Deutsche Welle – Monitor Ost- / Südosteuropa, 04.08.2003
Super Express 30.07.2003, poln.
Auf Polnisch heißt es »Gmina« auf Deutsch »Gemeindeamt«. Zweisprachige Tafeln hängen an dem Gemeindeamt in der Ortschaft Lasowice Male (Schloßwalden). »Wir sind schon in Europa«, erklären die Einheimischen.
Zu den Einheimischen gehören jetzt Deutsche, Schlesier, Polen und die Ankömmlinge aus den Gebieten östlich des Flusses Bug. Hier hat fast in jedem Haus jemand den deutschen Pass, die deutsche Staatsangehörigkeit und Verwandte in Deutschland: »Hier fahren Familien aus Deutschland vorbei, sie sprechen kein Polnisch und haben Schwierigkeiten, den Sitz der Gemeindebehörden zu finden. Daraus resultiert die Idee mit diesen Aufschriften«, sagt Ginter Jendroszczok vom Gemeinderat. Er selbst erinnert sich daran, dass zu Hause sowohl Polnisch als auch Deutsch gesprochen wurde: »Ich beherrsche die deutsche Sprache gut, aber die, die man spricht. Beim Schreiben mache ich Fehler« gibt er zu. Er hat sich niemals um die deutsche Staatsangehörigkeit bemüht. Er besitzt den polnischen Pass: »Hier ist meine kleine Heimat, hier auf dem Friedhof sind meine Nächsten begraben und ich bleibe auch hier«, erklärt er (...)
Lasowice ist eine landwirtschaftliche Gemeinde mit gepflegten Dörfern. Die Kinder lernen eifrig Deutsch: »Wenn Du diese Sprache beherrschst, kannst du in Deutschland oder Holland arbeiten«, sagen die Eltern ihren Kindern. Dasselbe sagt auch der Landwirt Stanislaw Baran seinem Sohn. Seine Eltern stammen aus dem Osten und die Ehefrau aus Schlesien. Er bekam zwar keinen deutschen Pass, dafür aber seine Frau: »Sie arbeitet jetzt bei der Champignonernte in Holland und der Sohn bei der Gurkenernte. Dank dessen kann man irgendwie überleben«. Für ihn sind die zweisprachigen Aufschriften an dem Gebäude des Gemeindeamtes keine Überraschung: »Wir haben schon die Europäische Union bei uns und das ist alles. Wenn jemand es bevorzugt, Deutsch zu lesen, hat er das Recht dazu, sagt er.
Die Entscheidung über die Anbringung von zweisprachigen Aufschriften traf der Gemeindeleiter Eugeniusz Grzesik. Sie wurden kurz vor dem EU-Referendum angebracht. Die polnischen Bezeichnungen von Gemeindeamt und Gemeinderat wurden ins Deutsche übersetzt. Der Name des Dorfes blieb aber nur in polnischer Sprache. Alles gemäß dem Gesetz über die polnische Sprache und der Verordnung des Innenministers. Das verwundert auch niemanden: Zbigniew Klich (...) sagt »Mir ist das egal, ob sich neben den polnischen Bezeichnungen der Ämter auch die deutschen befinden. Bei uns stört das wahrscheinlich niemanden«. Er stammt - ähnlich wie andere Einheimische – aus einem Gebiet außerhalb der Gemeinde. Er teilt seine Bekannten nicht in Deutsche und Polen auf: »Das wichtigste ist, Mensch zu sein, nur das zählt«, sagt er.
Der Minister für Inneres und die Verwaltung erließ am 18. 3. 2002 eine Verordnung bezüglich der »Fälle, bei denen die Namen und Texte in polnischer Sprache von Übersetzungen in eine fremde Sprache begleitet werden können«. Laut dieser Verordnung dürfen u.a. auch die Namen der Behörden in den Orten übersetzt werden, in denen eine nationale Minderheit lebt. (Sta)
Dziennik Polski, 31.07.2003, poln.
Die Leitung des Soziokulturellen Verbandes der deutschen Minderheit (TSKN) in der Region Opole (Oppeln) kündigt die Aufnahme intensiver Aktivitäten an. Am kommenden Samstag soll die Liste mit den übersetzten Namen der Ämter von dem Vorstand des Soziokulturellen Verbandes der deutschen Minderheit bestätigt werden. Dann, ab September d.J., beabsichtigen Vertreter der deutschen Minderheit die Selbstverwatungen davon zu überzeugen, die Aufschrifttafeln in deutscher Sprache anzubringen.
»Das ist eine Verletzung der Rechtslage«, meint der Abgeordnete der Partei Katholische Nationalbewegung (RNK), Jerzy Czerwinski, Mitglied der Sejmkommission für nationale und ethnische Minderheiten. Seiner Meinung nach erlaubt die Verordnung des Innenministeriums, auf die sich die deutschen Aktivisten berufen, nicht, zweisprachige Aufschriften an Schulen und anderen Institutionen anzubringen. Sie dürfen lediglich an Amtsgebäuden, Denkmälern und in den öffentlichen Straßenverkehrsmitteln angebracht werden und zwar erst nach der Erfüllung bestimmter Bedingungen. Jerzy Czerwinski ist der Ansicht, dass die Absicht, die zweisprachigen Aufschriften anzubringen, rechtwidrig sei, weil die Selbstverwaltungen keine Beweise für die Existenz einer geschlossenen Gruppe der Minderheiten auf dem Gebiet der Gemeinde vorlegen, was notwendig wäre.
Die Aktion des Soziokulturellen Verbandes der deutschen Minderheit ruft aber auch Einwände von anderer Seite hervor. Es fehlt z.B. an amtlichen Übersetzungen der Namen von polnischen Behörden in die Sprachen der Minderheiten. Das einzige Organ, das diesbezüglich über entsprechende Befugnisse verfügt, ist das Ministerium für Inneres und Verwaltung und nicht eine lokale Organisation der Minderheit. Der Abgeordnete der deutschen Minderheit, Henryk Kroll, vermied es, eine Antwort auf unsere Frage zu geben, ob man nicht besser auf diese amtliche Übersetzung warten solle.
Der Abgeordnete der Partei »Katholische Nationalbewegung« ist der Meinung, dass die Aktivitäten des soziokulturellen Verbandes der deutschen Minderheit den Charakter einer organisierten Aktion haben, die die Beziehungen innerhalb der Woiwodschaft verschärfen sollten. Sie seien ein Versuch, Tatsachen zu schaffen, und zwar ohne die entsprechende rechtliche Grundlage.
Eine ähnliche Meinung vertreten aber auch die Aktivisten der Partei Liga Polnischen Familien (LPR) aus der Region Opole. Sie sandten einen offenen Brief an den Woiwoden der Region Opole, in dem sie eigene Beunruhigung über die Eskalation der Forderungen und Aktivitäten der deutschen Minderheit, die oft rechtswidrig sind, zum Ausdruck bringen. Ihrer Ansicht nach seien diese Aktivitäten und der immer stärker werdende Revisionismus ein Beweis dafür, dass wir es mit überlegten Taten zu tun haben, die die Schwächung der polnischen Staatlichkeit in der Woiwodschaft Oppeln zum Ziel haben. Der offene Brief beinhaltet einen Appell an den Woiwoden, entsprechende Maasnahmen zu ergreifen, um die Befolgung des geltenden polnischen Rechts im Einklang mit dem polnischen Staatsraison zu gewähren. (Sta)