Das Flucht-Museum in Dänemark. Eine Ausstellungsrezension von Oliver Ristau
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© Mike Binkt/Flugtmuseum

Das Mädchen aus Bosnien besteht aus Kupferrohren. Es heißt Mirela und kniet vor einem Grabstein mit einem Halbmond. Die Blume in seiner Hand ist blutrot. Mirela ist eine Skulptur im Flugt-Museum im dänischen Oksbøl. Zugleich ist sie real. Die Geschichte ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg im einstigen Jugoslawien kann man sich über Kopfhörer erzählen lassen – so wie die von vielen weiteren Geflüchteten.

Es sind die Erlebnisse von Menschen, die Hals über Kopf ihre Heimat verlassen mussten, wiedergegeben auf der Basis von Interviews und Tagebüchern. Der Raum mit den kupfergeflochtenen Wesen ist einer der eindringlichsten im gesamten Museum. Sie wirken sphärisch, als wären sie nicht wirklich da, so wie Maslullah aus Afghanistan, die sehnsüchtig und doch durchscheinend am Fenster sitzt, mit Kopfhörern und einem Smartphone in der Hand. An der Wand die Frage »Zu Hause?« – wie alles im Flugt-Museum dreisprachig dänisch, deutsch und englisch. Das zeigt: Die Flucht ist im Asyl-Ankunftsland längst nicht vorbei.

Seit Sommer 2022 ist das Museum geöffnet und steht dort, wo von 1945 bis 1949 bis zu 35 000 Kriegsflüchtlinge – die meisten aus den deutschen Ostgebieten – auf einer Fläche von vier Quadratkilometern lebten. Authentischer geht es kaum.

Der dänische Architekt Bjarke Ingels hat zwei ehemals als Krankenhaustrakte dienende Gebäude über ein Foyer aus Kortenstahl, Holz und Glas verbunden: 500 Quadratmeter groß und lichtdurchflutet. Der eine Gebäudeteil zeigt Fluchtgeschichten der jüngeren Gegenwart, so wie die von Mirela aus Bosnien. Ihre Stationen werden in Ausstellungen nacherzählt, die alle ihren eigenen Charakter haben. So überlappen sich in einem Raum Filmausschnitte von Flüchtlingslagern in einem Wald aus Monitoren. Woanders sind Kinderzimmer nachgebaut, die die ehemals heile Welt zeigen, aber auch die Bedrohung – drastisch auf den Punkt gebracht durch eine Handgranate, die auf einem Bett liegt. Überhaupt zeichnen die Exponate Flucht schonungslos nach. Das mulmige Gefühl, das entsteht, ist gewollt. Neben medial modern aufbereiteten Informationen rund um weltweite Flüchtlingsströme lädt das Museum auch zum Mitmachen ein: Ein bunter Fußballkicker mit Spielerinnen und Spielern unterschiedlichster Länder ist ein Symbol für die nötige Integration vieler Kulturen im Exil.

In der anderen Hälfte zeigt das Museum das damalige Lagerleben. So gab es ein Theater, das die Kuratoren originalgetreu möbliert haben. Die Baracken, in denen die Flüchtlinge hausten, sind alle abgerissen. Geblieben sind die Wege, gesäumt von lichtem Wald. Einzig der alte Friedhof samt Grabplatten erhebt sich auf einer Lichtung, die zum Verweilen einlädt. Und daran erinnern mag, nicht zu vergessen. Denn das Museum zeigt auf sehr intime Weise, dass Flucht jederzeit jeden treffen kann.

Flugt-Museum
Præstegaardsvej 21, 6840 Oksbøl, Dänemark
Täglich 10–17 Uhr