Strittiges Vertreibungsthema ausgeklammert

Deutsche Welle, Monitor Ost- / Südosteuropa, 05.11.2003

Budapest, 4.11.2003, RADIO SLOWAKEI, deutsch

Die Zusammenarbeit der »Visegrad-Vier-Gruppe« (V4) müsse fortgesetzt werden. Darauf einigten sich die Staatsoberhäupter Ungarns, Polens, Tschechiens und der Slowakei während ihres Gipfeltreffens in Budapest. Ferenc Madl, Aleksander Kwasniewski, Václav Klaus und Rudolf Schuster gelangten zu einer Einigung auch in der Frage der Wirkung von V4 im Rahmen der EU. Laut den Staatspräsidenten sollen sich die V4-Länder nach einer Konsultation vor allem auf das gemeinsame Auftreten bei den Schlüsselfragen der EU-Politik konzentrieren. Als sehr wichtig wurde die gemeinsame Vorgehensweise bei dem Eintritt in die Schengen-Zone bezeichnet. Die höchsten Vertreter der V4-Länder sind einem lockeren Grenz-Regime noch vor dem EU-Beitritt geneigt.

Die V4-Staatsoberhäupter fanden keine Streitfragen. Sie mieden nämlich die Frage des künftigen EU-Verfassungsvertrags sowie die problematische Deklaration des deutschen und polnischen Staatspräsidenten Johannes Rau und Aleksander Kwasniewski. Sie erklärten, die sog. Deklaration von Danzig über die Umwertung des Zwangsaussiedelns, der Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert stand nicht auf dem offiziellen Programm des Treffens. Der tschechische Staatspräsident Václav Klaus, der die Deklaration kurz nach ihrer Veröffentlichung ablehnte, ist auch weiterhin der Meinung, sie sollte Gegenstand bilateraler Gespräche sein. Er sehe keinen Grund zur Umwertung der Fakten und Folgen des Zweiten Weltkrieges. Váqclav Klaus, der jahrelang die Existenz der V4 heftig kritisierte, änderte nun überraschend seine Einstellung zu dieser Gruppierung. Das Bestehen der Visegrad-Vier-Gruppe habe laut ihm Sinn und Zukunft.

Die Staatsoberhäupter der V4 beendeten ihr Treffen in der Stadt Gödöllö unweit der ungarischen Metropole. Das folgende Gipfeltreffen sollte in einem Jahr in der Slowakei stattfinden. Der slowakische Staatspräsident Rudolf Schuster betonte, dass zu der Zeit bereits alle vier Länder Mitglieder der NATO sein werden. Fraglich ist nur, wer das Gipfeltreffen leiten wird, denn im Frühjahr kommenden Jahres wird in der Slowakei die Präsidentschaftswahl stattfinden. (fp)