am 5. Dezember 2007 in Berlin
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MinDirig Dr. Michael Roik, Vorsitzender des Kuratoriums des Deutschen Kulturforums östliches Europa

Der vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien dotierte Georg Dehio-Kulturpreis des Deutschen Kulturforums östliches Europa wird heute zum fünften Male verliehen. Mit ihm werden sowohl einzelne Persönlichkeiten als auch Initiativen ausgezeichnet, die sich in herausragender Weise um die Erforschung, Bewahrung oder Präsentation von Zeugnissen des gemeinsamen kulturellen Erbes in jenen Regionen des östlichen Europas verdient gemacht haben, in denen im Laufe der Geschichte auch Deutsche gelebt haben. Der Preis ist inzwischen zu einem auch in der Öffentlichkeit beachteten Symbol avanciert: So stellt der Georg Dehio-Preis einerseits die geehrten Persönlichkeiten und ihre Leistungen ins Rampenlicht, andererseits weist er aber auch auf das Engagement der Bundesregierung bei der Bewahrung und Weiterentwicklung des gemeinsamen Kulturerbes im östlichen Europa hin.

Ein »gemeinsames Kulturerbe« ruft per se zur Kooperation, zu gegenseitigem Verständnis und zum interkulturellen Dialog auf. Möglich ist dies jedoch nur, wenn wir gemeinsam mit unseren Partnern im östlichen Europa die historisch gewachsenen Gemeinsamkeiten sehen, sie wahrnehmen, pflegen und weiterentwickeln.

Lassen Sie mich noch einen Augenblick bei dem Begriff des »gemeinsamen Kulturerbes« verharren. Für mich ist dieser Gedanke keineswegs nur eine Floskel, denn Europa bildet tatsächlich eine historisch gewachsene gemeinsame Einheit. Der Name »Europa« erhält seinen Sinn erst auf Grund der aus gleichen Ursprüngen entstandenen christlich-abendländischen Kultur, die sich im Lauf der Jahrhunderte in zahlreiche Regional- und Nationalkulturen ausdifferenziert hat. Auch die Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa kann nur dann angemessen erforscht und präsentiert werden, wenn dies auf der Grundlage der gemeinsamen Vergangenheit des alten Europas geschieht.

In diesem Zusammenhang befassen wir uns mit den Fragen der Vergangenheit und der Gegenwart vor dem Hintergrund je unterschiedlicher historischer und nationaler Traditionen und Entwicklungen, aber in dem Bewusstsein, dass es dabei nicht um retrospektive nationalistische Ansprüche geht, sondern um die Bewahrung eines komplexen historischen Profils und seine Vermittlung an die nächsten Generationen. Unter diesem Gesichtspunkt erhält historisch bewusste Handlung und ihre Reflexion den Charakter einer zukunftsgerichteten Verantwortung.

Das tiefe Verständnis, das unsere Partner diesem Anliegen entgegenbringen, ist für uns Motivation und Aufforderung zur Zusammenarbeit. Es gründet auf dem gemeinsamen Willen, Vergangenheit nicht einseitig zu vereinnahmen. Wenn nun in diesem Jahr Sie, sehr geehrter Herr Dr. Lancmanis, als Denkmalschützer Ihrer Heimat Lettland, wie auch Sie, sehr geehrter Herr Kerski, für das deutsch-polnische Magazin Dialog mit dem Georg Dehio-Preis ausgezeichnet werden, so liegt darin eine doppelte Signalwirkung.

Die Bewahrung historischer, oft einzigartiger Baudenkmäler vor dem Verfall, für die Sie, Herr Dr. Lancmanis, sich seit Jahrzehnten in Lettland intensiv einsetzen, schafft für die Gegenwart den historisch begründeten Raum, in dem sich geschichtliches Bewusstsein entfalten kann. Vor allem die Rettung des unersetzlichen baulichen Juwels Schloss Ruhenthal/Rundâle, aber auch die nachhaltige Beschäftigung mit anderen Baudenkmälern in Lettland, der Ankauf und die Sicherung von Kunstwerken und nicht zuletzt die zahlreichen Kontakte über alle Grenzen hinweg, mit denen Sie die Bewahrer des kulturellen Erbes zu verbinden verstehen – all dies schafft ein Netzwerk, das eine unverzichtbare Grundlage für zukünftige Aktivitäten schafft. Ich freue mich sehr, dass die Jury Ihnen den Hauptpreis zugesprochen hat.

Die bislang 20jährige Arbeit der Redaktion der Zeitschrift Dialog ist auf die Gegenwart ausgerichtet, und seit rund zehn Jahren wird sie von Basil Kerski mit großem persönlichen Einsatz geleitet. Mit sicherer Hand steuert er seither erfolgreich die gewiss nicht immer ganz einfache grenzüberschreitende journalistische Arbeit. Die Zeitschrift bietet ein engagiertes und kritisches Forum, das von Anfang an dem Austausch, der Erfahrungserweiterung und dem Gespräch zwischen Deutschen und Polen gedient hat. Sie ist ein Medium, das in die deutsche und polnische Gesellschaft hineinwirkt und die Nachbarn verbindet – Sie, Herr Kerski, und Ihr Team haben den Ehrenpreis für Ihren Einsatz verdient.

Gegenwart und Geschichte lassen sich nicht voneinander trennen. Das aktuelle Miteinander bliebe oberflächlich ohne die historische Dimension. Und die geschichtlichen Zeugnisse sind stumme Artefakte, wenn sie nicht fortwährend durch eine lebendige Auseinandersetzung im Bewusstsein der Zeitgenossen gehalten werden. Friedrich Schlegels Satz, der Historiker sei ein rückwärts gekehrter Prophet, trifft in vollem Umfang für das Wirken von Dr. Imants Lancmanis (Immanz Landsmannis) zu. Diese Sentenz ließe sich aber auch dergestalt umkehren, dass die Arbeit des Journalisten eine in die Zukunft gerichtete historische Tätigkeit ist. Vielleicht bringt dies die Substanz der Arbeit des Teams der Zeitschrift Dialog unter der Leitung von Basil Kerski auf einen Nenner.

Das Kuratorium des Deutschen Kulturforums östliches Europa, für das ich sprechen darf, freut sich mit den Preisträgern. Wir wünschen uns, dass ihr Engagement Vorbild sein möge für viele weitere Aktivitäten, durch die unsere gemeinsame Kultur und Geschichte erforscht, bewahrt und in die gelebte Gegenwart transportiert wird, indem sie die Menschen erfreuen und zum Nachdenken anregen.

Ich danke den Preisträgern - ich danke aber auch der Jury für ihre gewiss nicht leichte Aufgabe und nicht zuletzt dem Deutschen Kulturforum östliches Europa für die Vorbereitung der Preisvergabe und für die Organisation dieses Festaktes.