Pommern ist nicht gleich Pommern
Die St.-Peter-und-Paul-Kirche in Stettin/Szczecin
Die historische Region Pommern umfasst die Gebiete an der Südküste der Ostsee zwischen Oder und Weichsel. Die westliche Begrenzung bildet der Fluss Recknitz. Innerhalb der östlichen Ausdehnung der Region Pommern gibt es Unterschiede zwischen der deutschen und der polnischen Bezeichnung des Territoriums: In der deutschen Geschichtsschreibung wird unter Pommern das Gebiet der historischen preußischen Provinz Pommern verstanden, die sich aus dem westlich der Oder gelegenen Vorpommern und dem östlich der Oder gelegenen Hinterpommern zusammensetzte. Die östlich an Hinterpommern anschließende Landschaft bis herüber zur Weichsel wird Pommerellen genannt. Im Polnischen gibt es letztere Bezeichnung jedoch nicht. Diese Landschaft, heute Danziger Pommern genannt, bildet für die Polen den eigentlichen Kern der Region Pommern.
Politisch verteilt sich das historische Pommern gegenwärtig auf Mecklenburg-Vorpommern mit dem nördlichem Brandenburg und die polnischen Woiwodschaften Westpommern mit der Hauptstadt Stettin (polnisch Szczecin), Pommern mit der Hauptstadt Danzig (polnisch Gdańsk) sowie Kujawien-Pommern mit den Hauptstädten Bromberg (polnisch Bydgoszcz) und Thorn (polnisch Toruń). Nach deutschem Sprachgebrauch gehören die Territorien der heutigen Woiwodschaften Pommern und Kujawien-Pommern zu Westpreußen.
Wechselvolle Geschichte
St. Jacob in Stettin/Szczecin
Im frühen Mittelalter gehörte die von slawischen Pomoranen bewohnte Region kurzfristig zu Polen. Im 12. Jahrhundert wurde das Herzogtum Pommern unter dem slawischen Herrschergeschlecht der Greifen Teil des deutschen Reiches. Bei der Annahme der Reformation 1537 gehörte das Land längst zum deutschen Kulturraum. Nur in den östlichen Kreisen Pommerns lebte und lebt bis heute die ethnische Minderheit der Kaschuben mit ihrer eigenen Sprache. Nach dem Aussterben des Greifengeschlechts und nach dem Westfälischen Frieden 1648 wurde Pommern zwischen Schweden im Westen und Brandenburg im Osten aufgeteilt. Seine Hauptstadt – Stettin – fiel an Schweden, 1720 wurde sie an Preußen verkauft und zu einer Festungsstadt ausgebaut. 1815 wurden beide Landesteile in der preußischen Provinz Pommern wieder vereinigt. Als solche existierte Pommern bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Danach wurde der westliche Teil Pommerns der Deutschen Demokratischen Republik zugesprochen, die Region östlich der Oder, Hinterpommern, auf polnisch Pomorze Zachodnie, mit der Landeshauptstadt Stettin wurde polnisch.
Pommersche Kultur
Die kulturelle Blüte Pommerns begann mit der Herrschaft Bogislaws X. im 15. Jahrhundert, der durch die Heirat mit der polnischen Königstochter Anna und dem kaiserlichen Lehnsbrief seinem Staat hohen Status und Wohlstand sicherte und seine Autorität unter anderem durch die Förderung der Künste demonstrierte. Seit dem 17. Jahrhundert wurde das kulturelle Leben des östlichen Pommernweitgehend durch die Zugehörigkeit zu Brandenburg-Preußen mit dem Zentrum Berlin geprägt. Nach der Bildung der preußischen Provinz 1815 entwickelte sich vor allem in Stettin, aber auch in den Kreisstädten, ein bürgerliches Kulturleben. 1927 entstand das Pommersche Landesmuseum in Stettin. 1928 erfolgte die feierliche Eröffnung des Regionalmuseums unter dem Namen Provinzialmuseum Pommerscher Altertümer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude mit den erhaltenen Musealien vom Pommerschen Museum (polnisch Muzeum Pomorza Zachodniego) übernommen, dem heutigen Nationalmuseum (Muzeum Narodowe).
Das alte gotische Rathaus in Stettin/Szczecin
1916 wurde in Stettin der Pommersche Künstlerbund gegründet. Mitglieder waren unter anderen der Bildhauer Karl Ludwig Manzel sowie die Maler Eugen Dekkert, Martin Meyer-Pyritz, Franz Theodor Schütt, Gustav Wimmer, Louis Douzette und Günter Machemehl. Viele Künstler und Schriftsteller wie Alfred Döblin, fanden im 19. und 20. Jahrhundert ihren Wirkungskreis im nahen Berlin und im übrigen Deutschland, Heute bildet Stettin das kulturelle und wissenschaftliche Zentrum der Region mit Universität, Philharmonie, Oper, Theatern und weiteren kulturellen Einrichtungen.
Zuckerrüben, Fische und Fahrzeuge
Das wirtschaftliche Rückgrat Pommerns bildete die Landwirtschaft. Sie lieferte etwa 13 Prozent Roggen, 10 Prozent Hafer, 12 Prozent Kartoffeln und Zuckerrüben und 27 Prozent Kohlrüben der deutschen Ernte und war damit die wichtigste Agrarprovinz des Deutschen Reiches. Die pommerschen Bodden und Haffe wurden wie die Flüsse und Binnenseen intensiv befischt. Auch das Odermündungsgebiet hatte als ganzjährig genutztes Großfischereigebiet eine herausragende Bedeutung. Um 1900 wurden jährlich rund 20- bis 25.000 Tonnen angelandet, was etwa der Hälfte des gesamten deutschen Fischfangs entsprach. Die industrielle Revolution führte, besonders in Stettin zu einer dynamischen Entwicklung der Werften und des Hafens. Die 1857 gegründete Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan baute Schiffe und Lokomotiven, darüber hinaus gab es Zucker-, Zement-, Papier- und Maschinenbaufabriken.
Große Bedeutung für die Entwicklungsprozesse hatten die Wasserwege und die Eisenbahnlinien, die die Städte und Handelszentren mit dem Hinterland, aber auch mit Berlin verbanden. Diesen Aufschwung bremste der Erste Weltkrieg, dennoch konnte Stettin seine Position als drittgrößter deutscher Hafen behaupten. Heute ist Stettin mit Swinemünde (polnisch Świnoujście) neben Danzig der wichtigste und größte Hafen Polens. Seit dem 19. Jahrhundert gewann der Fremdenverkehr an Bedeutung, der bis heute für die Region auf beiden Seiten der Grenze eine wichtige Rolle spielt.
Bevölkerung
Im Jahr 1905 hatte die Provinz Pommern 1.684.326 Einwohner – die absolute Mehrheit waren Deutsche. Es lebten hier 14.162 Personen (0,84 Prozent) mit polnischer und 310 Personen mit kaschubischer Muttersprache. Diese Verhältnisse galten bis zur Vertreibung der Deutschen 1945.
Die heutigen Einwohner Hinterpommerns sind überwiegend polnischer Nationalität. Sie bzw. ihre Vorfahren wurden nach der Vertreibung der deutschen Pommern aus Zentralpolen und aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten um Wilna (litauisch Vilnius), Grodno (weißrussisch Hrodna) und Lemberg (ukrainisch Lviv) angesiedelt. Hinzu kamen die Ukrainer, die 1947 im Rahmen der „Aktion Weichsel“ aus ihrer südostpolnischen Heimat vertrieben und dorthin umgesiedelt wurden.
Unser Tipp
- die Stadt Stettin mit ihrer Museen, Parks und der Hakenterrasse
- die Pommerschen Kurorte
- die Küste
- die Pommersche Seeplatte.
Literatur
Branig, Hans: Geschichte Pommerns. Von 1648 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Köln 1999.
Buchholz, Werner (Hrsg.): Pommern (= Deutsche Geschichte im Osten Europas; Bd. 9). Berlin 1999.
Buske, Norbert: Pommern. Territorialstaat und Landesteil von Preußen. Schwerin 1997.
Kozińska, Bogdana/Stettiner, Hans/Szczeciński, Jan: Das alltägliche Leben in Stettin des 20. Jahrhunderts. Muzeum Narodowe w Szczecinie 2010.
Koneffke, Jan: Eine nie vergessene Geschichte. Köln 2008.
Liskowacki, Artur Daniel: Sonate für S. München 2003.
Loew, Peter Oliver/Ellwart, Jarosław: Auf Bismarcks Spuren in Hinterpommern. Ein historisch-touristischer Leitfaden. Gdynia 2003.
Schmidt, Roderich: Das historische Pommern. Köln/Weimar 2006.
Wehrmann, Martin: Geschichte von Pommern. 2 Bände. Gotha 1919–1921.
Wolting, Monika und Stephan:Dies ist Pommern. Ein literarisch-künstlerischer Reisebegleiter, Dresden 2009.