»Das ist ein weiterer Versuch, jegliche Opposition auszumerzen«

Deutsche Welle Monitor Ost- / Südosteuropa, 13.10.2003

Warschau, 7.10.2003, RZECZPOSPOLITA, poln. Marek Szczepanik

Der Spitzenvertreter der Deutschen in Polen, der Abgeordnete Hernyk Kroll, würde es begrüßen, wenn – wie er sagt - entsprechende Behörden ihr Interesse an der Redaktion der in Oberschlesien herausgegebenen Zeitschrift »Unser Oberschlesien«, die alle zwei Wochen erscheint, zeigen würden. »Das ist ein weiterer Versuch des Herrn Abgeordneten, jegliche Opposition auszumerzen«, verteidigt Hubert Beier diese Zeitschrift. Er ist jetzt mit ihr verbunden, obwohl er noch vor kurzem zu den einflussreichsten Mitarbeitern von Henryk Kroll gehörte.
Die Redaktion der Zeitschrift »Unser Oberschlesien« hat erst seit ein paar Jahren ihren Sitz auf dem Annaberg in Polen. Früher, seit fast 50 Jahren wurde sie in Deutschland von den dortigen Vertriebenen herausgegeben. Aus dem Impressum kann man ersehen, dass der Herausgeber dieser Zeitung nach wie vor die Landsmannschaft der Oberschlesier mit Sitz in Ratingen ist.
Die Zeitschrift kam nach Oberschlesien durch einen Deutschen, nämlich durch Alfred Theisen, der diese deutschsprachige Zeitschrift kaufte und sie auch den in Oberschlesien lebenden Deutschen zugänglich machen wollte: »Das war eine hervorragende Idee. Die Zeitung wird professionell und objektiv gemacht. Sie informiert die Bewohner dieser Region über wichtige Ereignisse. Viel Platz nehmen hier auch Artikel über die wahre Geschichte dieses Gebietes und über die Menschen aus dieser Region ein«, lobt Hubert Beier die Zeitschrift.
Aber nicht alle teilen seine Meinung. Hernyk Kroll, der Vorsitzende des soziokulturellen Verbandes der Deutschen in der Region Opole (Oppeln) behauptet, dass die dort erscheinenden Artikel mehr Schaden als Nutzen bringen: »Herr Theisen behauptet, dass er ein Chrisdemokrat sei. Ich zweifle aber daran, weil die Christdemokraten keine Lügen tolerieren, an denen es in seiner Zeitschrift nicht mangelt. Aus den Informationen, die ich bekam, geht hervor, dass sich dort auch aufhetzende Artikel befinden, die der polnisch-deutschen Verständigung mit Sicherheit nicht gut tun. Der Annaberg ist ein besonderer Platz, der mit keinerlei Extremismus in Zusammenhang gebracht werden darf. In Bezug darauf sollten die Inhalte der Zeitschrift sowohl von den entsprechenden polnischen als auch deutschen Behörden analysiert werden«, sagt er.
Der Spitzenvertreter der soziokulturellen Verbandes der Deutschen, Hernyk Kroll, verbirgt nicht, dass einer der Gründe für seine Abneigung gegen die Menschen, die mit der Zeitschrift »Unser Oberschlesien« in Verbindung stehen, die Tatsache ist, dass sie diese Zeitschrift einigen ehemals prominenten Mitgliedern des soziokulturellen Verbandes der Deutschen zugänglich machen, die aus diesem Verband ausgeschlossen wurden und jetzt in klarer Opposition zum Vorstand des Verbandes stehen. Eine Rolle spielt aber auch die Tatsache, dass die Zeitschrift Kontakte zu der Organisation Bewegung für die Autonomie Schlesiens (RAS) unterhielt. »Warum soll man Werbung für Menschen betreiben, die zwar behaupten, dass sie für die Rechte des schlesischen Volkes kämpfen möchten, aber in Wirklichkeit eine Autonomie anstreben?«, sagt der Abgeordnete Kroll.
Ähnliche Ansichten über die Aktivitäten von Alfred Theisen vertritt auch Mariusz Klonowski von dem in Görlitz gegründeten Polnisch-Deutschen Presseclub: »Ich kann den Abgeordneten Kroll verstehen. Herr Theisen unterhielt in unserer Stadt ein Büro und gibt hier die Monatszeitschrift 'Schlesien heute' heraus. Das ist ein intelligenter Mensch, der über Jahre hindurch gelernt hat, wie man unter dem Deckmantel des Schutzes von Menschenrechten einen klassischen Revisionismus propagieren kann, der beispielweise dadurch ausgedrückt wird, dass man eine Entschädigung von Polen fordert für Hab und Gut, das von den Deutschen nach 1945 zurückgelassen wurde. In seinem Geschäft befinden sich sehr viele Bücher über das Unrecht, das den vertriebenen Deutschen angetan wurde, aber es gibt dort keine Publikation über die deutschen Verbrechen. […]« sagt Mariusz Klonowski.
Für Leute, die mit der Zeitschrift »Unser Oberschlesien« in Verbindung stehen und für die Politiker der Bewegung für die Autonomie Schlesiens stellen die Behauptungen von Hernyk Kroll einen Versuch dar, die Opposition innerhalb der deutschen Minderheit zu zerstören: »Ich kenne sowohl Herrn Theisen als auch die Personen, die für diese Zeitschrift schreiben. Das sind junge, gebildete Menschen mit ausgewogenen Annsichten. Dabei handelt es sich um keine Extremisten, obwohl sie ihre rechten Auffassungen nicht verbergen. Manchmal beschäftigen sie sich mit kontroversen Themen wie z. B. mit der Vertreibung der Deutschen. Das ist jedoch die Aufgabe der Presse, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Es kommt vor, dass sie etwas über die Bewegung für die Autonomie Schlesiens oder über die schlesische Nationalität in einem wohlwollenden Ton oder neutral schreiben. Das ist aber doch kein Verbrechen. Ich denke, dass der Angriff auf diese Zeitschrift ein Versuch ist, die Leute zu kompromittieren, die anders als die Gruppe denken, die zur Zeit an der Spitze der Organisation der Deutschen in der Region Opole (Oppeln) steht«, erklärt Jerzy Gorzelik, der Vorsitzende der Bewegung für die Autonomie Schlesiens.
Ähnliche Ansichten vertritt auch Hubert Beier, das ehemalige Vorstandmitglied des soziokulturellen Verbandes der deutschen Minderheit. »Der Herr Abgeordnete träumt erneut von den Zeiten, in denen die Politiker imstande waren, unbequemen Journalisten den Mund zu verbieten. Er regt sich darüber auf, dass wir in dieser Zeitschrift die ganze Wahrheit über die Beziehungen innerhalb der Minderheit ans Tageslicht bringen, darunter auch Informationen darüber, wie viel Geld für die Politik anstatt für die Verbreitung der Kultur und der deutschen Sprache ausgegeben wird. Es scheint, dass Herr Kroll weiterhin an seine Stärke glaubt und denkt, dass es gelingen wird, uns den Mund zu verbieten.« […]
Leider ist es uns trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen, den Inhaber der Zeitschrift zu kontaktieren: »Unser Chef fährt immer zwischen Görlitz und Opole hin und her und sogar wir wissen nicht, wann er in Polen ist. Er hat nichts gegen die polnische Presse und wenn er Zeit findet, wird er sich mit Ihnen in Verbindung setzen«, wurde uns in der Redaktion der Zeitschrift »Unser Oberschlesien« gesagt. (Sta)