Josef Čermák über seine neue Kafka-Biographie
Silja Schultheis

Radio Prag • 02.07.2011

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Wie erklären Sie sich denn, dass sich ausgerechnet in Kafkas Geburtsland die Menschen wenig für diesen Autor interessieren?

Josef Čermák: »Das ist ziemlich kompliziert, wissen Sie. Es ist ein großer Schaden, dass die tschechische Germanistik in den 1920er und besonders 1930er Jahren, die ein großes Niveau hatte – Otakar Fischer und andere – Kafka irgendwie nicht ihr Interesse widmete. Und dabei sind die letzten zwei Bände von Kafkas Gesamtwerk in Prag erschienen. In Prag wurden in deutschen Zeitungen auch erste große Lobtexte über Kafka publiziert. Zum Beispiel hat Klaus Mann hier einen Aufsatz geschrieben, in dem er Kafka hochschätzt. Oder Max Brod hat 1938 einen Aufsatz geschrieben: Kafka und der Weltruhm, in dem er sagt: Tschechen, lest ihn, das ist ein Autor, der zu Weltruhm schreitet. Und dann kamen 1948 die Kommunisten an die Macht und Kafka wurde zu einem Anhänger des Zionismus gemacht und der Weltverschwörung und als Waffe der westlichen Feinde gegen den Sozialismus. Und nach 1989, da war es schon zu spät.« […]