Das Phänomen einer deutschen Sprachinsel in Kroatien
Ariane Afsari
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Beliebte deutsche Spur in Osijek: Esseker Pils

Ein Vortrag von Darko Šorak, Kroatien, der den Autakt der Veranstaltungsreihe »Länderabende« mit öffentlichen Vorträgen der StipendiatInnen des Copernicus Berlin e.V. bildete

Gründung der »Neustadt« und Blütezeit

Osijek ist heute mit ca. 114.500 Einwohnern die viertgrößte Stadt in Kroatien und liegt an dessen östlicher Grenze im Gebiet Slawonien. Im 18. Jahrhundert unternahmen die Habsburger nach dem Rückzug der Türkei aus Slawonien eine umfassende Kolonialisierung in dem verwaisten Landstrich. Es wurden mehrheitlich Familien aus Bayern, Hessen, aus der Pfalz, dem Saarland, dem Sudetenland, dem Banat und der Batschka angesiedelt. Diese deutschsprachige Gemeinschaft gründete 1792 die »Neustadt« in Osijek, deren Architektur aus der Sezessionszeit noch heute erhalten ist. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts erlebten die deutschen Siedler eine Blütezeit in Osijek. Sie hatten eigene Presseorgane, ein eigenes Theater, ein eigenes Schulwesen und es entwickelte sich eine eigene deutsche Literaturszene in Osijek. Sie waren führend in der Landwirtschaft und im Handel.

Nach 1918

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat), des späteren Jugoslawiens – die Umbenennung erfolgte 1929 durch König Alexander I. –, wurden die Rechte der Deutschen in Osijek eingeschränkt. Trotzdem gelang es ihnen, 1920 den schwäbisch-deutschen Kulturbund und 1922 eine eigene Partei zu gründen, die mit Aufkommen des Nationalsozialismus verstärkt dessen Einflüsse aufnahm. Während des Zweiten Weltkriegs waren die Osijeker Deutschen gespalten: Während sich ein Teil der Gemeinschaft Hitler anschloss, kämpfte ein anderer Teil in der Partisanengruppe Ernst Lehmann gegen die Nazis. Nach dem Krieg ereilte auch die Deutschen in Osijek das Schicksal von Flucht und Vertreibung. Dabei ging es vor allem um die Rückgewinnung der landwirtschaftlichen Flächen, die größtenteils in deutscher Hand waren. Erst in den 90er Jahren steigerte sich der Anteil der Deutschen in Osijek wieder, hauptsächlich durch Rückzug von ehemaligen Bewohnern – denn die meisten Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg dort blieben, bezeichnen sich inzwischen als Kroaten. Trotz der Wiederbelebung der deutschen Siedlungsgemeinschaft in jüngster Zeit ist der Anteil der Deutschen an der Gesamtbevölkerung von Osijek drastisch zurückgegangen: Stellten die Deutschen 1890 mit 10.657 noch die Mehrheit der Bevölkerung (andere: 8.500), so sind es heute gerade mal 2.500 (andere 112.000).

Das Essekerische

Eine Besonderheit der Deutschen in Osijek stellt ihre Sprache dar, das Essekerische (Essek = Osijek). Es handelt sich um einen süddeutschen Dialekt, der von Einflüssen des Kroatischen, Jiddischen, Türkischen und Ungarischen in Orthographie, Lexik, Phonetik und Grammatik geprägt wurde. So schrieb man beispielsweise das deutsche »tsch« wie das kroatische »č«, und die Wortstellung orientierte sich ebenfalls am Kroatischen. Allerdings nahm auch das Kroatische einige Ausdrücke des Deutschen auf, so das Wort »Freier« oder Sätze wie »hoats schmeckert?«. Hierzu sei das Werk Pfificusov raport, in: Koprive von Ante Kovac von 1929 empfohlen, der sich bewundernd wie vergnüglich über den einmaligen Dialekt auslässt. Heute darf das Essekerische zwar wieder gesprochen werden, doch die wenigsten Deutschen in Osijek sind noch in der Lage dazu. Gepflegt werden die deutschen Traditionen wie das Essekerische inzwischen von der Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien, die seit 1994 die Zeitschrift Deutsches Wort herausgeben, von einem Verein namens Deutsche und Österreicher in Kroatien und durch das slawonische Radio in Osijek, wo es ein Osijeker Programm gibt.

Der Copernicus-Verein

Der Vortrag von Darko Šorak eröffnete am Mittwoch die Veranstaltungsreihe »Länderabende« des Copernicus Berlin e.V. Der Abend im Paulinenhof in der Sophienstraße 28/29 in Berlin bewies, dass man mit viel Engagement und wenig Geld eine ebenso informative wie charmante Vortragsreihe inszenieren kann. Diese ist dem Copernicus-Verein zu verdanken, der mit Hilfe ehrenamtlicher Mitarbeiter, Spendengeldern und einer Förderung durch die Bosch-Stiftung junge Wissenschaftler aus Mittel- und Osteuropa zu einem Studiensemester in Berlin einlädt. Während dieser Zeit absolvieren die StipendiatInnen neben dem Studium in deutscher Sprache ein dreimonatiges Praktikum und organisieren Länderabende, wo sie einen Aspekt ihres Herkunftslandes mit einem Vortrag und landestypischen Speisen vorstellen – beides natürlich selbst zubereitet.

www.copernicus-stipendium.de
Allgemeine Informationen über Satzung, Ziele und Aktivitäten des Copernicus-Verein sowie zu den Länderabenden in Berlin auf den Internet-Seiten des Vereins