Pietisten und Pioniere bauen Wein und Telegrafenmäste
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Katharinenfeld, heute Bolnissi: Die ehemalige evangelisch-lutherische Kirche, heute eine Sporthalle. Foto: Wikimedia commons, Traubenberger

Fläche: 69.700 km²
Einwohner: etwa 4,5 Mio.
Hauptstadt: Tiflis/Tbilisi
Amtssprache: Georgisch
Währung: Lari

Biblischer Landeplatz

Als Siedlungsraum wurde das Land, das die Georgier Sakartwelo nennen und das in der griechischen Mythologie als sagenhaftes Kolchis – Ursprungsort des Goldenen Vlieses – bekannt ist, erst im 19. Jahrhundert von deutschen Kolonisten entdeckt. In der Heimat wegen ihres Glaubens verfolgt und teilweise in dem Wahn, die Welt stünde kurz vor dem Untergang, ersuchten schwäbische Pietisten den russischen Kaiser Alexander I., in die Nähe des Berges Ararat, auf dem die biblische Arche gelandet sein soll, einwandern zu dürfen.

Der wilde Kaukasus

Der Ararat liegt zwar heute in der Türkei, doch arm an Bergen ist Georgien nicht. Im Norden durch den Großen, im Süden vom Kleinen Kaukasus begrenzt, liegen nur ein Achtel der verbleibenden Ebenen niedriger als 200 Meter über dem Meeresspiegel. Außer dem größten Fluss, der Kura, der in der Türkei entspringt und ins Kaspische Meer mündet, speisen alle anderen Flüsse das Schwarze Meer, an dessen Küste subtropisches Klima vorherrscht. Kein Wunder, dass diese reizvolle Landschaft schon seit der älteren Steinzeit besiedelt war. Die beiden georgischen Königreiche Kolchis, später Lazika, im Westen und Iberia, später Kartli, im Osten, blieben lange unter dem Einfluss von Griechen und Persern. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde zuerst in Kartli das Christentum eingeführt, im 5. Jahrhundert unterstand dem Katholikos die vereinigte georgische Nationalkirche.

Georgische Königreiche – mittelalterliche Blüte, neuzeitlicher Zerfall

Kachetien, Abchasien, Tao-Klardschetien sowie Kartli – das waren die vier georgischen Königreiche, die sich im 9. und 10. Jahrhundert etablierten und die Bagrat III. im Jahr 1008 zum ersten Mal unter einer Krone vereinte. Bedeutendster König aus der Bagratiden-Dynastie, unter der Georgien eine Zeit wirtschaftlicher und kultureller Blüte erlebte, war König David IV. (1073–1125).

Nach einem Intermezzo mongolischer Herrschaft auf georgischem Boden verlor das Land mit dem Fall Konstantinopels 1453 an Bedeutung, zerfiel wieder in kleinere Königreiche und blieb Spielball fremder Mächte, von denen sich Russland im 19. Jahrhundert durchsetzen sollte. Nach dem Friedensschluss von Georgiewsk (1783) zwischen Russland und dem ostgeorgischen Königtum annektierte Russland 1801 Kartli-Kachetien. 1810 folgte das georgische Königreich Imeretien. Die Region Gurien verlor 1828 die Eigenständigkeit, Mingrelien 1857. Die Region Swanetien wurde zwischen 1857 und 1859 annektiert, das Fürstentum Abchasien 1864.

Der russsische Kaiser Alexander I. erließ für die neu gewonnenen Gebiete ein Anwerbungsmanifest, das christlichen Siedlern Privilegien wie Religionsfreiheit, Befreiung vom Militärdienst und eine relativ autonome Verwaltung zusicherte.

Vier Generationen deutscher Besiedlung

Ab 1817 kamen die ersten deutschen Kolonisten nach Tiflis und gründeten das Viertel Neu-Tiflis entlang der heutigen David-Aghmashenebeli-Straße, die von Gründerzeitbauten deutscher Architekten geprägt ist. In der Umgebung von Tiflis entstanden weitere evangelisch-lutherische Kolonien, von denen Alexanderdorf heute im Stadtgebiet von Tiflis in der Verlängerung des ehemaligen deutschen Viertels liegt. Die größte Kolonie war Katharinenfeld, das heutige Bolnissi (georgisch ბოლნისი), südlich von Tiflis – die Fassaden ihrer großen evangelischen Kirche sind in der heutigen Turnhalle noch gut zu erkennen. Die rund 500 Großfamilien arbeiteten vor allem im Acker- und Weinbau, in Tiflis selbst waren Handwerker und Kaufleute tätig. Bis zum Zweiten Weltkrieg wohnten mehr als 40.000 Deutsche in über 20 deutschen Dörfern in Georgien. Während des Kriegs wurden mit Ausnahme der Familien, die ein nicht-deutsches Familienoberhaupt hatten, die meisten Deutschen nach Kasachstan deportiert.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Georgiens im Jahr 1991 hat die lutherische Kirche das frühere Gotteshaus in Tiflis, das deutsche Kriegsgefangene nach dem Zweiten Weltkrieg abtragen mussten, durch einen Neubau ersetzt, der durch die Stiftungen der Familie Hummel ermöglicht und 1997 eingeweiht wurde.

Unser Tipp

Das Unternehmen Siemens wirkte auch in Tiflis; mit der Firma Siemens und Halske erbaute man in den 1850er Jahren die erste Telegrafenleitung zwischen Tiflis und dem etwa zehn Kilometer südlich davon gelegenen Kojori. Die Tifliser Filiale der Firma Siemens leitete Walter Siemens; als dieser bei einem Reitunfall tödlich verunglückte, übernahm der jüngste Bruder Otto die Geschäfte. Beide sind an unbekanntem Ort hier begraben. Das Wohnhaus von Walter von Siemens in der Lado-Asatiani-Straße 30 ist durch eine Gedenktafel gekennzeichnet, die 1998 angebracht wurde.

Literatur

Songhulaschwili, Awtandil: Die Deutschen in Georgien. Tiflis 1997.

Springhorn, Daphne: Deutsche in Georgien. Tiflis 2004.

Links

Kaukasische Post
Deutsche Monatszeitung aus dem Kaukasus

Homepage des Goethe-Instituts
in Tiflis/Tbilisi

www.ev-luth-kirche-georgien.de | www.elkg.org
Die beiden Homepages der evangelisch-lutherischen Kirche in Georgien