Warum sich über manches Verhängnis nur ein Roman schreiben lässt. Über die heilende Wirkung der Fiktion
Cora Stephan

Die Welt • 18.12.2004

Eine Frau sattelt in einer eiskalten Januarnacht ihr Pferd und macht sich auf den Weg durch tief verschneite Landschaft – vorbei an den Trecks flüchtender Menschen, am Wegesrand die kleinen Leichen erfrorener Kinder. Sie setzt über vereiste Flüsse, überwindet in Trümmer gelegte Dörfer und Brücken, überlebt Kälte, Hunger, Vergewaltigung und erreicht endlich, im Frühsommer, ihr Ziel – schwanger von einem ihrer Peiniger und mit dem unstillbaren Wunsch, das Unrecht zu sühnen …
Was für ein Stoff! Wenn er nicht in Deutschland im Januar 1945 spielte. Denn taugt eine Mischung aus Marion Gräfin Dönhoff und der Anonyma (»Eine Frau aus Berlin«) zur Romanheldin – die eine ostpreußische Adelige, die andere Berliner Intellektuelle, beide auf unterschiedliche Weise deutsche Opfer am Ende des Zweiten Weltkriegs? Ein Drama auch noch mit Nachhaltigkeit, weil Vergewaltigungen Folgen haben können: Kinder? […]