Die kontroverse Debatte über das Zentrum gegen Vertreibungen sowohl in Deutschland als auch in Polen hat bewiesen, dass dieses Thema immer noch tiefe Gräben aufreißt. Es ist allgegenwärtig vor allem in der deutsch-polnischen Grenzregion, wo sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite Menschen leben, die ihre Heimat verlassen und ein neues Leben in der Fremde beginnen mussten.
Flucht und Vertreibung waren in der DDR und in Polen nach 1945 ein Tabuthema. Die DPG Brandenburg hat sich deshalb bereits seit 1994 mit diesen Fragen beschäftigt und Lesungen, Konferenzen, Schreibwettbewerbe und Ausstellungen veranstaltet. All diese Aktivitäten haben gezeigt, dass man über schwierige, den Einzelnen schmerzhaft berührende Themen gemeinsam sprechen kann. Wichtig ist dabei, dass das persönliche Leid der jeweils Anderen anerkannt und die historische Abfolge (Krieg, Terror und Vernichtung, Flucht und Vertreibung) beachtet wird. Wenn ein Einzelschicksal mit Lebenswegen Anderer konfrontiert wird, kann ein Forum der Verständigung entstehen. Und nur so kann der Weg in eine gemeinsame, friedliche Gegenwart und Zukunft gebahnt werden.
Sowohl auf deutscher als auch auf polnischer Seite haben wir viele Initiativen und einzelne Personen kennen gelernt, die an das Thema Flucht und Vertreibung in ähnlicher Weise herangehen wie wir. Gerade an den Orten des Geschehens und der Erinnerung an Flucht und Vertreibung kreuzen sich die Lebenswege der ehemaligen und heutigen Bewohner, gerade dort gibt es die Möglichkeit, sich des eigenen Schicksals zu erinnern und die Schicksale der Anderen kennen zu lernen und vielleicht auch zu verstehen. Das geschieht bereits. Man braucht nur Czaplinek/Tempelburg, Witnica/Vietz, Choszczno/Arnswalde, Gryfino/Greifenhagen, Chojna/Königsberg, oder Stettin/Szczecin und andere Orte zu besuchen, um festzustellen, dass es lebhafte Kontakte zwischen Pfarrern, Museumsdirektoren, Bibliotheksleitern, Lehrern, ehemaligen Schuldirektoren usw. und den Heimatkreisen der ehemaligen Bewohner gibt, aus denen verschiedenste Aktivitäten resultieren: gemeinsame Ausstellungen, Schülerprojekte, ökumenische Gottesdienste, Errichtung von Gedenksteinen, Pflege zerstörter deutscher Friedhöfe, Einrichtung von Museen oder Parkanlagen mit historischen Objekten und Denkmälern.
Angesichts der Mediendebatte über das Zentrum gegen Vertreibungen fiel auf, dass diese vielfältigen Aktivitäten und Initiativen an der Basis in der Öffentlichkeit fast gänzlich unbekannt sind. Sie wissen auch kaum voneinander. Es kommt darauf an, Hilfe zu leisten, damit sich diese zahlreichen Initiativen gegenseitig kennen lernen, sich untereinander vernetzen und damit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden, als sie eine kleine isolierte Initiative je erreichen könnte. Die bereits existierende Zusammenarbeit und die praktizierte Verständigung zwischen den heutigen und ehemaligen Bewohnern können dem Nationalismus und der Hysterie in der Debatte entgegenwirken. Unser gemeinsames Ziel ist es, ein funktionierendes, regionales Netzwerk zu schaffen, das sich auf die Orte des Geschehens und des Erinnerns konzentriert. Wir stützen uns dabei auf einen Initiativkreis von Deutschen und Polen, die sich schon seit Jahren mit diesem Thema befassen. Es zeigt sich, dass diese Spurensuche den Blick auch auf die Gegenwart und Zukunft lenkt. Wie gehen Polen und Deutsche heute mit Flüchtlingen und Neuankömmlingen um, die sich in ihren Orten und Regionen ansiedeln? Auch diese Menschen möchten, dass ihr Leid anerkannt und sie selbst in der zunächst fremden Heimat akzeptiert, angenommen und geachtet werden. Ein solches authentisches Netzwerk von unten kann viel zur Überwindung von Ablehnung, Hass und Fremdenfeindlichkeit beitragen.
Im Rahmen eines umfangreicheren Projekts der Ausländerbeauftragten des Landes Brandenburg »Zivile Brücken – Mosty społeczne« planen wir deutsch-polnische Konferenzen, Seminare, Vorträge, Filmabende und Ausstellungen an verschiedenen Orten. Die ersten Treffen sollen vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen und Erfahrungsaustausch dienen. Darüber hinaus sollen sie eine Gelegenheit bieten, Ideen zu entwickeln, über Probleme und Schwierigkeiten zu diskutieren, gemeinsame Projekte in die Wege zu leiten etc.
Nach der ersten Recherche soll eine Mailingliste für Interessierte eingerichtet werden, die es ermöglicht, in ständigem Kontakt zu bleiben, Informationen weiter zu leiten und sich über bestimmte Themen auszutauschen. Es wird auch Studienreisen an die Erinnerungsorte (vor allem – aber nicht ausschließlich – für Journalisten) geben. Es ist vorgesehen die ganze Arbeit in zwei oder drei Transodra-Ausgaben zu dokumentieren (Umgang mit dem gemeinsamen Kulturerbe; Stereotype und Vorurteile; Gedächtnis der Orte und Erinnerungen der Menschen u. a.). Zum Abschluss des Projektes planen wir eventuell ein Handbuch herauszugeben, das alle Initiativen des Netzwerks Spurensuche in der deutsch-polnischen Grenzregion vorstellt. Der Deutsch-Polnische Journalistenclub »Unter Stereo-Typen / Pod Stereo-Typami« wird diese Aktivitäten unterstützen und begleiten. Darüber hinaus beteiligt er sich mit einem eigenen Projekt, der Schaffung eines deutsch-polnischen Pressedienstes Online – Transodra Spezial am Gesamtprojekt.
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DPG Brandenburg Deutsch-Polnischer Journalistenclub »Unter Stereo-Typen«
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