Pressburg, ungarisch Pozsony, slowakisch Preslava – später Prešporok, lateinisch Posonium, 1919 unbenannt in Bratislava, liegt auf beiden Seiten der Donau ganz im Südwesten der Slowakei. Sie ist die weltweit einzige Hauptstadt, deren Gebiet unmittelbar an zwei andere Staaten, Österreich und Ungarn, grenzt – mit dem nur etwa sechzig Kilometer entfernten Wien verband sie bis 1935 eine elektrische Bahn. Pressburg/Bratislava umfasst eine Fläche von an die 368 km2 und beherbergt offiziell etwa 438 000, werktags aber mehr als 660 000 Menschen.
Stadt (nicht nur) dreier Sprachen
An der Kreuzung der baltisch-adriatischen Bernsteinstraße und eines Ost-West-Handelswegs gelegen, war Pressburg bereits im Mittelalter ein international bedeutender Umschlagplatz. Zuvor siedelte hier eine keltische und später eine mehr oder weniger romanisierte germanische Bevölkerung. Die Region gehörte im 9. Jahrhundert zum slawischen Großmährischen Reich, bis sie im 10. Jahrhundert ganz unter ungarische Herrschaft geriet. 1536 wird Pressburg zur Hauptstadt des habsburgischen Teils Ungarns und bleibt bis 1830 Krönungsstadt der ungarischen Könige, darunter Maria Theresia, die dem Ort zu einer kulturellen Blütezeit verhalf. Noch heute können die zahlreichen Palais des ungarischen Adels bewundert werden, die meist in dieser Zeit erbaut wurden.
Seit dem 12. Jahrhundert siedelten sich Deutsche in größerer Zahl in der Stadt an. Zu den slawisch und ungarisch sprechenden Einheimischen kamen Menschen aus Italien oder Flandern, im Mittelalter auch aus Böhmen, nach der Schlacht bei Mohács 1526 auch aus Kroatien. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren jedoch die Deutschen die wichtigste Bevölkerungsgruppe der Stadt, die slowakische und die ungarische bildeten zusammen höchstens bis zu einem Drittel. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 gewann die ungarische Kultur und Verwaltung stark an Bedeutung. Viele Pressburger Deutsche assimilierten sich mehr oder minder freiwillig während der Magyarisierung, ohne deren Akzeptanz es im ungarischen Königreich für andere Nationalitäten immer weniger Entfaltungsmöglichkeiten gab. Die 1291 zum ersten Mal urkundlich erwähnte jüdische Gemeinde gehörte zu den ältesten und bedeutendsten in Mitteleuropa. Sie gelangte im 19. Jahrhundert unter der von Chatam Sofer begründeten Rabbinerdynastie zu Weltgeltung.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Pressburg durch die Alliierten der neuen Tschechoslowakei zugeteilt, die es in Bratislava umbenannte. Große Teile der ungarischen Bevölkerung verließen die Stadt und es kam zu einem verstärkten Zuzug von Menschen aus anderen Teilen der Slowakei und tschechischen Verwaltungsleuten. Ab 1939 war Bratislava die Hauptstadt des Slowakischen Staates, der mit dem nationalsozialistischen Deutschland kollaborierte und diesem die jüdische Bevölkerung auslieferte. Gegen Ende des Krieges wurden viele Deutsche aus der Stadt evakuiert, die Verbliebenen später auf der Grundlage der Beneš-Dekrete vertrieben. Seit 1993 ist Bratislava die Hauptstadt der unabhängigen Slowakei und zurzeit leben in der Hauptstadt nur 0,2 Prozent Deutsche.
Kultur und Wissenschaft im deutschsprachigen Pressburg
Seit dem späten Mittelalter war die Wirtschaft, Verwaltung und Kultur deutsch geprägt. Auch im Umland der Stadt wie im Dorf Oberufer/Prievoz oder Engerau/Petržalka, wo in den 1960er und 70er Jahren eine sozialistische Plattenbaustadt als Teil Bratislavas entstand, lebten bis 1918 überwiegend Deutschsprachige. Pressburger Bürger begannen spätestens 1319 mit deutschsprachiger Beurkundung. Die hiesigen deutschsprachigen Inschriften gehören zu den ältesten im ungarischen Königreich. Nach der Reformation waren die meisten Pressburger Lutheraner, wofür die Kirch- und Lyzeumsgebäude noch heute Zeugnis ablegen.
Ein berühmter Prediger der Gemeinde und Rektor des Evangelischen Lyzeums war in den 1710er Jahren der Pietist Mathias Bel, der in der damals selbstverständlichen schriftlichen Verkehrssprache Latein publizierte und von sich sagte, dass er slawischer Zunge, ungarischer Staatsbürger und deutscher Gelehrter sei. Einer seiner Schüler war Karl Gottlieb Windisch, 1764 Mitbegründer der Pressburger Zeitung, des ersten regelmäßig erscheinenden Nachrichtenmediums im Donauraum, und Schöpfer des Ungrischen Magazins, der bedeutendsten deutschsprachigen Zeitschrift in Ungarn.
Im 19. Jahrhundert gelangten die Mitglieder der Familie Schröer zu grenzüberschreitender Bedeutung: Tobias Gottfried als Pädagoge und Schriftsteller, seine Frau Therese ebenfalls als Autorin und sein Sohn Karl Julius als Literaturwissenschaftler. Als der bedeutendste deutschsprachige Dichter der Stadt des 20. Jahrhunderts kann Alfred Marnau angesehen werden, der im Zweiten Weltkrieg ins Londoner Exil ging. Internationalen Bekanntheitsgrad erreichte auch der Komponist und Pianist Johann Nepomuk Hummel, ein Schüler Wolfgang Amadeus Mozarts. Ebenfalls in Pressburg geboren wurde 1704 der Mathematiker, Physiker und Arzt Johann Andreas Segner sowie der Physiker Philipp Lenard, der 1905 den Nobelpreis erhielt, später allerdings zum Antisemiten und Nationalsozialisten mutierte.
Unsere Tipps
Unser Begleiter auf eine Reise in die Donaumetropole
Renata SakoHoess: Literarischer Reiseführer Pressburg | Bratislava
Sechs Stadtspaziergänge
mit zahlreichen farbigen und Schwarz-Weiß-Abbildungen, Kurzbiografien, ausführlichen Registern und zweisprachigen Karten, ca. 300 Seiten, Integralbroschur mit Lesebändchen
Bibliothek östliches Europa – Kulturreisen, Potsdam 2017
14,80 Euro | ISBN 978-3-936168-68-6
www.goethe.de
Digitale Entdeckungsreise zu den Spuren deutscher Kultur mit einem interaktiven Reiseführer des Goethe Instituts Bratislava
www.karpatenblatt.sk
Museum der Kultur der Karpatendeutschen – Slowakisches Nationalmuseum, Interview mit seinem Direktor Rastislav Fiľo im Karpatenblatt, dem Magazin der Deutschen in der Slowakei
Literatur
Hochberger, Ernst: Das große Buch der Slowakei. 3000 Stichworte zur Kultur, Kunst, Landschaft, Natur, Geschichte, Wirtschaft. Sinn 2017, S. 287
Meier, Jörg: Pressburg als Erinnerungsort der Deutschen und Österreicher. In: Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Erfahrungen der Vergangenheit und Perspektiven. München 2011, S. 45–49
Pöss, Ondrej: Geschichte und Kultur der Karpatendeutschen. Preßburg 2005, S. 45–55
SakoHoess, Renata: Literarischer Reiseführer Pressburg/Bratislava. Potsdam 2017
Strunz, Gunnar: Bratislava. Mit Donautiefland, Kleinen Karpaten und Záhorie. Berlin 2015
Links
www.visitbratislava.com
Offizielles Tourismusportal der Stadt Bratislava mit vielen Kulturtipps
Domradio.de
Alexander Brüggemann: Preßburg - Pozsony - Presporok - Wilsonstadt - Bratislava – Artikel über die multikulturelle Geschichte und Gegenwart der Stadt, 8.9.2021
www.pressburgerkipferl.sk
Reichhaltige Website des Vereins »Pressburger Kipferl« in deutscher, slowakischer und ungarischer Version mit Veranstaltungstipps, Beiträgen und Bildern zur multikulturellen Kulturgeschichte der Stadt
Pressburg-Sammlung der Bibliothek des Digitalen Forums Mittel- und Osteuropa (DIFMOE)
Über 600 Digitalisate mit Pressburg-Bezug: Bücher, Zeitungen, Postkarten, Fotos, Stiche
www.historiaposoniensis.sk
Geschichte der Stadt bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts
www.pammap.sk
30.479 Inventareinheiten, 52.258 Digitalbilder, 3.421 enzyklopädische Einträge zur Geschichte von Pressburg/Bratislava