»Was bitte suchen Sie?« Auf dem Marktplatz des südschlesischen Städtchens Hultschin/Hlučín winkt ein Vorbeilaufender nach dem anderen ratlos ab. Das Muzeum Hlučínska (Museum des Hultschiner Ländchens), nur wenige Schritte entfernt in den Räumlichkeiten des alten Schlosses, scheint nicht gerade berühmt zu sein. Es zählt zu den kleinsten in Tschechien. Und doch ist es ein echtes Juwel.
Jan Gromnica, einer der Kuratoren, beginnt seine kleine Führung durch die Dauerausstellung »Wer sind die Menschen im Hultschiner Ländchen« im Hof des Museums. Im Zentrum steht das Alltagsleben in der Region – und wie dieses durch die Weltpolitik immer wieder durcheinandergewirbelt wurde.
Das Hultschiner Ländchen, eine 316 Quadratkilometer große Region im schlesischen Teil Tschechiens, gehörte zum Herzogtum Troppau, seit 1526 unter der Herrschaft Österreichs. Die Bewohnerinnen und Bewohner sprachen einen mährischen Dialekt. Sie standen sowohl unter deutschen als auch unter tschechischen kulturellen und sprachlichen Einflüssen. 1742 wurde das Herzogtum geteilt und das Hultschiner Ländchen kam mit dessen nördlicher Hälfte an das Königreich Preußen; nach dem Ersten Weltkrieg wurde es durch den Versailler Vertrag ohne Volksabstimmung der neu gegründeten Tschechoslowakei angegliedert. Im Zuge des Münchener Abkommens 1938 annektierte Deutschland die Region erneut. Nach 1945 fiel das Hultschiner Ländchen wieder an die Tschechoslowakei, und viele Deutsche verloren durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat. Wer blieb, musste sich an das Leben in der ČSSR anpassen.
»Deutschsein war plötzlich eine Schande«, sagt Gromnica. »Die Traditionen wurden nur noch im engsten Kreis gepflegt.« Das änderte sich erst wieder nach der Samtenen Revolution von 1989. Heute fühlen sich die Hultschiner ganz selbstverständlich sowohl der tschechischen als auch der deutschen Kultur verbunden. Und das Museum hilft ihnen dabei, sich gegen das Schwinden der Traditionen und des Dialekts zu stemmen. Wie ein Kompass leitet die Ausstellung durch die verwirrend bewegte Geschichte des Hultschiner Ländchens.
»Wir wollen der jungen Generation zeigen, was unsere Region so einzigartig macht«, erklärt Gromnica. Etwa durch Workshops wie Handarbeitskurse oder »Erzählabende«, bei denen ältere Menschen ihre Geschichten vortragen. Vor allem aber hat sich das Museum eine bemerkenswerte Didaktik überlegt. Der große Ausstellungsraum unten führt durch hölzerne Gänge, in denen traditionelle Trachten, Werkzeuge, Möbelstücke und jede Menge Fotos einen Einblick in die Alltagskultur vergangener Jahrhunderte geben. Auch kritische Seiten werden nicht verschwiegen, wie die Kriegsbegeisterung einiger im Jahr 1914.
Am Ende kann man sich mit einer Virtual-Reality-Brille im Hultschin des frühen 20. Jahrhunderts bewegen und wird aufgefordert, alte Handwerksmethoden auszuprobieren. Man sieht wie in einem Film die eigenen Hände, die nach den gefragten Gegenständen greifen – anfangs noch ziemlich tapsig. Zum Abschluss führt Gromnica in das obere Stockwerk. Dort erinnert eine Installation mit Fotos und Bildschirmen an den Zweiten Weltkrieg.
»Císař tady byl třikrát, kolikrát jsi tady byl ty …?« (»Der Kaiser war dreimal hier, und wie oft warst du hier …?«) – mit diesem Satz wirbt das Museum auf seiner Webseite für einen Besuch des Hultschiner Ländchens. Welcher Kaiser und wann? Die Antwort liefert die Ausstellung.
Museum des Hultschiner Ländchens
Zámecká 4
74801 Hlučín
Tschechische Republik