Porträt eines Solitärs: Edgar Hilsenrath kämpft gegen das Vergessen und erhält den Lion-Feuchtwanger-Preis
Marko Martin

Die Welt • 20.11.2004

[…] Berlin-Friedenau im November 2004, die Zeitungen oben am Kiosk an der S-Bahnstation Feuerbachstraße sind wieder voll vom jährlichen Gedenkgeschnatter, und just da möchte man in das wattige Gewusel hineinrufen: Leipzig (und es wäre ein anderes Leipzig als das von 1989), Bukowina, Moghilev-Podolsk, Tel Aviv (auch das würde ein anderes sein als heute), Lyon, New York und schließlich – Berlin. Leute, wisst ihr eigentlich, wer hier ganz in der Nähe wohnt, in einer bücherumstellten und weniger schäbigen als vielmehr beinahe gemütlichen Hochparterrewohnung? Edgar Hilsenrath, deutscher Schriftsteller jüdischer Herkunft. 1926 in Leipzig geboren, 1938 mit Mutter und jüngstem Bruder in die Bukowina geflüchtet, die Hölle eines von rumänischen Faschisten eingerichteten Juden-Ghettos am Dnjestr überlebt, nach der »Befreiung« den Russen, die ihn gleich wieder internieren wollten, entwischt, und auf verschlungenen Wegen nach Bukarest entkommen. […]