterricht fest. An den mehr als 280 Schulen des Landes, an denen statt in rumänischer in deutscher Sprache unterrichtet wird, sind über 20.000 Schüler eingeschrieben. Sie werden von über 800 Lehrern unterrichtet. Die meisten Lehrer sind Rumänen, die Deutsch zu ihrer Arbeitssprache gemacht haben. Seit Mitte der 90er Jahre werden aufgrund eines deutsch-rumänischen Abkommens verstärkt Lehrer aus Deutschland an rumänische Schulen entsandt. Durch sie ist schon so manche Partnerschaft zwischen einer Schule in Deutschland und einer deutschsprachigen Schule in Rumänien zustande gekommen.

Michael Weber ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Lily-Braun-Oberschule im Berliner Bezirk Spandau. Anfang dieses Jahres hat er sich mit seiner Klasse – damals einer achten Klasse – auf etwas eingelassen, was es bis dahin an seiner Schule noch nie gegeben hatte. Die zweiwöchige Klassenfahrt im Januar (2003) sollte sie nicht – wie sonst an Berliner Schulen üblich – nach Österreich, in die Schweiz, nach Frankreich, nach Italien oder nach England führen, sondern – nach Rumänien.

Kontakte zu der Partnerschule, dem deutschsprachigen Brukentahl-Gymnasium im siebenbürgischen Hermannstadt, hatte Weber schon vor längerer Zeit geknüpft. Der heute 53jährige war acht Jahre lang Gastlehrer an der angesehenen deutschsprachigen Bukarester Goethe-Schule. Wie Weber einräumt, war es nicht ganz leicht, Bedenken der Eltern auszuräumen. Letztlich, so der in Berlin geborene Sohn eines Siebenbürger Sachsen, habe die Neugier der Schüler aber alle Vorbehalte überwunden. »Ich wundere mich oder freue mich eher, dass meine Schüler jetzt dabei sind herumzufragen, was können sie jetzt tun, um das Bild von Rumänien in dieser Welt zu verbessern, das ja so dumm und falsch sei.«

Deutschsprachiger Unterricht hat in Rumänien eine sehr lange Tradition. Das hängt damit zusammen, dass die protestantischen Siebenbürger Sachsen schon seit über 800 Jahren ununterbrochen in Siebenbürgen leben, die katholischen Banater Schwaben seit 300 Jahren im Banat. Ihre deutsche Muttersprache in Wort und Schrift zu bewahren hatte für sie immer einen hohen Stellenwert.

Im heutigen Rumänien leben nur noch etwa 60.000 Volksdeutsche – vor dem Zweiten Weltkrieg waren es 800.000. Trotzdem gibt es in fast einem Drittel aller Kreise des Landes – vor allem in Siebenbürgen, im Banat und im Sathmarer Gebiet, also in den einstigen Hochburgen der deutschen Minderheit – sowie in der Hauptstadt Bukarest Schulen, in denen nicht in der Landessprache Rumänisch, sondern in deutscher Sprache unterrichtet wird. Übrigens nicht nur im Fach Deutsch, sondern in allen Fächern. Allerdings besteht gegenüber der Zeit bis etwa 1989 ein großer Unterschied: Die meisten Schüler deutschsprachiger Schulen in Rumänien – von der ersten Klasse bis zum Abitur – sind heute keine Volksdeutschen mehr, sondern ethnische Rumänen. Eine Folge des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsereignisse: Deportation der Rumäniendeutschen in die Sowjetunion, Flucht, Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland.

Heute sind von den rund 730 Schülern des Hermannstädter Brukenthal-Gymnasiums nur noch eine Handvoll Angehörige der deutschen Minderheit. Kaum anders dürfte es an anderen Schulen des Landes aussehen.

Als die 19 Schüler des Bruk, wie das Brukenthal-Gymnasium kurz genannt wird, jetzt – Ende Oktober 2003 – auf Klassenfahrt nach Berlin kamen, standen natürlich Ausflüge zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Berlins und Potsdams auf dem Programm. Obligatorisch war allerdings auch die Teilnahme am Unterricht an der Spandauer Partnerschule. Dort fielen den rumänischen Schülern einige gravierende Unterschiede auf. So berichtet zum Beispiel die 15jährige Brandusa Cimpoca: »Mein erster Eindruck war, dass es zwischen den Lehrern und den Schülern sehr viel mehr freie Diskussionen gibt als in Rumänien. Ich glaube schon, dass das positiv ist. Aber zu viele Diskussionen ohne Sinn sollte es dann doch nicht geben. Ich möchte nicht behaupten, dass in Rumänien am besten unterrichtet wird. Aber ich denke, dass man doch mehr Wert auf die Informationsvermittlung legen sollte und nicht auf die freie Diskussion.«

»Sinnloses Diskutieren« an der Partnerschule in Berlin ist Brandusa besonders im Fach Geschichte aufgefallen. »Da steht nicht im Mittelpunkt, dass in dem und dem Jahr das und das geschehen ist, sondern es wird über das Geschehene diskutiert. Also, es gibt nicht allzu viele konkrete Informationen. Der Stoff wird in Deutschland lockerer durchgenommen als in Rumänien.«

Wie der 17jährige Cristian Prie hinzufügt, hat er an der Berliner Lily-Braun-Oberschule im Unterricht wenig Neues dazugelernt. Im Fach Chemie zum Beispiel sei über Themen gesprochen worden, die am Brukenthal-Gymnasium schon vor längerem durchgenommen worden seien, und dann auch noch auf höherem Niveau. »In der 12. Klasse ist mir aufgefallen, dass in der Unterrichtsstunde weniger Information vermittelt wird. Es ist für die Schüler alles etwas lockerer. Also, sie werden von den Lehrern nicht so unter Druck gesetzt.«

Auf ihrer Klassenfahrt nach Berlin wurden die rumänischen Schüler von ihrem Sportlehrer Andras Fazekas und ihrer Deutschlehrerin Oana Secas begleitet. Obwohl der Sportlehrer der ungarischen Minderheit in Rumänien angehört und die Deutschlehrerin Rumänin ist, sprechen beide ein hervorragendes Deutsch. »Es ist meine Berufung, Lehrer zu sein«, sagt Oana Secas in einwandfreiem Deutsch. Ihre guten Sprachkenntnisse führt die 26jährige darauf zurück, dass sie von klein auf mit Deutsch aufgewachsen ist. Doch wie ist es um das Deutsch ihrer Brukenthal-Schüler bestellt? Insgesamt könne man damit zufrieden sein, meint sie. In Berlin hätten sie sich damit gut durchgeschlagen. »Sie machen Kasusfehler, benutzen beispielsweise den Akkusativ anstelle des Dativs. Sie sagen also 'Ich gehe in der Schule' statt 'Ich gehe in die Schule'. Aber ansonsten, davon bin ich überzeugt, hatten sie keinerlei Verständigungsprobleme.«

Mit einem Empfang im Rathaus von Spandau am Montagabend (03.11.) ist der zweiwöchige Berlin-Aufenthalt der rumänischen Schüler zu Ende gegangen. Nun hoffen Schüler und Lehrer, dass mit den beiden Klassenfahrten – von Berlin nach Hermannstadt und von Hermannstadt nach Berlin – der Grundstein für eine lange Partnerschaft gelegt wurde. (fp)