Im Gespräch mit Dr. Andrzej Toczewski, Direktor des Museums des Lebuser Landes (Ziemi Lubuskiej in Zielona Góra) in Grünberg/Zielona Góra
Im Rahmen einer Exkursion des Instituts für angewandte Geschichte Frankfurt (Oder) in Kooperation mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa, 13.11.2009

Von Susanne Butz und Margot Reis

Herr Toczewski, Historiker und Direktor des Museum Ziemi Lubuskiej in Zielona Góra, ehemals Grünberg, erwartete uns zusammen mit zwei Mitarbeitern des Museums. Er hatte unser Anliegen und unsere Fragen bereits erhalten. Ohne jedoch auf sie einzugehen, stellte er uns in einem chronologischen Überblick die Geschichte Grünbergs seit dem Mittelalter vor.

In Grünberg gab es bereits im Mittelalter das Tuchmachergewerbe. Im Zuge der Industrialisierung entwickelte sich die Stadt zum Zentrum für Woll- und Tuchhandel. Die anfangs als Heimarbeit durchgeführte Produktion wurde später mit englischem Kapital in eine heute noch stehende »Fabrik deutscher Wolle« verlegt. Zielona Gora verfügte damals über eine Börse für Wolle sowie über verschiedene Fachzeitschriften. Ende des 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jahrhundert versuchte die Stadt, die Abwerbung ihrer Textilfachkräfte durch Fabriken in Łódź zu verhindern, indem sie ihnen Grundstücke in Zielona Gora anbot.

Während des Zweiten Weltkriegs diente die Fabrik der Ausstattung des deutschen Militärs. Die Arbeit verrichteten nun Zwangsarbeiter, die in Konzentrationslagern bei Grünberg interniert waren. Nach Kriegsende übernahm 1954 Polen den Betrieb und führte die Produktion militärischer Kleidung und Ausstattung weiter unter dem Namen »Polnische Wolle«. In den siebziger Jahren wurde unter veränderten politischen und wirtschaftlichen Bedingungen die Produktion eingestellt.

Die heutige Bevölkerung hat, nach Aussage des Museumsdirektors, mehr Interesse an der Tradition des Weinbaus als an der des Woll- und Tuchgewerbes. Die Tradition des Weinanbaus wird derzeit in der Region wieder belebt. Das Museum hat Exponate rund um das Thema Wein gesammelt und ist das einzige Weinmuseum in Polen.

Der zweite Teil des Vortrags war der Geschichte des Museums gewidmet. Gegründet wurde es als Heimatmuseum im Jahr 1922 durch den Grünberger Lehrer und Stadtrat Martin Klose. Während der Zeit der russischen Besatzung wurde das Museum geschlossen. Die Exponate konnten dank persönlicher Verbindung Kloses zu einem Offizier der Roten Armee gesichert werden. 1947 fand die Wiedereröffnung mit den alten deutschen Exponaten unter der Leitung Kloses und einer polnischen Direktorin statt. Insbesondere eine Darstellung Friedrichs II. in großer Militärausrüstung führte zu einem Eklat in der polnischen Presse. Dies hatte die Ausweisung Kloses und die Schließung des Museums zur Folge. Es herrschte zu dieser Zeit eine Atmosphäre, die weder kulturelle Erzeugnisse oder Symbole der ehemaligen deutschen Bevölkerung zuließ noch die Erinnerung an die ehemals deutsche Geschichte der Region. Manche Exponate wurden von anderen Museen wie dem in Warschau in Besitz genommen. Im Jahr 1950 wurde das städtische Museum im ehemaligen Landratsamt neu eröffnet, in dem es sich auch heute noch befindet.

Dieser erste Teil des Vortrags nahm die gesamte, für das Gespräch vorgesehene Zeit in Anspruch. Schließlich gelang die Frage, weshalb das Museum nicht Museum der Stadt Zielona Góra sondern Museum Ziemi Lubuskiej heiße. Der Name, so erklärte Herr Toczewski, verberge ein gesellschaftliches und politisches Problem. Er sei mit der Veränderung der Verwaltungsstrukturen verbunden. In den siebziger Jahren gab es in Polen eine »politische Wende«, die unter anderem zur Teilung der Wojewodschaft führte. Damit bekam auch das Museum eine neue Führung und eine neue Bestimmung. Das Museum untersteht mittlerweile dem Marschall der Woiwodschaft Lubuskie und hat erst in der jüngeren Geschichte Freiheiten gewonnen, über Inhalte selbst zu bestimmen.

Die Frage nach der Identität der Menschen, die in der Region leben, genauer: ob sie sich als Lubusker fühlen, beantwortet der Museumsdirektor ausweichend. Der Name Lubuskie sei von Experten ausgedacht worden und werde als etwas Übergestülptes empfunden. Herr Toczewski verwies auf die traumatischen Erlebnisse und Erfahrungen der Bevölkerung während der erzwungenen Umsiedlung, ihre Entwurzelung und die Polonisierung durch die kommunistische Regierung. Heute sei eine Wiederbelebung alter ostpolnischer Traditionen sichtbar in der Pflege der Folklore. Er selbst schreibe an einem Buch über die nationalsozialistischen Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung der Region. Es gäbe eine vorsichtige Annäherung zwischen deutschen und polnischen Bewohnern und Repräsentanten der Stadt. Ein deutscher Historiker und ehemaliger Grünberger schreibe an einer Geschichte Grünbergs. Diese Prozesse wertete er als erste Schritte in die richtige Richtung und als Erfolg.

An dieser Stelle endete das Gespräch, nachdem die vorgesehene Zeit weit überschritten war. Weder konnte Herr Toczewski das von ihm vorgesehene Programm zu Ende bringen, noch gab es die Gelegenheit, weitere Fragen zu stellen.

Muzeum Ziemi Lubuskiej
Das Museums des Lebuser Landes im Internet