Das Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV) hat seine fünfte Ausstellung eröffnet. Eine Rezension von Tilman Asmus Fischer
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© Svetlana Martin

Hatte das Zentrum gegen Vertreibungen sich in seinen drei ersten Ausstellungen mit dem Schicksal der Deutschen im östlichen Europa unter der Perspektive spezifischer historischer Situationen – ihrer Ansiedlung, ihrer Zwangsmigration sowie ihrer Ankunft im Nachkriegsdeutschland – befasst und in seiner vierten Ausstellung, Verschwunden – Orte, die es nicht mehr gibt, einen topografischen Zugang gewählt, legt es seit der fünften Ausstellung den Fokus auf einzelne Gruppen innerhalb der großen Opfergemeinschaft der Flüchtlinge, Vertriebenen und Aussiedler. Nach In Lagern – Schicksale deutscher Zivilisten im östlichen Europa 1941–1955 (2018) präsentierte das ZgV dieses Frühjahr im Berliner DDR-Museum Stillgeschwiegen – Die Vertriebenen in der SBZ und DDR, eine Wanderausstellung, die in mehreren Orten in Deutschland zu sehen ist.

Die an Bildmaterial wie Text reiche Ausstellung zeigt die Geschichte der aus den historischen Reichs- und Siedlungsgebieten in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und spätere DDR vertriebenen Deutschen in vier umfangreichen Kapiteln. Gefragt wird nach ihrer »Ausgangslage« – also sowohl der Zwangsmigration als auch der Entstehung von SBZ und DDR –, der unmittelbaren Situation bei »Ankunft und Aufnahme«, dem von »Stillschweigen und Anpassen« geprägten Leben und Alltag der staatlicherseits »Umsiedler« genannten und aus politikgeschichtlicher Perspektive als »Vertriebene im SED-Staat« Betrachteten. Abgerundet wird die Schau durch einen Ausblick auf die mit Mauerfall und Wiedervereinigung angestoßenen Entwicklungen für die Vertriebenen und die Erinnerungskultur.

Hinter der Überschrift eines jeden Ausstellungskapitels verbirgt sich ein Mosaik unterschiedlicher, detailliert recherchierter Einzelaspekte. So wird unter dem Schlagwort »Vertriebene im SED-Staat« nicht nur die Vertriebenen- und Ost-Politik der Ost-Berliner Machthaber – mit Verbot der Vertriebenenorganisationen und Grenzvertrag von 1950 – thematisiert, sondern es kommen auch die gezielten Maßnahmen der Staatssicherheit gegen Vertriebene, aber auch die Präsenz der Vertreibung in der DDR-Literatur in den Blick. Vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen staatlichen Tabuisierung des Vertreibungsschicksals ist es den Kuratoren in besonderer Weise zu danken, dass sie auf den Texttafeln immer wieder auch die Betroffenen selbst zu Wort kommen lassen – und damit das Schweigen brechen.

Angesichts der Tatsache, dass sich das ZgV mit dem Thema um die Erschließung eines – abgesehen von wenigen Veröffentlichungen – Desiderats der deutschen Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur verdient gemacht hat, ist zu hoffen, dass bald ein Katalog erscheinen wird, der eine über den Kreis der Ausstellungsbesucherinnen und Ausstellungsbesucher hinausgehende Verbreitung finden möge.

Lotte-Lehmann-Akademie
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Noch bis Frühjahr 2025