Ende November und Anfang Dezember 2009 präsentiert das Deutsche Kulturforum östliches Europa zwei Veranstaltungen der Reihe in München – in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferenten für die böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein, München, und dem Tschechischen Zentrum München
Jahrhundertelang haben sie in derselben Landschaft, in demselben Land gelebt: Tschechen und Deutsche. Bis 1989 schien es die Deutschen in der modernen tschechischen Geschichte jedoch nur als die Besatzungsmacht im Protektorat Böhmen und Mähren gegeben zu haben: bis an die Zähne bewaffnete Wehrmachtssoldaten, brutale Gestapomänner, die Herrenmenschen schlechthin. So sah das offizielle Bild des Deutschen in der Literatur, der bildenden Kunst und im Film aus, und mit diesem Bild im Kopf ist die tschechische Nachkriegsgeneration aufgewachsen.
Die Leerstellen, die die Vertreibung der Deutschen hinterlassen hat, werden von der Literatur langsam zurückerobert. Der Blick zurück wird differenzierter, es wird nicht mehr die Kollektivschuld bemüht, sondern das erlittene und zugefügte Leid von mehreren Seiten gesehen, die Begleitumstände offengelegt. Wie eine Hintergrundfolie trägt somit das Bild des Deutschen zur besseren Ergründung der eigenen Befindlichkeiten bei. Denn nicht nur die Vertreibung der Deutschen, sondern auch vieles andere, was nicht in die offizielle Geschichtsschreibung passte, wurde mehr als ein halbes Jahrhundert verdrängt.
Die vom Deutschen Kulturforum östliches Europa zum ersten Mal 2008 in Berlin veranstaltete Reihe Ablagerungen, bei der auch Jáchym Topol aus Supermarkt der Sowjethelden und Jaroslav Rudiš aus Grand Hotel lasen, präsentierte einige der Werke zum ersten Mal einem deutschen Publikum. Die Autoren und Texte wurden auf Anregung des Kulturforums von Eva Profousová ausgewählt. Die während der Veranstaltung vorgetragenen Texte wurden im Septemberheft 2008 der Zeitschrift sprache im technischen zeitalter veröffentlicht. Die drei Veranstalter möchten mit der Reihe ablagerungen in der bayerischen Metropole auf den zunehmend unverkrampften Umgang tschechischer Kulturschaffender mit der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte hinweisen.
Die Veranstaltungen
Freitag, 27. November 2009
19.00 Uhr | Adalbert Stifter Verein – Kulturforum im Sudetendeutschen Haus (Hochstraße 8, 81669 München)
- Szenische Lesung
Miroslav Bambušek: Porta Apostolorum
- Die szenische Lesung über die Ermordung Deutscher im nordböhmischen Postelberg (Postoloprty) im Jahr 1945 wurde eingerichtet von Katharina Schmitt
Miroslav Bambušeks Werk porta apostolorum beschäftigt sich mit dem Massaker von Postelberg (tschechisch Postoloprty) in Nordböhmen. Im Juni 1945 befahl die tschechoslowakische Militärkommandantur allen männlichen deutschen Einwohnern von Saaz (Žatec) im Alter von 13 bis 65 Jahren, sich an bestimmten Plätzen der Stadt zu sammeln. Die Saazer wurden in ein Internierungslager nach Postelberg getrieben. Dort waren nach tschechischen Quellen bis zu 5.000 Männer interniert. Im Herbst 1947 wurden in der Nähe von Postelberg 763 Leichen gefunden. […] weiter
Dienstag, 01. Dezember 2009
19.00 Uhr | Tschechisches Zentrum (Prinzregentenstraße 7, 80538 München)
- Lesung und Gespräch
Ein herrlicher Flecken Erde – Zur Strafe und zur Belohnung
- Die tschechischen Schriftstellerinnen Radka Denemarková und Anna Zonová lesen aus ihren Romanen und stellen sich anschließend den Fragen der Zuhörer | Moderation: Eva Profousová
Wie Anna Zonová hat Radka Denemarková erst vor kurzem die tschechische Literaturszene betreten, beide setzen sich mit den Folgen der Vertreibung der Deutschen im Bewusstsein der tschechischen Öffentlichkeit auseinander. Radka Denemarková beschreibt in ihrem Roman peníze od hitlera (»Geld von Hitler«, Verlag host, 2006, auf deutsch 2009 unter dem Titel ein herrlicher flecken erde bei der dva erschienen) die Geschichte einer Frau, die nach dem Krieg als Deutsche aus ihrem Geburtshaus vertrieben wurde […] weiter