Hausierer in Wien, um 1880. Fotografie: Otto Schmidt
Ein namenloser Hochwald
Das im Südosten des heutigen Slowenien gelegene Gebiet der Gottschee maß etwa 860 Quadratkilometer, stellte jedoch keine genau abgrenzbare geografische Einheit dar. Es erstreckte sich über bergiges, karstiges und vor allem waldiges Gelände, das von drei Nordwesten nach Südosten reichenden Gebirgsmassiven beherrscht wird. Zahlreiche Schluchten, Grotten, Senken und Spalten im Fels und im Erdreich kennzeichnen den Naturraum – versickerte bei normalem Regen das Wasser schnell im karstigen Boden, kam es bei Starkregen aufgrund der Verschlammung der Sauglöcher im Karst rasch zu Überschwemmungen.
Besiedlung im Hochmittelalter
Die Gottschee befand sich im größeren Verband des Landes Krain und war nominell dem Patriarchat Aquilea, einem Kirchenstaat auf dem heutigen Gebiet der italienischen Region Friaul, zugehörig. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts begannen die deutsch-österreichischen Ortenburger als Lehnsnehmer der Gottschee sowohl slowenischsprachige Siedler wie auch solche aus Kärnten und Osttirol, den Stammlanden der Ortenburger, mit der Erschließung des schwer zugänglichen Hochwaldes zu beauftragen. Nachdem als Folge der Pest ab Mitte des 14. Jahrhunderts kaum noch Siedler aus Kärnten nachkamen, warben die Ortenburger Franken und Thüringer an. Etwa zu dieser Zeit taucht auch zum ersten Mal eine urkundliche Erwähnung der Bezeichnung Gottschee/Kočevje auf, nämlich für den zentralen Ort und Marktplatz dieser Region; alle anderen Siedlungskerne bestanden in abgelegenen kleinen Dörfern und Weilern.
Holz und Hirse
Die Holznutzung, also eigentlich die Belieferung der Herrschaft mit dem kostbaren Rohstoff, war für das Wirtschaftsleben der Gottschee unentbehrlich. Die Auersperger, die das Land 1641 kauften, hatten als leidenschaftliche Jäger ein zusätzliches Interesse an der Instandhaltung des Waldes. Mit der Eisenbahnlinie Wien-Triest 1854-57, der Einführung der ersten Dampfsäge sowie dem Bau einer Stichbahn von Laibach/Ljubljana nach Gottschee/Kočevje begann die rationelle Holzverwertung.
Als besondere Herausforderung erwies sich die Nutzbarmachung des Hochwaldes für den Ackerbau – auch wenn wohl nie mehr als ein Zehntel der Fläche als Ackerland diente, soll doch Ende des 18. Jahrhunderts die Hälfte der Gottschee gerodet gewesen sein. Unter schweren Bedingungen trotzten die Gottscheer dem Wald ihren Boden ab. Neben Feldfrüchten wie Weizen, Hafer und Gerste spielte die Hirse eine große Rolle; hieß es von jemandem, er „habe Hirse“, so wurde auf seinen Reichtum angespielt.
Gottscheer Weinbauern und Hausierer
Außer Ackerfluren prägten ausgedehnte Weideflächen das Siedlungsgebiet, wobei der beträchtliche Viehbestand hauptsächlich der Eigenversorgung diente. In sonnigen und geschützten Lagen des Landes entwickelte sich der Obstbau. Für den Weinbau hat man die Gottschee wohl erst im 16. Jahrhundert entdeckt; dass er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bereits populär war, belegt die Erwähnung einer Weinsteuer von 1768.
Nachdem die ohnehin geringen Erträge aus Holz- und Weidewirtschaft durch häufige Überfälle der Osmanen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dezimiert worden waren, gestatteten die Habsburger allen Bewohnern der Gottschee mit dem Hausierpatent von 1492 den Handel mit Vieh und Erarbeitetem außerhalb der Gottschee. Von da an wurde in der gesamten Habsburgermonarchie das Bild der ihre Waren in Körben herumtragenden Gottscheer Hausierer allgegenwärtig. Da allerdings diesen Händlern der übliche Verkauf von Waren gegen Geldzahlung nicht erlaubt war, erdachten sie eine spezielle Form des Zahlenlottos, die der Historiker Joachim Hösler folgendermaßen darstellt: Ein Interessierter konnte für den halben Preis der von ihm gewünschten Ware ein Los kaufen; gewann er, erhielt er die Ware, zog er eine Niete, ging er leer aus, der Wanderhändler behielt den Einsatz und die Ware (vgl. Hösler, Gottscheer – Geschichte, Selbstverständnis, Außenwahrnehmung, siehe »Unser Tipp«).
Kultur und Politik
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden diverse deutsche Vereine, und mit ihnen tauchte auch eine deutschsprachige Presse auf: So erschienen beispielsweise die Mitteilungen des Vereins der Deutschen aus Gottschee seit 1891. Eine erste deutschsprachige Schule erhielt die Gottschee schon 1735, einen regulären Schulbetrieb gab es seit 1818.
Sprachinselproblematik, Revolten
Die Sprache der deutschen Gottscheer speiste sich so aus vielen verschiedenen Mundarten wie es unterschiedliche Herkunftsgebiete der Siedler gab: Osttirol, Kärnten, Franken, Thüringen; hinzu kamen Entlehnungen aus der deutschen Verkehrssprache im historischen Krain und aus der slowenischen Umgangssprache.
Ungeachtet ihrer Herkunft kämpften die Siedler gemeinsam gegen die Ausbeutung durch die wechselnden Landesherren. Die Gottscheer galten als besonders rebellisch, von ihnen gingen die meisten und die größten Bauernaufstände aus. Ihre Forderungen waren sozialer Natur und betrafen etwa die Verringerung von Steuern und Abgaben, die Abschaffung der Frondienste und Kriegssteuern, die Befreiung von grundherrschaftlichen Zwängen und Zollfreiheit.
Konflikte ethnischer Natur zwischen Slowenen und Deutschen in der Gottschee sind bis zum 19. Jahrhundert unbekannt. Erst danach erreichte der Nationalismus auch das Gottscheerland. Die Bezeichnung »Gottscheedeutsche« ist in diesem Zusammenhang ein Indiz für die Nationalisierung des Denkens und Sprechens der deutschsprachigen Siedler im östlichen Europa seit Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die lange Auswanderung
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wanderten die Gottscheer aufgrund der schwierigen ökonomischen Bedingungen vor allem nach Amerika aus. Die Zahl der Einwohner der Gottschee betrug 1880 etwa 26.000, davon knapp 19.000 mit deutscher Umgangssprache. Die Folgen dieser massenhaften Auswanderung waren zahlreiche verödete Bauernhöfe und entleerte Dörfer. Bei der letzten Volkszählung in der österreichisch-ungarischen Monarchie 1910 wurden auf dem Territorium des späteren Slowenien, das 1919 Teil des Königreiches der Slowenen, Kroaten und Serben wurde, 106.377 Personen mit deutscher Umgangssprache festgestellt. Die jugoslawischen Volkszählungen, welche die Muttersprache ermittelten, ergaben 1921 41.514 Personen mit deutscher Muttersprache, davon knapp 10.000 im Bezirk Gottschee (1931 knapp 9.000).
Nachdem Italien als Folge der Zerschlagung Jugoslawiens 1941 den Südwesten Sloweniens mit der Gottschee erhielt, setzte die Umsiedlung fast der gesamten Gottscheedeutschen ins sogenannte Ranner Dreieck in der vom Deutschen Reich annektierten Untersteiermark ein. Von hier kamen die meisten 1945 in jugoslawische Internierungslager, eine Folge waren hohe Opferzahlen. Nach Flucht und Entlassung zogen die Überlebenden nach Österreich und Deutschland und von dort meist weiter nach Amerika. Keine 100 Gottscheedeutsche waren nach dem Krieg in der Heimat verblieben. In den 1950er Jahren ließ das jugoslawische Regime die meisten Orte in der Gottschee einebnen, nur wenige Erinnerungsstätten haben bis heute überdauert.
Unser Tipp
Das Regionalmuseum in Krapflern/Občice, die Denkmäler im Hornwald, der deutsche Friedhof in Tschermoschnitz/Črmošnjice.
Literatur
Ferenc, Mitja, Hösler, Joachim (Hrsg.): Spurensuche in der Gottschee. Deutschsprachige Siedler in Slowenien. Potsdam 2011.
245 Seiten, Broschur, mit Duoton-Abbildungen, Glossar, Zeittafel, umfangreichen Registern und beigelegter Übersichtskarte.
Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2011.
Preisaufgehobene Restexemplare:
5,00 Euro / 12,00 PLN. ISBN 978-3-936168-53-2
Gauß, Karl-Markus: Die sterbenden Europäer. Unterwegs zu den Sorben, Aromunen, Gottscheer Deutschen, Arabereshe und den Sepharden von Sarajewo, Wien 2001.
Links:
www.gottschee.at
Das private Portal Gottschee Digital informiert umfassend über die ehemalige deutsche Sprachinsel