Eine Veranstaltung im Rahmen des »Festivals Mitte Europa«
30. Juni bis 1. Juli 2008 in der Galerie für Bildende Kunst in Eger/Cheb, Tschechien.
Das Symposium findet jährlich im Rahmen des Festivals Mitte Europa in Eger/Cheb statt und wird von der Cheb 1991 – Kulturni Spolupráce, einem der beiden Organisatoren des Festivals organisiert.
Jiří Vykoukal, Direktor der Galerie für Bildende Kunst Cheb, Ivana Thomaschke-Vondráková und Jana Orlíková begrüßten die Teilnehmer des Symposiums und verwiesen auf das Ziel der Symposien, die deutschböhmischen Kunst zwischen 1850-1945 sowie das gesellschaftliche und kultursoziologische Umfeld, in dem sie entstand zu erforschen. Diese Phase der Kunst- und Kulturgeschichte in Böhmen bzw. der Tschechoslowakei wurde lange Zeit wenig beachtet. Die Symposien sollen nun dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Die Vorträge widmeten sich sowohl einzelnen Künstlern, als auch Aspekten der Kunstszene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Frau Thomaschke-Vondráková verwies darauf, das geplant sei, wichtige Beiträge in einem Almanach zu publizieren. Dafür sei ein Antrag auf finanzielle Unterstützung an den Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds gestellt worden.
Als ersten Beitrag stellte Wolf-Dieter Hamperl den Maler und Grafiker Maximilian Hüttisch vor. Der am 6. November 1911 in St. Joachimsthal/Jáchymov geborene Künstler war Schüler der Staatl. Porzellanfachschule (1930–32), besuchte anschließend die Staatl. Hochschule für Kunstgewerbe (Umprum) in Prag (1931–37) und studierte an der Kunstakademie in Prag (1937–39). Wegen seines Malstils und seiner Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei geriet er nach dem Anschluss der Sudetendeutschen Gebiete an das Deutsche Reich 1938 in Schwierigkeiten. Infolge des Krieges verlor Hüttisch alle seine Arbeiten in Prag und St. Joachimsthal und war in München zu einem Neuanfang gezwungen. Seine Zeichnungen und Gemälde waren in Ausstellungen in Deutschland und Frankreich zu sehen und er erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Das Œuvre und der schriftliche Nachlass von Hüttisch, der 1988 in München starb ist bis heute nicht erfasst.
Auch das Leben und Werk des Grafikers August Brömse (1873–1925) ist bisher wenig erforscht. Gabriela Kasková, die eine monographische Arbeit zu diesem Künstler vorbereitet, stellte August Brömse im Spiegel seiner Korrespondenz von 1906 bis 1910 vor. Die Briefe an Else Schönemann, seine spätere Frau, bieten einen Einblick in das Prager Kulturleben der Zeit. Brömse war von Franzenbad nach Prag gezogen, da man ihm ein Stipendium und die Professur für Radierung an der Kunstakademie in Aussicht gestellt hatte. Die Professur bot die finanzielle Voraussetzung für die Eheschließung mit Else Schönemann. Jedoch verzögerte sich die Berufung. Im Unterschied zur Universität gab es nur eine Kunstakademie für Deutsche und Tschechen. Die meisten Lehrer waren Tschechen, das veranlasste viele deutsche Künstler zur Ausbildung nach Wien oder München zu gehen. Die Deutschen setzten sich für eine deutsche Akademie ein, die jedoch von den Tschechen abgelehnt wurde. Schließlich kam es zu einem Kompromiss und Brömse erhielt die Professur. Brömse konnte, wie die meisten deutschen Künstler in Böhmen von seiner Kunst allein nicht leben. Die »Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen« unterstützte die Künstler durch Vergabe von Aufträgen.
Heute fast vergessen
Der Bildhauer Franz Metzner (1870–1919), den Jan Mor in seinem Vortrag »Franz Metzner und das Jahr 1908« vorstellte, ist heute fast vergessen, obwohl er für die Entwicklung der Skulptur um 1900 eine wichtige Rolle spielte. Der 1870 in Pilsen geborene Künstler war 1903–1906 Professor an der Wiener Hochschule für Kunstgewerbe und stand mit Hildebrandt, George Minne, Auguste Rodin und Aristide Maillol in Verbindung. Zwar verbrachte er einen großen Teil seines Lebens in Berlin, aber der Kontakt zur Kunstszene in den böhmischen Ländern und Österreich blieb bestehen. Im Jahr 1908 erhielt er seine ersten größeren Aufträge: die Errichtung der Statue des Barockdichters Franz Stelzhammers in Linz und der Skulpturen für das Haus des Wiener Bankenvereins (Architekten Josef Zasche und Alexander Neumann) in der heutigen ul. Na Příkopě in Prag. Das Gebäude gilt als Musterbeispiel für die Verbindung von Architektur und Skulptur zu einem Gesamtkunstwerk. 1908 wurde Franz Metzner zur Wiener Sezession eingeladen. Seine künstlerische Aktivität in diesem Jahr war sehr groß, neben den Skulpturen für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal arbeitete er an einem Denkmal für Kaiser Joseph II. in Teplitz/Teplice sowie an verschiedenen Aufträgen für Prag (Mozartdenkmal und Nibelungenbrunnen). Viele Werke von Metzner sind heute nicht mehr erhalten. Arbeiten des Künstlers befinden sich im Museum in Liberec.
Der Maler Moritz Melzer (1877–1966) wurde mit einer Ausstellung »Moritz Melzer: Streben nach reiner Kunst – Werke von 1907 bis 1927« im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg wiederentdeckt. In seinem Vortrag stellte der Kurator der Ausstellung, Gerhard Leistner, fest, dass expressionistische Künstler wie Moritz Melzer, die keiner Künstlergruppe angehörten und keine große künstlerische Einzelpersönlichkeiten waren, der Vergessenheit anheim fielen. Der aus dem Riesengebirge stammende Melzer erhielt seine Ausbildung in Weimar und setzte sich in seiner Kunst mit der Tradition von Amseln Feuerbach und Hans von Mareé auseinander, ließ sich von belgischen Pointilisten und den Künstlern der Nabis inspirieren. In seinen Werken finden sich der Einfluss vom Werk el Grecos und Anklänge an klassische Figurengruppen. Die Dreidimensionalität eines Bildes mit aufgesetzten Lamellen verrät Melzers Kenntnis des Kubismus, Futurismus und Orphismus und nimmt Züge der Op-Art vorweg. Ab 1919 zeigen seine Grafiken starke Bewegung und die Verschmelzung von Natur und Architektur. In den 1920er Jahren werden seine Arbeiten gegenständlich, in den 1930ern stark dekorativ.
Zdenka Čepeláková stellte in ihrem Beitrag die Grafiken von Heinrich Vogeler (1872–1942) aus der Karlsbader Sammlung vor. Karlsbad besitzt eine große Sammlung dieser Grafiken, die wohl zum größten Teil aus dem Kunsthandel der Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg stammt. Es ist die größte Sammlung von Grafiken des der Künstlerkolonie Worpswede angehörenden Jugendstilkünstlers in Tschechien.
Die Kunstszene in der neugegründeten Tschechoslowakei
Am nächsten Tag, dem 1. Juli wurde das Symposium mit Vorträgen zur Kunstszene in der Tschechoslowakei nach dem Ersten Weltkrieg fortgesetzt. Miloš Minařik beschrieb in seinem Bericht »Der Kunstdiplomat Johannes Urzidil (1896–1970)« das Engagement des Prager Schriftstellers für die Kunst in der Tschechoslowakei. Anfang der 1920er Jahre bemühte sich Urzidil tschechische Kunst im Ausland – vor allem in Deutschland – bekannt zu machen und tschechischen Künstlern Ausstellungsmöglichkeiten zu vermitteln. Ein Beispiel ist Jan Zravý, der Dank Urzidils Hilfe Herwarth Walden kennen lernte und mit dem Verlag Kiepenheuer wegen Buchillustrationen ins Gespräch kam. Im Laufe der 1920er Jahre interessierte sich Urzidil immer mehr für die deutschböhmischen Künstler. In den 1930er Jahren als diese von der tschechischen Öffentlichkeit weitgehend ignoriert wurden, setzte er sich für sie ein. In gleicher Weise unterstützte er auch jüdische Künstler.
In fast den gleichen Künstlerkreisen wie Johannes Urzidil verkehrte auch der Galerist Hugo Feigls (1889–1961), den Arne Pařik vorstellte. Der aus einer jüdischen Familie stammende ausgebildete Jurist Hugo Feigls schrieb seit 1919 Kunstkritiken für das Prager Tagesblatt und eröffnete 1924 eine Galerie im Koruna-Palast auf dem Wenzelsplatz. 1930 war er Mitbegründer der Galerie Europa und fing gleichzeitig an, Ausstellungen in seiner Galerie im Palast der Versicherungsanstalt Riunione Adriatica di Sicurtá in der Jungmann-Straße 38 und später in der Masaryk-Uferstraße 8 zu zeigen. Die Ausstellungen stellten sowohl tschechische wie europäische Kunst vor. Feigls wurde in seiner Tätigkeit von bedeutenden Galeristen wie Alfred Flechtheim und Künstlern wie Max Liebermann unterstützt. In nahezu acht Jahren Galerietätigkeit in Prag konzipierte er an die 60 Ausstellungen moderner und alter Kunst, die das Prager Kunstleben bereicherten.
Ausstellung über Franz Rumpler
Die Patrik Šimon-Sammlung besitzt die bedeutendste Sammlung deutscher und jüdischer Künstler in Böhmen und Mähren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Sammler stellte seine Neuerwerbungen in diesem Bereich vor und charakterisierte die Arbeiten in ihrem zeitgenössischen Kontext.
Als letzten Beitrag beschrieb Jan Samec, der Direktor der Galerie für Bildende Kunst in Karlsbad, ein Ausstellungsprojekt, das zur Zeit in der Galerie zu sehen ist. Tschechische und deutsche Künstler waren aufgerufen sich mit Werken der klassischen Moderne, die in den Räumen der Galerie ausgestellt sind in einem Workshop auseinander zu setzen.
In einer Pause führte Jiří Vykoukal durch die Ausstellung »Franz Rumpler«. Die Galerie für Bildende Kunst Cheb stellt während des Festivals Mitte Europa Werke deutschböhmischer Künstler in monografischen Ausstellungen vor. Franz Rumpler wurde 1848 in Tachau geboren und erhielt seine künstlerische Ausbildung an der Wiener Akademie der bildenden Künste ab Mitte der 1890er Jahre als Professor die Spezialschule für Historienmalerei an der k. u. k. Akademie der bildenden Künste in Wien. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war Franz Rumpler ein gefragter Maler, der nicht zuletzt deswegen in Vergessenheit geriet, da sich ein Großteil seiner Werke in Privatbesitz befinden.
Das nächste Symposium für tschechische und deutsche Kunst und Kunstgeschichte ist für den 29. bis 30. Juni 2009 geplant.
- www.galeriecheb.cz
Die Internetseiten der Galerie für Bildende Kunst in Eger/Cheb | Internetové stránky Galerie výtvarného umění v Chebu | česky
- www.festival-mitte-europa.com
Das Festival Mitte Europa im Internet